"Die Koalition will das Bankgeheimnis abschaffen", titelt Le Soir. "Die totale Aufhebung des Bankgeheimnisses ist in Sicht", so die Schlagzeile von L'Echo.
Die Mehrheit will offenbar ihre Lehren aus dem Skandal um die Panama Papers ziehen. Die Affäre hatte ja einmal mehr gezeigt, wie massiv und wie systematisch Gutbetuchte und Unternehmen ihr Geld verstecken. Ein parlamentarischer Ausschuss hatte den Skandal aufgearbeitet. Und die Mehrheitsparteien haben sich jetzt auf eine Reihe von Empfehlungen verständigt. Darunter ist eben die Abschaffung des Bankgeheimnisses. Bislang waren nämlich den Steuerbehörden selbst bei einem konkreten Anfangsverdacht die Hände gebunden. Künftig sollen Banken dazu verpflichtet werden können, Informationen über ein verdächtiges Bankkonto preiszugeben, selbst wenn der Kontoinhaber nicht eindeutig ermittelt werden kann.
Maulwurf für Misserfolge bei Terrorfahndung verantwortlich?
"Der Polizist, der geheime Informationen weitergab", so derweil die Aufmachergeschichte von Het Laatste Nieuws. Ein Beamter der Brüsseler Polizei steht im Verdacht, geheime interne Daten an einen Terrorverdächtigen weitergereicht zu haben, und zwar an Yassine Atar. Atar sitzt in U-Haft wegen mutmaßlicher Mittäterschaft bei den Anschlägen von Paris und Brüssel. Er ist zudem der Bruder von Oussama Atar, der inzwischen als Drahtzieher der Attentate gilt. Het Laatste Nieuws stellt sich denn auch die Frage, ob die Existenz des Maulwurfs nicht eine Reihe von Misserfolgen bei der Terrorfahndung erklärt, etwa die Tatsache, dass die Waffen der Terrorzelle bislang nicht gefunden werden konnten.
"Dämlichste politische Aktion des Jahres"
Im Mittelpunkt vieler Leitartikel steht derweil einmal mehr der Wirbel um Asylstaatssekretär Theo Francken. Der N-VA-Politiker steht in der Kritik, weil er mit den sudanesischen Behörden zusammenarbeitet, um Flüchtlinge am Brüsseler Nordbahnhof zu identifizieren. Bei dem Regime in Khartum handelt es sich um eine Diktatur, gegen den Machthaber Umar al-Baschir ermittelt der Internationale Strafgerichtshof wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Dass Belgien mit einem solchen Regime zusammenarbeitet, hat bei der linken Opposition für einen Sturm der Entrüstung gesorgt. Die Jugendorganisation der frankophonen Grünen Ecolo reagierte in sozialen Netzwerken mit einer Fotomontage, auf der Theo Francken eine Nazi-Uniform trägt. Die flämischen Nationalisten wollten das nicht auf sich sitzen lassen: "Die N-VA verlässt aus Protest die Kammer", notiert unter anderem Gazet van Antwerpen auf ihrer Titelseite.
Die Jung-Ecolos sind mit ihrer Fotomontage weit über das Ziel hinausgeschossen, meint das Blatt in seinem Leitartikel. Nazi-Symbolik für Vergleiche heranzuziehen ist immer gefährlich. Damit werden letztlich nämlich die unsäglichen Verbrechen der Nationalsozialisten relativiert. Dass eine Jugendorganisation eine Fehleinschätzung macht, das kann passieren. Unbegreiflich ist aber, dass die Grünen-Parteiführung das durchgehen lässt und sich auch nicht dafür entschuldigt.
Das Resultat ist kontraproduktiv, findet Het Nieuwsblad. Die Jung-Ecolos haben mit ihrer geschmacklosen Fotomontage im Grunde jegliche konstruktive Debatte abgewürgt. Es wurde nur noch über das Bild geredet, nicht mehr über das eigentliche Problem. Man könnte es so ausdrücken: Die Nazi-Karikatur von Ecolo ist für eine inhaltliche Debatte genauso nützlich wie eine Feuerwerksbatterie in einem Porzellanladen.
Bei der N-VA dürfte man jedenfalls erleichtert gewesen sein, meint fast schon resigniert De Morgen. Die Montage der Jung-Ecolos verdient eine Nominierung in der Kategorie "Dämlichste politische Aktion des Jahres". Denn was hat die Regierung gemacht? Klar! Sie hat die ganze Diskussion auf das Foto reduziert, und die N-VA hat sich bei der Gelegenheit noch mal als Opfer hinstellen können. Es ist wirklich jammerschade, dass eine überfällige Debatte über die Auswüchse der Asylpolitik so grandios an die Wand gefahren wurde.
De Standaard versucht seinerseits, auf das große Ganze zurückzukommen: Insbesondere im Zusammenhang mit den sudanesischen Flüchtlingen steckt der Staat in einem moralischen Dilemma. Wer ehrlich ist, der muss zugeben, dass es für den Asylstaatssekretär hier im Grunde keine tadellose, keine gute Lösung gibt. Die Leute wollen nur nach Großbritannien. Sie können aber nicht ewig Brüssel als Wartezimmer dafür nutzen. Belgien reagiert da wie andere EU-Staaten. Allerdings: Es ist die Kommunikation des Asylstaatssekretärs, die hier zumindest deplatziert ist. Wenn sich die Regierung auch hinter Francken stellt, so darf man doch davon ausgehen, dass er zur Mäßigung angehalten wird, nach dem Motto: "Theo, übertreib es nicht."
Neuer Ärger für Ryanair
Beim Billigflieger Ryanair scheinen neue dunkle Wolken aufzuziehen: "Die Ryanair-Piloten drohen mit Arbeitsniederlegungen", so jedenfalls die Schlagzeile von La Libre Belgique. Die Piloten wollen offensichtlich das Chaos um die Flugstreichungen zum Anlass nehmen, um bessere Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Die Direktion schaltet aber weiterhin auf Durchzug. Deswegen droht jetzt eine Protestaktion. Möglich ist etwa, schreibt La Libre Belgique, dass sich die Piloten massiv krankmelden werden. Und das womöglich schon ab heute.
Aber auch der Verbraucher sollte sich mal an die eigene Nase fassen, meint Le Soir in seinem Leitartikel. Plötzlich gehört es zum guten Ton, Ryanair an den Pranger zu stellen. Dabei vergisst man häufig, dass es erst Ryanair gewesen ist, das Flugreisen in Europa demokratisiert hat. Die schlechten Arbeitsbedingungen in dem Unternehmen, darüber haben die Kunden hinweggesehen. Vielleicht führt die jetzige Krise zu einer Sensibilisierung und sind auch die Kunden bereit, einen angemesseneren Preis zu zahlen.
Roger Pint - Bild: Emmanuel Dunand/AFP