"Mayeur sieht das Problem nicht", titelt De Standaard. "Ein Pseudo-Skandal", zitiert La Libre Belgique den früheren Brüsseler Bürgermeister. "Das habe ich nicht verdient", sagt Yvan Mayeur auf Seite eins von Het Belang van Limburg.
Großer Bahnhof am Mittwoch im Untersuchungsausschuss des Brüsseler Parlaments, der die Samusocial-Affäre aufarbeiten soll: Mit dem Ex-Bürgermeister Yvan Mayeur war eine Schlüsselfigur vorgeladen. Und entgegen diverser Mutmaßungen stand er dem Ausschuss Rede und Antwort.
Mayeur gab sich dabei gewohnt kämpferisch und verteidigte das Samusocial. Er hatte die Vereinigung, die sich um Obdachlose in Brüssel kümmert, vor 20 Jahren selbst gegründet. "Mayeur war gekommen, um 'sein' Samusocial zu verteidigen", so resümiert es denn auch Le Soir. Der ehemalige PS-Politiker wies dabei nahezu alle Vorwürfe en bloc zurück. Von einem "Skandal" wollte er nichts wissen. Wenn überhaupt, dann trage die Region Brüssel die Schuld, die nämlich über die Verhältnisse beim Samusocial im Bilde war. "Mayeur attackiert den Brüsseler Ministerpräsidenten Rudi Vervoort", notiert denn auch La Libre Belgique. Für De Morgen stellt sich jetzt in jedem Fall die Frage nach der Rolle der regionalen Verantwortlichen.
Mayeur hat uns da am Mittwoch einen Klassiker dargeboten, stichelt Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Ein flammendes Plädoyer mit einem gehörigen Schuss Dramatik, zu dem in diesem Land nur frankophone Politiker im Stande sind. Die Geschichte eines selbstlosen Politikers, der sich ganz dem humanitären Engagement verschrieben hat. Von außen betrachtet zeigt sich hier aber noch ein weiterer Klassiker, nämlich die Geschichte eines Politikers, der mit den besten Absichten beginnt und dann unterwegs den Blick für die Realität verliert, der nicht mehr versteht, dass er irgendwann auf den falschen Weg geraten ist. Mayeur hat auf dem Weg nach oben vergessen, sich ab und zu noch mal umzudrehen.
Yvan Mayeur ist eigentlich nur das Sinnbild für das "Brüsseler Problem", analysiert De Morgen. Jeder Tourist, der in die Hauptstadt kommt, der sieht es sofort: Lebensqualität, Mobilität, Jugendinfrastruktur, Radwege, Sicherheit,... Brüssel ist eine Stadt der alten Generation, wo die Dinge allenfalls mehr oder weniger funktionieren, wo man eine wirkliche Vision, in der der Bürger im Mittelpunkt stünde, partout nicht erkennen kann. Die theatralische Show des Yvan Mayeur lieferte am Mittwoch eine Erklärung für diesen Zustand. Konkret: Eine korrekte Amtsführung, das kennt jemand wie Mayeur nicht. Die Brüsseler Nonchalance, die so mancher vielleicht charmant finden kann, die ist ab einem gewissen Punkt destruktiv. Die Politik und die Verwaltung in der Hauptstadt brauchen einen veritablen "Big Bang".
Optimistischere Verbraucher und neue Jobs in der Baubranche
Gute Neuigkeit zur Abwechslung auf Seite eins von Het Nieuwsblad: "Der Belgier ist so optimistisch wie seit zehn Jahren nicht mehr". Nach einer Erhebung der Nationalbank ist das sogenannte Verbrauchervertrauen spürbar gestiegen. Wichtigste Folge: Die Menschen geben wieder Geld aus. Davon profitiert unter anderem auch die Baubranche.
Apropos: "Die Baubranche verspricht die Schaffung von 25.000 neuen Jobs", titelt Le Soir. Dafür müsse der Staat aber erst die Voraussetzungen schaffen. Konkret fordert die Branche ein verschärftes Vorgehen gegen das Phänomen der sogenannten "entsandten Arbeitskräfte". Grob zusammengefasst geht es hier um ausländische Arbeiter, die den Bedingungen ihrer Heimatländer unterliegen und deshalb die teureren heimischen Kollegen verdrängen.
Starker Tobak für Photovoltaikanlagenbesitzer
Die heutige Schlagzeile von L'Echo hingegen dürfte noch viel Staub aufwirbeln: "Die Besitzer von Photovoltaikanlagen in der Wallonie werden ab 2020 zur Kasse gebeten", meldet das Blatt auf seiner Titelseite. Die Netzgebühr ist offiziell. Heißt: Wer Strom einspeist, der muss für die Nutzung der Netze bezahlen. Im Durchschnitt belaufen sich die Kosten auf 330 bis 660 Euro pro Anlage, je nach Netzbetreiber. Die höchsten Tarife gelten übrigens im Einzugsbereich von Ores-Verviers.
Die Maßnahme ist ebenso unausweichlich wie brutal, findet das Wirtschaftsblatt in seinem Leitartikel. Jeder muss eben für die Nutzung der Stromnetze zahlen. Bis zu 660 Euro, das ist allerdings starker Tobak. Dass die Kosten sich je nach Wohnort verdoppeln können, das ist allerdings ein Unding. Eine Harmonisierung ist hier längst überfällig.
Déjà-vu im Maximilianpark
"Angst vor einem neuen Calais in Brüssel", schreibt De Standaard auf Seite eins. Fakt ist: Die Hauptstadt entwickelt sich sichtbar zu einem wichtigen Zwischenstopp für Transit-Flüchtlinge. Im Maximilianpark in der Nähe des Brüsseler Nordbahnhofs haben mindestens 300 Migranten ein provisorisches Lager gebaut. Hilfsorganisationen schlagen inzwischen Alarm. Die meisten der Flüchtlinge wollen offenbar weiter nach Großbritannien.
Die Behörden machen's wie beim letzten Mal, als der Maximilianpark zum Zufluchtsort von Migranten wurde: Sie schauen weg, kritisiert De Standaard in seinem Kommentar. Es gibt keinerlei Auffangstrukturen, keine Info, kein gar nichts. Wieder sind es allein engagierte Bürger, die aus Solidarität Lebensmittel, Decken und Schlafsäcke zur Verfügung stellen. Vielleicht befürchten Leute wie der N-VA-Staatssekretär Theo Francken einen Ansaugeffekt, falls man sich allzu hilfsbereit zeigt. Es reicht aber nicht, die Augen zu verschließen, damit sich das Problem in Luft auflöst. Wir müssen einsehen: Auch Transit-Migranten sind unser Problem.
Roger Pint - Bild: Benoit Doppagne/BELGA