"Macron entzündet wieder den europäischen Ehrgeiz", titelt Le Soir. La Libre Belgique ist im selben Register und schreibt: "Emmanuel Macron schäumt über vor europäischem Ehrgeiz". De Standaard fühlt sich offensichtlich an Martin Luther King erinnert: "Macron has a dream", so die Schlagzeile auf Seite eins, Macron hat einen Traum.
Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron hat am Dienstag an der Pariser Universität Sorbonne seine mit Spannung erwartete Grundsatzrede über die Zukunft der Europäischen Union gehalten. Im Wesentlichen plädiert er für nicht weniger als für eine "Neugründung der EU". Seine Feststellung: Für die heutige, enorm schnelllebige Zeit ist die EU mit ihren komplexen Entscheidungsmechanismen einfach zu langsam.
Europa soll also schneller, schlagkräftiger, effizienter werden. Das setzt eine deutlich vertiefte Integration voraus. Weil das aber längst nicht alle Staaten wollen, plädiert Macron ausdrücklich für ein "Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten". Konkret soll sich eine Gruppe von Staaten bilden, die sozusagen vorprescht.
Zwischen Begeisterung und Skepsis
Le Soir ist total begeistert: Eine große Rede zeichnet sich dadurch aus, dass sie in einem bestimmten Augenblick der Geschichte ein Schlüsselereignis darstellt. Es mag so aussehen, als hätte Emmanuel Macron am Dienstag mit seinem Auftritt in der Sorbonne genau das geschafft. Genau in dem Moment, wo viele in den Abgesang der Europäischen Union einstimmen, präsentiert Macron den ehrgeizigen Gegenentwurf. Er beschwört etwa seine Kollegen, endlich ihre kleingeistige Krämerseele abzulegen und an das große Ganze zu denken. Chapeau, Monsieur le Président!, jubelt Le Soir.
Einige Zeitungen sind da deutlich weniger enthusiastisch. Emmanuel Macron scheint fast schon dem belgischen Altpremier Guy Verhofstadt den Titel "Visionärster und überzeugtester Europäer" streitig machen zu wollen, meint etwa Het Belang van Limburg. Seine Ideen gehen sehr weit. Ihm schwebt etwa ein gemeinsames Budget für die Eurozone vor, das mehrere hundert Milliarden Euro umfassen sollte.
Da könnte er aber die Rechnung ohne die Deutschen gemacht haben: Angela Merkel wird ja womöglich mit der FDP koalieren müssen. Und die deutschen Liberalen wollen ja von einer tiefergehenden Integration der Eurozone nichts wissen. Mit der FDP sind auch Hilfszahlungen an strauchelnde Partnerländer nicht zu machen. Allein schon beim privilegierten Partner Deutschland gibt es also genug Widerstände gegen die europäische Quadratur des Kreises.
L'Echo fühlt sich kurioserweise an Ziegen erinnert. Genauer gesagt verweist die Zeitung auf ein Zitat des früheren französischen Präsidenten Charles de Gaulle. Der sagte 1965 den giftigen Satz: "Man kann wie ein Zicklein auf einen Stuhl springen und dabei 'Europa, Europa, Europa!' rufen, das führt aber zu nichts." Konkret: Vieles von dem, was Macron am Dienstag zum Besten gegeben hat, dürfte sich wohl als heiße Luft erweisen. Dabei würde man ihm ja liebend gerne glauben, dass die Sorbonne-Rede mehr war als eine Serie von Bocksprüngen. Eins ist aber sicher: Jetzt dürfte noch einmal jedem klar geworden sein, dass das Frankreich von Emmanuel Macron ein energisches Frankreich ist, was vielleicht eine einmalige Gelegenheit eröffnet, wirklich vorwärts zu kommen.
Rekordsommer der etwas anderen Art in Antwerpen
"In diesem Jahr lagen schon drei Findelkinder in der Lade", titelt derweil Het Laatste Nieuws. Mit dieser "Lade" ist die Antwerpener Babyklappe gemeint. Diese Babyklappe ist die bislang einzige in ganz Belgien. Dort können also verzweifelte junge Mütter ihr Kind anonym abgeben. In den letzten fünf Monaten ist das also gleich drei Mal passiert; Gazet van Antwerpen spricht denn auch von einem "Rekordsommer".
Het Nieuwsblad rechnet anders und titelt sogar: "In diesem Jahr lagen schon vier Neugeborene in der Antwerpener Babyklappe"; im Winter war auch schon ein kleines Mädchen abgegeben worden. Warum das so bemerkenswert ist, das sagt eine andere Zahl: Die Babyklappe besteht seit 17 Jahren - und vor diesem Jahr waren gerade einmal neun Babys dort abgegeben worden. Und jetzt also: drei in einem Sommer. Es waren übrigens drei Jungs.
Vier Babys in einem Jahr, das gibt zu denken, meint Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel. In jedem Fall mag das ein Beweis dafür sein, wie wichtig die Existenz der Antwerpener Babyklappe ist. Und genau deswegen ist es auch verwunderlich, dass das bislang die einzige Initiative dieser Art in Belgien ist. Schlimmer noch: Erst in der vergangenen Woche hat der Bürgermeister der Brüsseler Stadtgemeinde Evere die dort geplante Schaffung einer Babyklappe verboten. Natürlich ist so eine Babyklappe keine Patentlösung, die alle glücklich macht. Im Sinne der Kinder muss es aber möglich sein, dass verzweifelte Frauen anonym ihre Babys in gute Hände geben können.
Nur noch wenige Wochen...
De Standaard schließlich beschäftigt sich in seinem Leitartikel mit der belgischen Energiewende, die nach Ansicht der Zeitung nach wie vor Sand im Getriebe hat. Ende dieses Jahres, also in nur noch wenigen Wochen müssen die vier Energieminister des Landes definitiv über den Atomausstieg entscheiden. Entsprechend intensiv versuchen im Moment verschiedene Interessengruppen, sich Gehör zu verschaffen. Der Unternehmerverband FEB hat ja schon davor gewarnt, dass 2025 das Licht ausgehen könnte.
Es ist und bleibt aber eine politische Entscheidung, meint das Blatt. Allerdings sollte es eine klare Entscheidung sein. Wenn die Minister noch kleinste Hintertürchen für die Kernenergie offenlassen, dann wird nämlich wieder nichts passieren. Nur ein eindeutiger, unumkehrbarer Beschluss schafft die Notwendigkeit und die Dringlichkeit, massiv in erneuerbare Energien zu investieren.
Roger Pint - Bild: ludovic Marin/Pool/AFP