"Zaventem: Tausende Passagiere mussten auf Gepäck verzichten", so die Schlagzeile auf Seite eins von Le Soir. "Wilder Streik trifft 30.000 Fluggäste", titelt Gazet van Antwerpen. "Dann müssen Sie eben in den Urlaub ohne Koffer", notiert leicht sarkastisch Het Nieuwsblad.
Eine unangekündigte Protestaktion der Mitarbeiter des Gepäckabfertigungsunternehmens Swissport hat gestern am Brussels Airport für ein Chaos gesorgt. Das Personal beklagt den zu hohen Arbeitsdruck. Auf Grund des Streiks waren 220 Flüge verspätet, 36 wurden ganz gestrichen.
"Willkommen in unserem Chaos!", giftet Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel. So traurig es ist, aber das war ein vertrautes Bild am Brussels Airport. Allein in den letzten zwei Jahren haben die Mitarbeiter der beiden dort operierenden Gepäckabfertigungsunternehmen stolze acht Mal die Arbeit niedergelegt. Und jedes Mal war die Folge: das nackte Chaos, mit Tausenden enttäuschten Passagieren. Es ist ebenso unbegreiflich wie unannehmbar, dass ein derart strategisch wichtiger Standort so häufig durch Sozialkonflikte lahmgelegt wird. Insbesondere den Gewerkschaften scheint das Schicksal des Brussels Airport schlichtweg egal zu sein. Und das ist traurig.
Und das ausgerechnet in der Urlaubszeit, beklagt auch Le Soir. Tausenden Menschen wird der Flug in den Urlaub beziehungsweise die Rückreise richtiggehend verhagelt. Schuld daran sind beide Seiten: Das Management, das einen Sozialkonflikt einreißen lässt, aber auch die Gewerkschaften, die wenigstens den Streik zeitig genug hätten ankündigen müssen. Mit dieser "wilden" Protestaktion sägen die Gewerkschaften aber an dem Ast, auf dem sie sitzen: Das Streikrecht wird damit nur weiter untergraben.
Bald höhere Verkehrssteuern?
"Höhere Verkehrssteuern wegen korrigierter Abgastests", schreibt derweil De Standaard im Innenteil. Der flämische Automobilclub VAB zieht die Alarmglocke. Vielen Autofahrern droht eine spürbare Steuererhöhung. Der Grund: Einige Abgaben werden auf der Grundlage des CO²-Austroßes berechnet. Nur wurden diese Emissionen ja bei einigen Herstellern per Software künstlich gesenkt. Wenn es bald objektive Daten gibt, werden also in der Folge entsprechend die Steuern angepasst.
Jede Regierung wäre gut beraten, diese Entwicklung als Tatsache zu betrachten und so laufen zu lassen, findet De Standaard in seinem Leitartikel. Jegliche Korrektur, die die Steuererhöhung abfedern würde, wäre der Gipfel des Zynismus. Diesel-Skandal hin oder her: Die Schadstoff-Emissionen müssen gesenkt werden. Höhere Abgaben wären ein zusätzlicher Anreiz für die Verbraucher, auf ein umweltfreundlicheres Fortbewegungsmittel umzusteigen.
Het Nieuwsblad sieht das genauso. Würde eine Regierung die faktische Steuererhöhung durch Korrekturen ausgleichen, dann würden damit sämtliche ökologische Grundprinzipien über den Haufen fliegen. Am Schadstoffausschuss hängt ein Preisschild - und das ändert sich auch nicht nach dem Skandal um die Schummel-Software.
Denn nicht vergessen, mahnt Het Belang van Limburg: Belgien, Europa, alle müssen ihren CO²-Ausstoß reduzieren. Bis 2030 müssen die Emissionen in Belgien um 35 Prozent gesenkt werden. Bei unveränderter Politik schafft Belgien allenfalls 13 Prozent. Es muss also was passieren. Die Politik steckt hier in einem Dilemma. Frei nach dem früheren föderalen Umweltminister Bruno Tobback: Ich weiß, wie ich die Umweltprobleme lösen kann; ich weiß allerdings nicht, wie ich danach noch wiedergewählt werde.
Ein "alter" Neuanfang?
Einige Zeitungen beschäftigen sich auch heute noch mit dem angestrebten Neuanfang der frankophonen Sozialisten PS. Parteichef Elio Di Rupo hatte Anfang der Woche sein neues Buch vorgestellt, das er als eine Art Manifest für erneuerte PS betrachtet. Darin wirbt Di Rupo unter anderem für ein garantiertes Grundeinkommen und die Einführung der 30-Stunden-Woche.
Dafür bekommt der PS-Chef heute auch Kritik von unerwarteter Seite: "Di Rupos Ideen sind meilenweit entfernt von denen der flämische Sozialisten", sagt SP.A-Chef John Crombez in Het Laatste Nieuws. Vorschläge wie die Vier-Tage-Woche klingen seltsam in einem sozialdemokratischen Modell, sagt Crombez.
Das Buch von Elio Di Rupo ist "nutzlos", so das unbarmherzige Urteil von Het Laatste Nieuws. Es ist unbrauchbar, schlicht und einfach, weil es unbezahlbar ist. Von wegen "neue PS", nichts gleicht der alten PS mehr als die angeblich die angeblich neue. Es sind eben solche Rezepte, die die Wallonie zum wirtschaftlichen Problemkind West-Europas gemacht haben. Und ganz nebenbei bestätigt Di Rupo mit seinen altbackenen Rezepten die Thesen von Bart de Wever über die angeblichen zwei Demokratien in einem Land.
"Sein und gewesen sein", so auch die harte Bewertung von La Libre Belgique. Elio Di Rupo hat seinen Abgang verpasst. Seine Fähigkeiten und seine Leistungen sind unbestritten. 2011 hat er das Land aus der Staatskrise geführt. Doch statt sich wie seine Vorgänger eine andere Bühne zu suchen, klammerte sich Di Rupo an die Macht. Und sein Buch wirkt unglaubwürdig: Er, der jetzt die Welt verändern will, war 30 Jahre an der Macht und hätte Zeit genug dafür gehabt.
Roger Pint - Bild: Laurie Dieffembacq (belga)