"Einen Tag nach dem Sommer-Deal kommt der Kater", titelt De Morgen. "Arbeitgeberkritik am Sommerabkommen", schreibt sinngemäß Het Nieuwsblad auf Seite eins.
Gemischte Reaktionen auf das Sommerabkommen der Föderalregierung. Zwar wird allgemein hervorgehoben, dass der Deal durchaus überraschende Elemente enthält, eine Reihe von Unterkapiteln sorgt aber für hörbare Kritik. Und auf allen Seiten.
Auf Seite eins von De Morgen wettert ein Unternehmenschef über Teile der neuen Vermögenssteuer. Die Gewerkschaften laufen ihrerseits Sturm gegen die neuen Maßnahmen zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Ein Beschluss der Regierung geht fast schon wie eine Kriegserklärung durch: Die Mitte-Rechts Koalition plant die Abschaffung des Kündigungsschutzes für föderale Beamte, mit den sogenannten "Ernennungen" soll also Schluss sein. Die sozialistische Gewerkschaft für den öffentlichen Dienst CGSP will sich das nicht gefallen lassen: "Das wird ein sehr heißer Herbst", sagt die CGSP-Vorsitzende Chris Reniers auf Seite eins von De Morgen.
Prinzip der Verbeamtung schon fast antik?
Gazet van Antwerpen nennt die Entscheidungen ihrerseits einen "Meilenstein". Das Prinzip der Verbeamtung stammt aus dem Jahr 1937. In der Praxis ist es allerdings längst überholt. Viele Verwaltungen stellen ohnehin schon jetzt nur noch vertragliches Personal ein. Und die Erfahrung zeigt: Diese Leute werden auch nicht unverhältnismäßig schnell oder häufig entlassen. Ein Kündigungsschutz ist also nicht mehr nötig.
Kritik an dem Sommerabkommen gibt es aber auch in anderen Bereichen. "Die Anhebung der Obergrenze beim Pensions-Sparen ist unvorteilhaft", bemerkt etwa De Standaard auf Seite eins. Der Höchstbetrag, den man jährlich einzahlen kann, wurde ja von 940 auf 1.200 Euro angehoben. Da hier aber mehr Steuern anfallen, fällt die Rendite unterm Strich niedriger aus.
Charles Michel auf Wolke sieben
Bei aller Kritik sehen einige Zeitungen aber Premierminister Charles Michel ganz klar als Gewinner. "Michel hat sein Sommerabkommen, unverhofft ist seine MR in der Wallonie an die Macht gekommen. Es war eine 'goldene Woche' für den Premierminister", so fasst es La Libre Belgique zusammen. Le Soir sieht Charles Michel "auf Wolke sieben".
Der "jeune premier", der junge Regierungschef, ist politisch erwachsen geworden, lobt Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Charles Michel hat es offensichtlich geschafft, dass auch die flämischen Koalitionspartner wieder an einem Strang ziehen. Dass zugleich der MR in Namur die Macht in den Schoß fiel, ist ein schieres Gottesgeschenk. Der Sommer-Deal ist das Sahne-Häubchen. Wenn es nicht noch ein politisches Unglück gibt, dann ist Charles Michel 2019 eindeutig DER Kandidat für seine eigene Nachfolge.
La Libre Belgique schließt sich den Lobeshymnen an. Charles Michel hat ein Abkommen erzielt, dass man dieser Regierung gar nicht mehr zugetraut hätte. Und der Inhalt ist durchaus überraschend. Dass etwa eine Mitte-Rechts-Regierung eine, wenn auch zaghafte, Vermögenssteuer beschließt, ist bemerkenswert. Vielleicht ist dieser Tabu-Bruch die Vorstufe zu Schaffung eines echten Vermögens-Katasters.
Tax-Liberation-Day in Belgien besonders spät
Geradezu symbolisch ist es, dass in Belgien ausgerechnet gestern der sogenannte "Tax-Liberation-Day" anstand, findet Het Belang van Limburg. Das ist ja der Tag, ab dem man nicht mehr für den Staat bezahlt, sondern in die eigene Tasche wirtschaftet. In Belgien fällt das Datum besonders spät, das liegt natürlich an der vergleichsweise hohen Steuerlast von - im Durchschnitt - 56 Prozent. Unser Staat ist nach wie vor zu aufgebläht, meint die Zeitung. Und eine Regierung, die sich selbst als "Reform-Regierung" bezeichnet, sollte endlich auch mal hier den Hebel ansetzen.
Für L'Echo darf man aber die Gegenleistung auch nicht ganz aus den Augen verlieren. Zugegeben: Die Steuerlast ist die zweithöchste in Europa. Demgegenüber gibt es in Belgien aber nach wie vor eine Soziale Sicherheit, die den Namen verdient. Auch etwa eine Ausbildung an einer Hochschule oder Universität bleibt hierzulande durchaus bezahlbar. Steuern sind also durchaus sinnvoll. Und wenn wir an unserem System festhalten, dann werden diese Steuern auch hoch bleiben. Was nicht heißt, dass man die Ausgaben nicht regelmäßig unter die Lupe nehmen muss.
Alle Wirtschaftsparameter im grünen Bereich
Für De Standaard gibt es in jedem Fall im Moment allen Grund zum Optimismus. Alle Wirtschaftsparameter sind im grünen Bereich, analysiert das Blatt in seinem Leitartikel. Belgien profitiert da traditionell auch vom Erfolg der deutschen Wirtschaft. Dem Nachbarland geht es so gut, dass Kanzlerin Angela Merkel wohl problemlos die Wahl vom 24. September gewinnen wird. Jeder sollte aber dieses Fenster nutzen. Gerade jetzt muss man strukturelle Schwächen anpacken. Denn niemand weiß, wie lange diese positive Grundstimmung noch andauern wird.
Ohnehin scheint das nicht für alle Bereiche zu gelten: "Der Belgier renoviert zu wenig", so jedenfalls die Aufmacher-Geschichte von Het Laatste Nieuws. Die Zahl der Kredite, die für Umbauarbeiten aufgenommen werden, ist drastisch gesunken. Das ist umso alarmierender, als die Zinsen ja gerade recht niedrig sind.
L'Echo schließlich berichtet über einen Führungswechsel in einer ganz speziellen Rangliste. Demnach hat der Amazon-Chef Jeff Bezos den Microsoft-Gründer Bill Gates entthront: Bezos ist jetzt der reichste Mann der Welt, mit einem Vermögen von 90,5 Milliarden Dollar.
Roger Pint - Foto: Laurie Dieffembacq/BELGA