Das Hin und Her um eine geplante Rentenkürzung für arbeitslose Arbeitnehmer über 50 Jahre ist für die Zeitungen heute kein Thema mehr auf Seite eins. Aber gerade flämische Zeitungen widmen sich der Sache in ihren Kommentaren. Gestern hatte es erneut unterschiedliche Aussagen zu den Plänen der Föderalregierung gegeben. In ihrem Sommerabkommen hatten die Regierungsparteien beschlossen, Arbeitnehmern über 50 Jahren die Rente zu kürzen, wenn sie länger als ein Jahr arbeitslos sind. Am Sonntag hatte die OpenVLD-Präsidentin Gwendolyn Rutten diese Pläne bestritten. Aus der MR kamen widersprüchliche Äußerungen.
De Morgen empört sich darüber: War das jetzt dilettantisch? Arrogant? Und was ist jetzt eigentlich Sache? Versucht die Föderalregierung mit solchen Diskussionen bewusst das Vertrauen in die Rente zu untergraben? Oder war das alles nur eine unglückliche Kommunikation? Wir wissen es nicht. Aber eigentlich ist es auch egal, das Ergebnis ist dasselbe: Wir haben immer weniger Vertrauen in die Zukunft unserer Rente. Das ist schlimm, sogar erschreckend. Und ganz besonders ungerecht für diejenigen, für die 150 Euro mehr oder weniger Rente im Monat einen großen Unterschied machen, schimpft De Morgen.
Angst vor dem eigenen Schatten
Auch Het Laatste Nieuws ist hart in ihrem Urteil: Was sind das für opportunistische Wendehälse gerade bei den Liberalen? Da beschließen sie zunächst etwas und feiern sich selbst für ihr Sommerabkommen, und dann haben sie Angst vor ihrem eigenen Schatten. Da bestätigt erst Vincent Van Quickenborne die Maßnahme Anfang August. Anfang September will seine Parteichefin Rutten davon nichts mehr wissen. Selbe Kakophonie auch bei der MR von Charles Michel: Pensionsminister Daniel Bacquelaine machte gestern eine 180-Grad-Wende und wird damit zum x-ten MR-Minister, den man nicht mehr ernstnehmen kann. Und das alles für eine Maßnahme, die tatsächlich eine Sauerei ist. Lieber sollte sich die Regierung darum kümmern, wie Menschen über 50 Jahren wieder Arbeit finden können, rät Het Laatste Nieuws.
Het Belang van Limburg führt aus: Die Kommunisten von der PTB haben schon angekündigt, beim Verfassungsgericht Klage einzureichen, sollten diese Pläne umgesetzt werden. Das ist dann schon bemerkenswert. Denn die Kommunisten kümmern sich ja eigentlich vor allem um die Ärmsten der Armen. Hier geht es aber um die Mittelschicht. Und bislang dachten wir eigentlich, dass die Mittelschicht die Zielgruppe von N-VA, CD&V und OpenVLD sei, bemerkt Het Belang van Limburg.
Verbrannte Erde
De Standaard zieht eine Bilanz der Politikkrise im frankophonen Landesteil: Das Feuer, das CDH-Präsident Benoît Lutgen als Chef einer kleinen frankophonen Partei entfacht hat, hat nur verbrannte Erde hinterlassen. Die Situation in der Wallonie ist jetzt so kompliziert, wie sich das zuvor keiner hätte ausdenken können: Die MR regiert im wallonischen Parlament und auf föderaler Ebene, sitzt in der Französischen Gemeinschaft und in Brüssel aber in der Opposition. Die PS regiert in der Französischen Gemeinschaft und in Brüssel, ist in Namur und auf föderaler Ebene jedoch Oppositionspartei. Die CDH regiert in der Wallonie, Brüssel und der Französischen Gemeinschaft mit, ist auf föderaler Ebene aber in der Opposition. Wie soll da noch vernünftig Politik gestaltet werden? Die viel zitierten "belgischen Verhältnisse" zeigen sich mal wieder von ihrer besten Seite, beklagt De Standaard.
Brexit-Prioritäten, Nordkorea-Krise, Fußball-Jubel und -Schande
Die Wirtschaftszeitung L'Echo schreibt zu den Brexit-Verhandlungen: Wenn Flandern die Folgen des Brexits vor allem aus wirtschaftlicher Sicht fürchtet, wäre in der Wallonie besonders die Forschung betroffen. An den meisten internationalen Forschungsprojekten in der Wallonie sind auch Briten beteiligt. Und diese Projekte sind besonders erfolgreich, wie Statistiken zeigen. Aus wallonischer Sicht wäre es deshalb wichtig, bei den Brexit-Verhandlungen darauf zu achten, die enge Kooperation mit Großbritannien im Bereich der Forschung fortzuführen, fordert L'Echo.
Zum Nordkorea-Konflikt meint L'Avenir: Eine UN-Resolution, selbst wenn sie durchkommen würde, hätte wohl keinen Effekt. Zu oft schon hat sich Nordkorea nicht an so etwas gehalten. Die einzige Möglichkeit besteht eigentlich nur noch darin, dass China und Russland ihre engen Verbindungen nach Pjöngjang spielen lassen. Sie müssen den Diktator zum Einlenken bewegen, aber so, dass Kim Jong-un sein Gesicht bewahren kann. Das ist in einem Konflikt mit einem Egomanen wie Donald Trump noch wichtiger als sonst, rät L'Avenir.
La Dernière Heure kommentiert zur WM-Qualifikation der Roten Teufel: Belgien ist das erste europäische Land, das sich für die Fußball-WM 2018 in Russland qualifiziert hat. Was für ein Jubel! Bitter zu erfahren, dass wir fast im gleichen Augenblick feststellen müssen, dass Belgien auch das erste europäische Land sein wird, das die Ausrichtung einer Fußballeuropameisterschaft absagen muss, nämlich die EM 2020. Allen voran die Politiker haben es nicht geschafft, den Boden für ein neues Fußballstadion zu bereiten. Persönliche Befindlichkeiten und Gemeinschaftsquerelen sind der Grund. Was für eine Schande!, schämt sich La Dernière Heure.
Kay Wagner - Illustrationsbild: Herwig Vergult/Belga