"Belgien versinkt in der Eierkrise", titelt Le Soir. "Die Eierkrise wird schlimmer", notiert L'Echo auf Seite eins. Seit Dienstag steht die Kontamination von Eiern mit dem Insektizid Fipronil in Belgien in einem neuen Licht. Der Grund: Es gibt neue, alarmierende Messwerte. Bislang hatte es immer geheißen, dass die Fipronil-Konzentrationen in belgischen Eiern weit unter dem europäischen Schwellenwert liegt. Eine Gegenexpertise kommt jetzt aber zu einem anderen Schluss. Demnach lag die Fipronil-Belastung in mindestens einer Probe über dem europäischen Richtwert.
Het Nieuwsblad verdeutlicht das Problem anhand von zwei Zahlen. "Anfang der Woche: 0,076 mg Fipronil pro Kilo; gestern: 0,92 mg". Heißt konkret: Die Konzentration ist mal eben um mehr als das zehnfache höher. Und damit wird der europäische Schwellenwert um fast ein Drittel überschritten. "Wie ist es möglich?!", fragt sich Het Nieuwsblad empört.
Für die Regierung ändert diese eine Probe offensichtlich alles. "Belgien handelt jetzt endlich", titelt La Libre Belgique. "Die Eierkrise wird Regierungssache", schreibt De Morgen in großen Lettern auf Seite eins. "Die Regierung übernimmt jetzt die Regie von der Afsca", stellt De Standaard fest. Het Nieuwsblad wird deutlicher: "Die Regierung schiebt die Afsca bei Seite".
"D-Day für die Afsca"
Fakt ist: Der föderale Landwirtschaftsminister Denis Ducarme hat sich am Dienstagabend vor die Pressemikrophone gestellt und eine Reihe von Maßnahmen angekündigt. Einige davon stehen auf verschiedenen Titelseiten: "Hier sind die Identifizierungscodes der Eier, die nicht gegessen werden dürfen", schreibt L'Avenir auf Seite eins. Konkret werden die Eier aus dem Betrieb, in dem die überhöhten Konzentrationen festgestellt wurden, zurückgerufen. Besagte Losnummern wurden noch am Abend veröffentlicht. "Und es kommt auch eine Hotline für alle Fragen über die Eierkrise", schreibt Het Belang van Limburg auf seiner Titelseite.
Auf dem Höhepunkt des Informationschaos kommt am Mittwochvormittag der Landwirtschaftsausschuss der Kammer zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. Neben den Ministern für Landwirtschaft und Gesundheit werden auch die Verantwortlichen der Afsca angehört. Die werden wohl eine ganze Latte von Fragen zu beantworten haben. Für Het Laatste Nieuws ist es wohl der "D-Day für die Afsca".
Wenn heute eines klar ist, dann, dass nichts klar ist, wettert Het Nieuwsblad in einem wütenden Leitartikel. Je mehr Informationen veröffentlicht werden, desto diffuser wird das Bild. Plötzlich sind die angeblich sicheren belgischen Eier doch nicht mehr so sicher. Wer blickt denn da noch durch? Das Vertrauen der Verbraucher dürfte inzwischen wohl auf dem Nullpunkt angelangt sein.
Es ist Zeit für die Wahrheit, findet auch La Libre Belgique. Im Fipronil-Skandal ist die Situation nach wie vor viel zu verworren. Es gibt viel zu viele offene Fragen. Und die neuen, alarmierenden Ergebnisse der Gegenexpertise diskreditieren nochmal zusätzlich die bisherige Argumentation der Afsca. Die heutige Sitzung des Landwirtschaftsausschusses dürfte denn auch hitzig werden.
Für die Volksgesundheit besteht keine Gefahr
Es gibt eine gute und eine schlechte Neuigkeit, meint Gazet van Antwerpen. Die Gute: Selbst das neue, unselige Analyseergebnis ändert nichts an der Feststellung, dass für die Volksgesundheit keine wirkliche Gefahr besteht. Die schlechte Neuigkeit ist aber, dass eben diese Probe mal eben die bisherige Kommunikation der Afsca komplett widerlegt hat. Im Grunde passt das auch schon zu dem doch eher bescheidenen Auftritt des Afsca-Chefs Herman Diricks am Montag in der VRT. Die Afsca wird sich wohl auf einen Sturm gefasst machen müssen.
Ein Fazit des Landwirtschaftsausschusses muss sein, die Zuständigkeit für die Afsca vom Landwirtschaftsministerium an das Gesundheitsministerium zu übertragen, fordert Het Nieuwsblad. Anderenfalls bleibt der Eindruck, dass die Afsca allein dazu dient, den Agrarsektor zu schützen.
Das neue Messergebnis wirft in jedem Fall unangenehme Fragen auf, findet Le Soir. Welchen Wert haben die Kontrollen der Afsca, wie sicher ist die Kontrolle der Qualität der Lebensmittel? Damit verbunden ist aber auch eine grundsätzliche Infragestellung unserer Lebensmittelproduktion. Auf der Jagd nach immer niedrigeren Preisen sind wir ohne Zweifel zu weit gegangen. Und ganz nebenbei macht es die Agro-Industrie wie die Banken: Die systembedingten Verluste werden am Ende der Allgemeinheit in Rechnung gestellt.
"Wie im Mittelalter?"
In Flandern sorgt eine Entscheidung des Vatikan für Diskussionsstoff. Die katholische Kirche droht damit, den belgischen Arm der Vereinigung "Brüder der Liebe" auszuschließen. Das Problem: Diese "Broeders van Liefde" betreiben psychiatrische Einrichtungen, in denen auch aktive Sterbehilfe praktiziert wird. Die Katholische Kirche lehnt bekanntlich Euthanasie kategorisch ab. Der Vatikan gibt jetzt also den "Broeders van Liefde" einen Monat Zeit, um ihre Politik anzupassen.
Das Ganze klingt, wie eine Geschichte aus dem Mittelalter, meint Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel. Hier wird also mit Exkommunizierung gedroht. Und was ist, wenn unsere "Broeders van Liefde" bei ihrem Standpunkt bleiben? Wird der Papst sie dann tatsächlich vor die Tür setzen? In Belgien ist Sterbehilfe gesetzlich erlaubt. Was soll man denn Patienten sagen, die darum bitten? Dass der Papst das nicht will?
Wir haben uns nicht mehr der religiösen Ethik zu unterwerfen, ist auch De Standaard überzeugt. Die "Brüder der Liebe" sind ein Laien-Orden, der 60 Prozent aller Betten in psychiatrischen Einrichtungen verwaltet. Der belgische Arm hat sich für einen ebenso behutsamen wie praxisbezogenen Umgang mit Sterbehilfe entschlossen. Der belgische Fall zeigt, dass unsere Gesellschaften oft doch nicht so säkular sind, wie sie glauben. Müssen wir uns tatsächlich immer noch dem römischen Dogma unterwerfen?
Roger Pint - Illustrationsbild: Guido Kirchner/AFP
Einem religiösen Dogma darf man sich nicht beugen, egal von welcher Seite. Demokratisch legitimierte Gesetze stehen darüber. Der Vatikan ist in diesem Fall nicht besser als irgendwelche Salafisten, die auch versuchen ein religiöses Gexellschaftsmodell zu installieren. Darum sollte man entschieden den Vatikan in seine Schranken weisen und die demokratische Gesellschaft besonders hervorzuheben.
Wehret den Anfängen !!!