"Der Druck auf Francken wächst", titelt Le Soir. "Theo Francken, der Unberührbare der Regierung Michel", schreibt La Libre Belgique auf Seite eins. Der Staatssekretär für Asyl und Immigration, Theo Francken, ist neben vielen Berichten auch Gegenstand einiger Kommentare. Anlass ist die Zusammenarbeit von Francken mit dem Sudan. Seit Sonntag sind drei Behördenmitarbeiter aus dem ostafrikanischen Land in Brüssel, um Flüchtlinge aus dem Sudan zu identifizieren. Diese Flüchtlinge könnten danach abgeschoben werden. Der sudanesische Machthaber gilt als Diktator und ist wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt.
Francken polarisiert
Kommentierend meint dazu La Libre Belgique: Theo Francken ist ein Problem. Für die einen ist er schlicht ein Faschist. Für die anderen einfach ein korrekter Typ, der den Job macht, für den er ernannt worden ist – nämlich, sich um die Einwanderer zu kümmern. Richtig ist: Francken tut etwas. Und das gefällt vielen. Nicht nur den Wählern in Flandern, sondern auch in Brüssel und in der Wallonie. In den Meinungsumfragen liegt Francken ganz vorne. Trotzdem bleibt Francken problematisch. Und mit seiner Aktion, sudanesische Beamte nach Brüssel zu holen, um Flüchtlinge in eine Diktatur zurückzuschicken, stiftet Francken Unruhe. Zum wiederholten Mal. Einmal zu viel, schimpft La Libre Belgique.
Auch die Wirtschaftszeitung L'Echo kritisiert: Wenn Francken ein oder zwei Mal etwas Kontroverses machen würde, könnte man darüber hinwegsehen. Doch mittlerweile wird es zu viel. Zu viel für eine Person. Francken pflegt einen Humor, der an Fremdenfeindlichkeit und Homophobie grenzt. Er geht zu Empfängen von ehemaligen Nazi-Kollaborateuren. Er setzt sich über die Gewaltenteilung hinweg, indem er sich weigert, richterliche Entscheidungen umzusetzen. Er benutzt Wörter aus der rechtsextremen Terminologie. Und so weiter. Die Regierung Michel hat durchaus das Recht, eine strenge Einwanderungspolitik zu führen. Aber das rechtfertigt nicht die Art und Weise, wie Francken sich verhält, findet L'Echo.
Le Soir stellt fest: Die Entgleisungen des Theo Francken wiederholen sich immer wieder. Zurückgepfiffen wird er dafür aber nicht. Das ist schon bemerkenswert. Wäre es möglich, dass wir da gerade Zeugen eines abgekarteten Spiels werden, eines Plans, den die Regierungsparteien – die MR eingeschlossen – entworfen haben? Denn diese populistischen Entgleisungen von Theo Francken sichern den Applaus vieler Wähler. Francken trifft mit seinen Äußerungen und seinem Handeln den Nerv vieler Menschen. Das ist ein gefährliches Spiel. Denn der Schritt zum Rassismus ist nicht weit. Er könnte schnell zur Banalität im politischen Geschäft werden, warnt Le Soir.
Politische Effekthascherei
Het Laatste Nieuws geht auf die Fotomontage ein, die die Jugendbewegung von Ecolo zu Theo Francken auf Facebook veröffentlicht hat. Francken ist in einer Nazi-Uniform abgebildet. Das Blatt meint: Das Bild ist deplatziert – zu billig, zu fantasielos. Es ist zu effekthascherisch, zu offensichtlich auf viele Likes aus und wird der Sache nicht gerecht. Die Aktion ist aber ein guter Spiegel der aktuellen politischen Debatte. Sie ist zu oberflächlich, zu sehr auf schnelle Wirkung ausgerichtet. Das tut der Politik nicht gut. Statt vernünftig miteinander zu diskutieren, haben unsere Politiker gerade in den vergangenen Tagen zu oft von "Klatsch", "glasklarem Unsinn" und "Trümmer aufräumen" gesprochen. Dabei könnten es die Politiker doch eigentlich viel besser, ist sich Het Laatste Nieuws sicher.
Wahlpflicht und Separatismus
Gestern gab es einen Streit zwischen N-VA und OpenVLD über die Idee, die Wahlpflicht in Belgien abzuschaffen. Dazu kommentiert Het Belang van Limburg: Die N-VA hat diese Idee wieder ins Spiel gebracht und ganz schnell die Unterstützung der OpenVLD, von Groen und dem Vlaams Belang bekommen. Und dann begann der Streit. Denn die OpenVLD wirft der N-VA Ideenklau vor. Schon 2014 hätten die Liberalen als erste die Abschaffung der Wahlpflicht gefordert. Stimmt nicht!, rief daraufhin die N-VA und verwies auf einen eigenen Gesetzesvorschlag von 2011. Und auch das ist nicht wie Wahrheit, denn solche Ideen gab es schon 2003, als die N-VA noch in ihren Kinderschuhen steckte. Die Brüsseler Politik hat sich gestern mal wieder von ihrer schlechtesten Seite gezeigt, bedauert Het Belang van Limburg.
De Morgen schreibt zum Streit in Spanien über das Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien: Gestern durchsuchten spanische Polizisten Büros der katalanischen Regionalregierung und nahmen Spitzenbeamte fest. Das wäre so, als wenn die Föderalpolizei die Büros vom flämischen Ministerpräsidenten Geert Bourgeois durchsuchen würde. Ein ziemlich widerlicher Bruch der Staatsordnung. Die Maßnahmen, mit denen Madrid gerade in Katalonien vorgeht, erinnern an den spanischen Bürgerkrieg und an die Franco-Diktatur. Das ist über alle Maßen kontraproduktiv und dient auch nicht dem Anliegen von Madrid, denn dieses brutale Vorgehen radikalisiert auch viele gemäßigte Katalanen, notiert De Morgen.
Auch De Standaard bedauert: Alles, was sich da gerade in Katalonien abspielt, spaltet. Sowohl das Vorgehen der spanischen Regierung, als auch die Idee des Referendums an sich. Denn auch bei einer Abstimmung würde es nicht nur Gewinner geben, sondern eben auch Verlierer. Trotzdem ist es sicher, dass die N-VA gerade sehr neidisch nach Katalonien schaut. Aber sie weiß auch, dass in Belgien die Zeit für so ein Szenario noch nicht reif ist, bemerkt De Standaard.
Kay Wagner - Bild: Bruno Fahy/Belga