"Bürgermeister von Mouscron mit durchgeschnittener Kehle auf Friedhof gefunden", titeln fast gleichlautend L'Avenir und Het Nieuwsblad. Der 71-jährige Alfred Gadenne war gestern Abend tot auf einem Friedhof von Mouscron gefunden worden. Die Nachricht hat landesweit einen Schock ausgelöst. Mehrere Zeitungen berichten bereits heute darüber und stellen Spekulationen über den möglichen Tathergang an. Ihre Kommentare widmen sie allerdings anderen Themen.
De Morgen schreibt zur Ankündigung von Bart De Wever, dass der Konföderalismus kein zentrales Thema im Wahlkampf der N-VA sein wird: Neu ist diese Taktik nicht. Merkwürdig bleibt sie allemal. Noch nie war eine flämisch-nationalistische Partei so stark wie die N-VA heute. Aber sie macht von dieser Stärke keinen Gebrauch, um ihr Kernanliegen zu verwirklichen. Vielmehr nutzt Bart De Wever die aktuelle Stärke, um seiner Partei einen klar rechts-liberalen Anstrich zu verpassen. Lieber als ein Nationalist will Bart De Wever ein Messias von rechts sein, analysiert De Morgen.
Ganz ähnlich sieht das die Wirtschaftszeitung L'Echo: De Wever kommt seinem Ziel immer näher, die N-VA als eine Art flämische CDU/CSU zu etablieren. Die deutschen Parteien waren schon lange sein Vorbild: konservativ, liberal und auch national. Ist das jetzt eine gute Nachricht für Belgien? Ja, das ist es. Denn solange das Thema Konföderalismus auf Eis gelegt ist, kann Politik für die Bürger gemacht werden, freut sich L'Echo.
Michel II besiegelt?
Het Nieuwsblad meint: Mit dieser Entscheidung ist eine zweite Amtszeit vom Premierminister Charles Michel quasi schon besiegelt. Denn erstens haben CD&V und N-VA in der aktuellen Regierungskoalition bewiesen, dass sie – wenn es darauf ankommt – an einem Strang ziehen können. Zweitens hat sich die CDH von der PS losgesagt, um künftig der MR als Steigbügelhalter zu dienen. Drittens: Die N-VA bleibt laut Umfragen mit Abstand stärkste Partei. Und schließlich viertens: Mit der Abkehr vom Konföderalismus ist das letzte Hindernis aus dem Weg geräumt, um die CDH als künftigen neuen Koalitionspartner in die Regierung aufzunehmen und Michel II dadurch sicher zu ermöglichen, prophezeit Het Nieuwsblad.
Het Laatste Nieuws analysiert anders und führt aus: Bart De Wever hat sich noch keineswegs vom Konföderalismus verabschiedet. Aber er weiß ganz genau, dass er allein mit dem Thema Separatismus nie mehr als gut 30 Prozent erreichen wird. Aber mit den Themen Sicherheit und Identität gewinnt man heutzutage Stimmen. Wenn er dann doppelt so viele Stimmen wie alle anderen hat, wird Bart De Wever den Konföderalismus schon wieder auspacken. Wer das nicht erkennt, ist kurzsichtig, mahnt Het Laatste Nieuws.
Alkoholsperren und Transitflüchtlinge
Gazet van Antwerpen beschäftigt sich mit Toten im Straßenverkehr. Am Wochenende waren wieder zwei Jugendliche durch Autos getötet worden. Die Provinzgouverneurin von Antwerpen hatte deshalb gestern den verpflichtenden Einbau von Alkoholsperren in Fahrzeuge gefordert. Dazu meint das Blatt: Was haben wir nicht alles versucht, um die Zahl der Verkehrstoten zu senken! Strengere Strafen, zahlreiche Sensibilisierungskampagnen, gesellschaftlicher Druck und so weiter – alles hat nichts genützt. König Auto ist zu mächtig. Zu viele Menschen vergessen jegliche Vorsicht, wenn sie hinter dem Steuer sitzen. Die Einführung von Alkoholsperren ist eine Notwendigkeit, ist Gazet van Antwerpen überzeugt.
Auch De Standaard glaubt: An Alkoholsperren in jedem Auto führt kein Weg vorbei. Und natürlich haben sie auch Nachteile. Doch wer sich jetzt gegen sie sträubt, der soll eine bessere Alternative vorschlagen, so De Standaard.
La Libre Belgique beschäftigt sich mit den Flüchtlingen am Brüsseler Nordbahnhof und schreibt: Es ist unverantwortlich, dass sich einige Politiker noch immer dagegen wehren, sich um diese Menschen zu kümmern. Anstatt ihnen ein Lager einzurichten mit Unterkünften, sanitären Anlagen und Betreuung, werden sie regelmäßig durch die Polizei schikaniert. Wann ist endlich Schluss mit dieser unwürdigen Tragödie im Herzen der Hauptstadt Europas?, fragt entrüstet La Libre Belgique.
Teile und herrsche
L'Avenir blickt nach Frankreich. Dort soll heute mit einer ersten Großdemonstration der Gewerkschaften der "heiße Herbst" gegen die Sozialpolitik des neuen Präsidenten Emmanuel Macron eingeläutet werden. Dazu meint L'Avenir: So heiß wie angekündigt, wird der Herbst wohl doch nicht werden für Macron. Denn wieder einmal hat er die Taktik angewendet, die ihn auch schon in den Elysée-Palast brachte: Teile und herrsche.
Im Vorfeld seiner Arbeitsmarktreform hat er die größte Gewerkschaft CFDT sowie die kommunistische Force Ouvrière in die Gespräche mit eingebunden. Ergebnis: Diese beiden Gewerkschaften beteiligen sich heute nicht an der Demonstration. Deshalb wird der Protest heute relativ dürftig ausfallen. Nur die Gewerkschaften CGT und Sud werden auf die Straßen gehen. Die französische Linke und ihre Anhänger werden noch Zeit brauchen, um ihre Einheit wiederzufinden, glaubt L'Avenir.
Kay Wagner - Foto: Kurt Desplenter/BELGA