"Eine Wallonie ohne die Sozialisten", titelt die Wirtschaftszeitung L'Echo. "Die Wallonie rückt jetzt so weit nach rechts, wie nie zuvor", so die Schlagzeile De Standaard. Und Le Soir schreibt in großen Lettern auf Seite eins: "Der Bruch".
Die Einigung zwischen MR und CDH auf eine neue Regierungskoalition in der Wallonie ist neben zahlreichen Berichten auch das Hauptthema in den Kommentaren. L'Avenir führt aus: Das ist eine Revolution. Nach 29 Jahren ist die PS aus der Regierungsverantwortung in der Wallonie gedrängt worden. Das Projekt, dass MR und CDH jetzt umsetzen wollen, ist sehr ehrgeizig, fast schon selbstmörderisch. Denn MR und CDH bleiben nur zwei Jahre Zeit, um das Programm umzusetzen. Dann wird wieder gewählt. Deshalb ist es fraglich, ob die Revolution sich tatsächlich durchsetzt. Denn es reicht nicht nur, eine neue Mehrheit zu bilden. Man muss auch mit Taten überzeugen, erinnert L'Avenir.
Hurra, eine neue Regierung?
Sehr skeptisch sieht Le Soir die neue Regierung in Namur und führt aus: Hört, hört, ihr guten Leut'! Die neue Regierung in der Wallonie ist da. Ihr Programm ist sehr unpräzise. Und lasst uns mal Bilanz ziehen von dem Streich, den CDH-Präsident Benoît Lutgen der PS da gespielt hat: Die Wallonische Regierung hat eine Mehrheit von einem Sitz. Die Föderalregierung besitzt keine frankophone Mehrheit. Nur die Regierungen der Region Brüssel und der Französischen Gemeinschaft haben eine solide demokratische Mehrheit, abgesehen von der Tatsache, dass die CDH sich in diesen Mehrheiten nur noch unwillig engagiert, weil sie es nicht geschafft hat, neue Mehrheiten zu formen. Ein trauriges Schauspiel, das der Wähler 2014 so nicht gewollt hat. Das frankophone Belgien hat sich weit von seinem Wähler entfernt, urteilt Le Soir.
Auch die Wirtschaftszeitung L'Echo bemerkt: Die Wallonie hat zwar jetzt eine neue Regierung. Aber in der Französischen Gemeinschaft und in Brüssel ist nichts gelöst. Hier hat man sogar aufgehört, zu verhandeln. Die Regierung in Brüssel hat bis vergangene Woche so funktioniert, wie immer. Dann haben alle die Koffer gepackt und sind in den Urlaub gefahren. Es wird schwierig sein für die neuen Machthaber in Namur, ihre Politik durchzusetzen. Gerade auch ihr oberstes Ziel: Die Schaffung von mehr Arbeit. Denn das geht nur über die Bildungsschiene. Bildung ist aber eine Kompetenz der Französischen Gemeinschaft. Dort droht Blockade. MR und CDH könnten durch das System schnell ausgebremst werden, fürchtet L'Echo.
La Libre Belgique schaut auf die PS und meint: Nach 30 Jahren an der Macht, landet die PS jetzt in der Opposition. Das wird ihr sicherlich sehr gut tun. Es wird ihr die Möglichkeit geben, ihr Profil zu schärfen, gerade auch gegenüber einer PTB, die immer bedrohlicher erscheint. Für die neuen Machthaber hingegen steht das schwierigste noch bevor. Denn die PS zu verjagen war leicht. Doch diese Tat mit Sinn zu erfüllen, also eine wirklich bessere Politik zu führen, das wird die große Herausforderung für MR und CDH sein, meint La Libre Belgique.
Lichtblicke in der Wallonie
Das GrenzEcho führt mit Blick auf Ostbelgien aus: Reichlich Lichtblicke enthält das wallonische Regierungsabkommen für die DG. Neben der so lange geforderten Raumordnung könnten auch die Provinzzuständigkeiten in Zukunft von Eupen aus verwaltet werden. Wenn es wirklich so weit kommt, wäre das ein historischer Schritt. Doch wie hat der große Goethe so treffend im "Faust" festhalten: "Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube". Wir sind gespannt, so das GrenzEcho.
De Standaard bedauert: Schade, dass der Groschen bei Benoît Lutgen nicht schon vor drei Jahren gefallen ist, als überall im Land neue Regierungen gebildet wurden. Das Programm, dass MR und CDH am Dienstag skizziert haben, hat viele positive Aspekte. Die Wallonie zu sanieren, wird der Region guttun. Allerdings bleibt die Frage, wie handlungsfähig die neue Regierung tatsächlich sein wird, grübelt De Standaard.
CDH hat Weichen für Regierung Michel II gestellt
Het Laatste Nieuws schreibt: Die CDH hat es also geschafft. Sie hat ihre Operation "saubere Weste" zu Ende geführt, eine Operation, die auch den Namen "sauberer Anschein" verdient hätte. Denn die Wallonie war nicht nur ein PS-Staat, sondern auch ein CDH-Staat. Bis auf fünf Jahre in der Opposition war die CDH seit 1981 immer an der Regierungsgewalt in der Wallonie beteiligt. Deshalb ist klar: Eigentlich geht es der CDH um Macht. Im Grunde hat sie mit ihrem Bündnis mit der MR jetzt die Weichen für eine Föderalregierung Michel II gestellt. Die große Frage wird nur sein, ob die N-VA dieses Spiel mitspielt, zweifelt Het Laatste Nieuws.
Het Belang van Limburg stellt fest: Die Wallonen haben sich mittlerweile so lange mit sich selbst beschäftigt, dass tatsächlich gute Ideen dabei herausgekommen sind. Zum Beispiel die Idee, dass Bürgermeister in Provinzialräten sitzen sollen. So eine Idee könnten wir in Flandern gut übernehmen. Oder auch das Vorhaben, Dieselmotoren bis 2030 abzuschaffen, fünf Jahre früher als in Flandern geplant. Entwickelt sich die Wallonie zu einem Vorreiter? Wer weiß, fragt sich Het Belang van Limburg.
Kay Wagner - Bild: Benoit Doppagne/BELGA