"Ende der Ämterhäufung: Magnette gibt endlich ein Beispiel", titelt Le Soir. "Warum Magnette lieber Bürgermeister als Abgeordneter ist", so La Libre Belgique auf Seite eins.
Den Rückzug des PS-Spitzenpolitikers Paul Magnette aus dem Wallonischen Parlament und die Wiederaufnahme seines Bürgermeisteramtes in Charleroi, greifen die meisten frankophonen Zeitungen auch in ihren Kommentarspalten auf. Le Soir findet: Das war eine taktische Entscheidung. Paul Magnette musste sich für ein einziges politisches Amt entscheiden, um ganz deutlich die Lehren aus den Skandalen der vergangenen Monate zu ziehen. Damit lebt er den gerade so viel diskutierten neuen Politikstil vor. Und das macht ihn attraktiv für künftige politische Partner, um eine mögliche Verlängerung der sich abzeichnenden blau-orangen Mehrheit in Namur über die aktuelle Legislaturperiode zu verhindern. Grüne und Défi werden Magnettes' Schritt mit Wohlwollen zur Kenntnis nehmen, glaubt Le Soir.
Ende der Ämterhäufung in Sicht?
Die Wirtschaftszeitung L'Echo wertet: Dieser Schritt ist vor allem eine politische Botschaft an den Flügel der Parti Socialiste, der sich für ein radikales Ende der Ämterhäufung stark macht. Magnette setzt sich dadurch an die Spitze dieses Flügels und beginnt gleichzeitig eine Art parteiinterne Kampagne zur Nachfolge von PS-Präsident Elio Di Rupo. Die Stadt Charleroi kann sich über diesen Schritt nur freuen. Charleroi ist im Erneuerungsprozess und kann einen Bürgermeister gut gebrauchen, der sich zu 100 Prozent um die lokalen Angelegenheiten kümmert, so L'Echo.
L'Avenir meint: Magnette folgt nicht gerade freiwillig seiner "Herzenswahl", wie er es am Montag selbst ausdrückte. Der Mann ist schwer enttäuscht über den "Verrat", den die PS durch die CDH erlitten hat. Frustriert zieht er sich also zurück. Allerdings mit einer durchaus beachtenswerten Bilanz an der Spitze der bisherigen Regierung in Namur. Sie hat gute Arbeit geleistet, gerade in dem schwierigen Kontext, der Umsetzung der sechsten Staatsreform. Das wird Magnette noch mehr verbittern, aber wer weiß: Vielleicht ist Charleroi ja gar nicht mal so schlecht, um auf seine Berufung zum PS-Präsidenten zu warten, schlussfolgert L'Avenir.
La Libre Belgique kommentiert: Magnette hatte davor gewarnt, dass der Putsch von Benoît Lutgen die Wallonie in ein Chaos stürzen würde. Damit lag er wohl falsch, denn die Verhandlungen zwischen MR und CDH für eine neue Regierung in Namur sind ja auf gutem Wege. Ganz unglücklich wird Magnette darüber nicht sein, wenn ihm wirklich daran gelegen ist, Chaos zu vermeiden. Er selbst hat jetzt mit seinem Schritt dafür gesorgt, dass weiteres Chaos von der PS ferngehalten wird, und vor allem von seiner Person. Er macht ernst mit dem Ende der Ämterhäufung. Dadurch könnte Paul Magnette zu einem Vater der Erneuerung seiner Partei werden, prophezeit La Libre Belgique.
(K)eine neue Reichensteuer
Gazet van Antwerpen greift die Verhandlungen der Föderalregierung über steuerliche Strukturreformen auf. Die Gespräche darüber wurden am Montagabend ohne Ergebnisse abgebrochen. Dazu kommentiert die Zeitung: Es ist verständlich, dass die Liberalen der OpenVLD die harte Linie fahren. Eine neue Reichensteuer? Nicht mit uns, oder nur für ganz Wenige. Wie gesagt, so ein Verhalten ist verständlich. Schon bald stehen Wahlen an. Wichtig für jede Partei, da klares Profil zu zeigen. Aber in jeder Regierung, die tatkräftig erscheinen will, müssen die Parteien Kompromisse eingehen, Wasser in ihren Wein gießen. Dieser Augenblick ist jetzt, meint ungeduldig Gazet van Antwerpen.
Het Belang van Limburg glaubt, dass die Verhandlungen kurz vor dem Durchbruch sind und führt aus: Das beste Anzeichen dafür ist, dass Premierminister Charles Michel angefangen hat, Nachtsitzungen anzuberaumen. Nachtsitzungen sind ein bewährtes Mittel, um fast schon erreichte Kompromisse zu konkretisieren. Je später die Stunde, desto müder die Teilnehmer, und daher größer ihre Bereitschaft einem Kompromiss zuzustimmen. Großartig neue Vorschläge sind auch nicht mehr zu erwarten. Alles liegt schon auf dem Tisch. Eine Regierung, die sich selbst als eine "Reform-Regierung" bezeichnet, muss jetzt auch bald Ergebnisse liefern, fordert Het Belang van Limburg.
Plastik in der Muschel
Mit Sorge schaut Het Nieuwsblad auf den vielen Plastikmüll, den das Open-Air-Festival Tomorrowland zurückgelassen hat und meint: Wie passt das zusammen mit dem Titel des Recycling-Weltmeisters, den Flandern vergangenes Jahr bekommen hat? Es scheint, dass die Jugend sich darum nicht kümmert. Und damit wird Tomorrowland zum Zeichen einer allgemeinen Entwicklung. Plastikmüll wird zu einem ähnlich großen Problem, wie der Klimawandel. In jeder Muschel, die wir essen, sind schon 90 Mikroplastikteilchen enthalten, weil so viel Plastik ins Meer geschüttet wird. Genau wie das Klima gehören die Meere allen und keinem. Und deshalb scheint sich auch fast keiner ernsthaft um sie zu kümmern, stellt Het Nieuwsblad fest.
De Morgen schreibt zum Ausscheiden der belgischen Fußball-Frauen bei der Europameisterschaft in den Niederlanden: Die "Red Flames" sind eine wirkliche Entdeckung. Sie haben es in die Prime-Time des öffentlich-rechtlichen Fernsehens geschafft und zahlreiche Fernsehzuschauer fasziniert. Es war vielleicht nicht Fußball auf allerhöchstem Niveau, aber dafür Fußball mit Herz. Also etwas für wirkliche Fans, meint De Morgen.
Kay Wagner - Bild: Laurie Diefembacq/BELGA