"Arbeitslose über 50 werden doch nicht bestraft", titeln Gazet van Antwerpen und Het Belang van Limburg. De Standaard formuliert es nüchterner: "Die Regierung zieht die Bestrafung für Arbeitslose über 50 zurück. "Die Renten der Menschen über 50 bleiben erstmal aus der Schusslinie", schreibt De Morgen auf Seite eins.
Die Föderalregierung rudert also zurück. Eine ursprünglich geplante Reform sah Folgendes vor: Über 50-Jährige, die länger als ein Jahr arbeitslos sind, sollten nur noch Pensionsansprüche auf der Grundlage eines Mindestsatzes aufbauen. Die Berechnung erfolgte also nicht mehr in Bezug auf das letzte Gehalt. In der Praxis hätten die Betroffenen bis zu 140 Euro monatlich an Rente eingebüßt. Nach einer Welle der Empörung gab es plötzlich auch Uneinigkeit innerhalb der Koalition. Die Regierung hat deshalb die Pläne erstmal zurückgezogen.
Wirklich "Fake-News"?
Da sieht man mal, wie wichtig doch die Opposition ist, bemerkt dazu De Morgen. Es war schließlich John Crombez, der Vorsitzende der flämischen Sozialisten SP.A, der die Pläne überhaupt erst ans Licht gebracht hat. Die OpenVLD-Chefin Gwendolyn Rutten bezeichnete die Darstellung umgehend als "Fake-News". Wenn aber ein entsprechender Gesetzesentwurf schon beim Staatsrat liegt, dann kann die Geschichte so falsch nicht sein. Ob die SP.A dafür einen Wähler hinzugewinnen konnte, wer kann das schon sagen? Sie hat aber ihre Pflicht getan.
Für Het Nieuwsblad ist es derweil zu früh, Entwarnung zu geben. Die N-VA hat noch am Donnerstagabend klargemacht, dass die Pläne allenfalls auf Eis liegen. "Das Pensionschaos bleibt", so denn auch die Schlagzeile auf Seite eins.
Die Regierung verhält sich hier schlicht und einfach schamlos, wettert das Blatt in seinem Leitartikel. Hier geht es doch schließlich um die Altersversorgung der Menschen, buchstäblich ihre Zukunft. Da kann man doch nicht eine solche Kakophonie zum Besten geben. Mit moderner Politik hat so etwas nichts zu tun. Der Eiertanz um die Pläne, die es erst nicht gab und die dann doch existierten, ist der Beweis: Einige Politiker, gehen immer noch davon aus, dass der Bürger wirklich ein einfältiger Vollidiot ist.
"Der digitale Zug wartet nicht"
"105 Entlassungen", schreibt derweil L'Echo in fetten Lettern auf Seite eins. Die Zahl steht in einem roten Luftballon, dem allerdings die Luft ausgeht. Es ist das Logo des belgischen Ablegers des Privatsenders RTL. RTL Belgien will 105 Stellen abbauen. Das entspricht bis zu 20 Prozent der bisherigen Belegschaft. Die Direktion begründet die Umstrukturierung mit einer geplanten Neuausrichtung. Konkret: Ab jetzt soll prioritär in die Internetpräsenz investiert werden. Das kommt reichlich spät, wie auch die Gewerkschaften kritisieren. La Libre Belgique geht denn auch auf Seite eins der Frage nach, "warum RTL die digitale Kurve verpasst hat".
"Der digitale Zug wartet nicht", stellt auch L'Echo in seinem Leitartikel fest. RTL hat sich viel zu lang auf seinen Lorbeeren, genauer gesagt auf den satten Werbeeinnahmen ausgeruht. Dass draußen gerade eine digitale Revolution stattfand, das hat man offensichtlich nicht gemerkt. Inzwischen gibt es eine ganze Reihe neuer Konkurrenten: Netflix, Youtube, Amazon - die Liste ist noch länger. Jetzt braucht man dringend eine vorzeigbare Video-Plattform im Netz. Für RTL Belgien geht es jetzt ums Überleben.
Bei Monsanto abgeschrieben?
Insbesondere La Libre Belgique und De Standaard bringen am Freitag eine wirklich explosive Geschichte. La Libre fasst zusammen: "Ein europäisches Gutachten über Glyphosat enthält komplette Passagen aus Monsanto-Texten". Tatsächlich hat die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA bei der Beurteilung von Studien über das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat ganze Teile aus der Selbstdarstellung des Herstellers abgeschrieben. Das betrifft insbesondere die Risikoanalyse, bei der es also um die Frage geht, ob Glyphosat gesundheitsschädigend ist, oder nicht. Das Mittel steht ja im Verdacht, krebserregend zu sein.
"Ein Wachhund läuft nicht an der Leine", macht aber De Standaard in seinem Leitartikel klar. Die Verbraucher, wir alle, wollen Klarheit. Monsanto versucht alles, um die Unbedenklichkeit seines Vorzeigeproduktes zu beweisen. Und schreckt dabei auch vor Manipulationen nicht zurück. Da ist das Urteil der Europäischen Lebensmittelbehörde natürlich von entscheidender Bedeutung. Wenn sich jetzt herausstellt, dass man sogar dieser EFSA nicht blind vertrauen kann, dann gibt es ein Problem. Der Verdacht drängt sich auf, dass in einigen Branchen gar keine Lobby-Arbeit mehr von Nöten ist. Die Beeinflussung steckt schon in den Strukturen.
Trumps "würdiger Nachahmer"
Für Polemik sorgt schließlich wieder einmal der N-VA-Asylstaatssekretär Theo Francken. Der hatte am Donnerstag auf Facebook eine Polizeiaktion am Brüsseler Nordbahnhof kommentiert. Dabei waren mehrere Transit-Flüchtlinge festgenommen worden. Francken benutzte in diesem Zusammenhang ein Wort, dass man mit "reinigen" oder "säubern" übersetzen könnte.
Von "säubern" zu sprechen, ist gefährlich und entwürdigend, meint Gazet van Antwerpen. Hier werden nur weiter Ängste geschürt. Donald Trump hat inzwischen in Belgien einen würdigen Nachahmer gefunden, stichelt Het Belang van Limburg. Theo Francken sorgt in regelmäßigen Abständen mit seiner drastischen Wortwahl für Empörung. Machen wir uns nichts weiß: Das sind keine Ausrutscher, das ist eine sehr durchdachte Kommunikation. Francken umbuhlt den rechten Rand.
Roger Pint - Bild: Siska Gremmelprez/BELGA