"Der Premierminister schwingt das Tanzbein auf dem Tomorrowland", so die Schlagzeile von Het Belang van Limburg. "Charles Michel strahlt vor Glück auf dem Tomorrowland", schreibt sinngemäß Het Nieuwsblad. "Tomorrowland als Belohnung für die harte Arbeit", notiert Gazet van Antwerpen.
Die Bilder gleichen sich. Genau eine Woche nach König Philippe hat nun auch Premierminister Charles Michel das Tomorrowland-Festival in Boom bei Antwerpen besucht. De Standaard nennt den Premier augenzwinkernd "Raving Charles". Michel kam zusammen mit knapp zehn seiner Minister. Sie alle wollten das Sommerabkommen gebührend feiern, das die Regierung ja Mitte der Woche vorgelegt hatte. Einige der Ehrengäste wirken aber auf dem Techno-Festival wie Besucher von einem anderen Stern: Männer mit grauen Haaren, mit Sakko oder Karohemd. Eine Ministerin hatte da aber keine Berührungsängste: "Maggie De Block war mal wieder die Populärste", bemerkt Het Laatste Nieuws auf Seite eins. Viele junge Festival-Besucher wollten einen Selfie mit der Gesundheitsministerin. Dabei sagt sie selbst: "Von elektronischer Musik habe ich keine Ahnung."
Sommer-Deal – wirklich ein Grund zum Feiern?
"Aber gibt es überhaupt was zu feiern?", fragt sich De Morgen auf seiner Titelseite. Das Sommerabkommen sehe zwar auf den ersten Blick beeindruckend aus, ein großes Problem sei aber, dass die Regierung immer noch nicht sagt, wie sie ihre Maßnahmen gegenfinanzieren will. Gemeint ist vor allem die geplante Senkung der Körperschaftssteuer.
Wenn's um Party geht, dann ist diese Regierung offensichtlich dabei, wenn's um Zahlen geht, wohl eher nicht, frotzelt Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Plötzlich sagt sogar der OpenVLD-Vize-Premier Alexander De Croo, dass die Senkung der Körperschaftssteuer ja auch nicht zwingend eine Null-Operation sein müsse - anders gesagt, die Maßnahme darf auch Geld kosten. Kein Wunder, dass die Opposition und die Gewerkschaften Bauchschmerzen haben, angesichts des Sommerabkommens. Sie befürchten, dass möglicherweise fehlendes Geld am Ende wieder zu Kürzungen der Sozialausgaben führen könnte. Am Ende muss vielleicht doch wieder der "kleine Mann" die Rechnung bezahlen, für DJ Magic Michel.
L'Echo greift seinerseits noch einmal eine Maßnahme heraus: "Ist die Steuer auf Wertpapierdepots wirklich eine gute Idee?", fragt sich das Blatt in seinem Kommentar. Hier handelt es sich um eine reine Vermögenssteuer. Die Abgabe wird demnach auf, per se, auf "bewegliches" Kapital erhoben. Entsprechend sei die Frage erlaubt, wie viel die Maßnahme am Ende einbringen wird. Im Nachbarland Frankreich ist gerade jedenfalls eine umgekehrte Entwicklung zu beobachten: Dort verabschiedet man sich gerade von der Besteuerung des Kapitals und konzentriert sich ganz auf Immobilien.
"Das ist alles andere als Pillepalle"
Die Regierung lässt ihrerseits die Kritik der letzten Tage weitgehend von sich abperlen. "Also ich tendiere zu 8 auf 10", bewertet Finanzminister Johan Van Overtveldt die eigene Arbeit in De Morgen. Und, wenn einer Zahlen sehen will, dann werde er die auch sehr bald liefern, sagt der N-VA Politiker.
Auch der der CD&V-Vize-Premier Kris Peeters lässt keine Kritik an dem Sommerabkommen zu. "Das ist alles andere als Pillepalle", sagt Peeters in Het Laatste Nieuws. Die Regierung habe seriöse Arbeit geleistet; auf Dauer werde der Erfolg der Koalition recht geben.
Gerade Peeters hat sich in den letzten Tagen besonders allergisch gegen Kritik gezeigt, konstatiert De Morgen in seinem Leitartikel. Er sprach in diesem Zusammenhang plötzlich von "sogenannten" Experten, die da also an dem Abkommen herummäkelten. Besagte, "sogenannte" Experten, das waren aber keine daher gelaufenen "linken Spinner", sondern Leute wieder der Ökonom Geert Noels oder der Steuerrechtler Michel Maus. Vielleicht ist die Kritik ja doch berechtigt, vielleicht liegt es tatsächlich daran, dass die Regierung eben allzu vage bleibt.
Kamikaze-Koalition in Pole-Position
Der Premierminister jedenfalls, der scheint den Erfolg zu genießen. Er habe trotz aller internen Streitereien immer an einen Erfolg geglaubt, sagt Michel in Het Nieuwsblad. Und alle, die ihn als Kamikaze-Piloten bezeichnet haben, hatten wohl unrecht. "Ich habe Wind und Wellen getrotzt", so das blumige Zitat auf Seite eins von Le Soir. Im Interview zeigt sich Michel sehr zufrieden mit dem Erreichten. Es gäbe aber keinen Grund für Euphorie. "Es liegt noch viel Arbeit vor uns", sagt Michel.
Es ist wohl die Revanche von Charles Michel, analysiert L'Avenir. Im Moment klappt einfach alles. Es gibt ja nicht nur das Sommerabkommen. Zugleich ist der MR ja auch noch in der Wallonie die Macht buchstäblich in den Schoß gefallen. Die noch vor drei Jahren als "Kamikaze-Koalition" geschmähte Regierung steht jetzt wohl mit Blick auf die Wahl 2019 in Pole-Position.
Apropos Wallonie: Der Machtwechsel in Namur kommt - zumindest auf den Titelseiten - fast nur am Rande vor. Am Freitag ist ja die neue wallonische Regierung vereidigt worden. "Und dass die PS jetzt in der Opposition sitzt, das ist eine Maßnahme mit Blick auf gute Regierungsführung", sagt CDH-Chef Benoît Lutgen auf Seite eins von La Libre Belgique. Denn, so führt Lutgen aus: Die Sozialisten hätten einfach ein ungesundes Verhältnis zum Staat.
Naja, jetzt kann sich die neue Regierung ja voll und ganz in den Dienst der Wallonie und ihrer Bürger stellen, meint Le Soir in seinem Leitartikel. Allerdings sind hier doch einige Zweifel erlaubt. Zunächst wegen einer doch unglücklichen Konstellation: Ministerpräsident Willy Borsus und der CDH-Landwirtschaftsminister René Collin, sie beide kommen aus Marche-en-Famenne, sie beide wollen Bürgermeister des Ardennen-Städtchens werden, sie beide fischen also im selben Teich. Und auch die Herren Jeholet, Crucke und Di Antonio sowie Frau De Bue, auch sie haben für 2018 ganz klar kommunalpolitische Ambitionen. Insbesondere die Liberalen haben bis vor Kurzem noch über angebliche "Halbtags-Minister" gewettert. Jetzt sollten sie sich bitte mal an die eigene Nase fassen.
Roger Pint - Bild: Nicolas Maeterlinck/BELGA