"Jean-Michel Javaux will eine neue Partei gründen", titelt La Libre Belgique. Die Meldung wird auch von La Dernière Heure übernommen, die zur selben Pressegruppe gehört: "Jean-Michel Javaux lanciert E-Change", so die Schlagzeile.
Die Nachricht ist schon ein kleiner Knaller. Jean-Michel Javaux ist schließlich nicht irgendwer. Der derzeitige Bürgermeister von Amay war in einem früheren Leben mal Ecolo-Co-Präsident und in dieser Rolle quasi Dauergast in den Medien. Und Javaux ist offensichtlich nicht alleine: Er hat laut La Libre Belgique eine Reihe von bekannten Persönlichkeiten für sich gewinnen können, darunter etwa den früheren CDH-Minister, den aktuellen Brüsseler Défi-Minister Didier Gosuin oder auch den Lütticher Unternehmer und Standard Lüttich-Präsidenten Bruno Venanzi.
"E-Change", so der Name des Projekts, war bislang eine informelle Gruppe, die sich über die politische Entwicklung im frankophonen Landesteil Gedanken gemacht hat. Jetzt sei aber die Zeit reif, daraus eine Partei hervorgehen zu lassen. "E-Change" steht im Französischen für "Austausch", wobei das Wort "change" hervorgehoben ist - "change" für Veränderung.
Schuldbewusstsein, Fehlanzeige
Viele Zeitungen beschäftigen sich mit der gestrigen Sitzung des Untersuchungsausschusses des Brüsseler Parlaments, der die Samusocial-Affäre ausleuchten soll. Vorgeladen war die ehemalige Chefin des Samusocial, Pascale Peraïta. Die inzwischen aus der PS ausgeschlossene Politikerin berief sich auf ihr Schweigerecht und verweigerte die Aussage. "Zehn Minuten und dann war sie weg", so fasst es Le Soir zusammen. Het Laatste Nieuws ist knackiger: "Sie kam, schwieg und ging".
"Sie hat es tatsächlich getan", empört sich Le Soir in seinem Leitartikel. Klar kommt das mit Ansage. Peraïta hatte schließlich angekündigt, die Aussage verweigern zu wollen. Und doch schockierte sie mit ihrem gestrigen Auftritt. Man ist irritiert, kann es nicht glauben, ist verdattert angesichts von so viel Dreistigkeit und Zynismus. Wenn sie sich auch auf ein Gesetz berufen kann, so hatten die Bürger dennoch ein Recht auf Antworten. So viele Spendengelder und öffentliche Zuschüsse sind in das Samusocial geflossen, da durfte man doch eigentlich eine Erklärung erwarten.
"Das ist der Gipfel der Arroganz", wettert auch Het Nieuwsblad. Zehntausende Euro hat Frau Peraïta in ihre Taschen geschleust, Geld, das für Obdachlose bestimmt war. Ihr gestriger Auftritt hat gezeigt: Schuldbewusstsein, Fehlanzeige. Und als wäre das noch nicht genug, verweigert sie den Volksvertretern jegliche Zusammenarbeit. In der Welt von Frau Peraïta gibt es anscheinend nur eine Person, die entscheidet, und das ist Frau Peraïta selbst.
"Was für ein jämmerlicher Auftritt!", schäumt auch L'Avenir. Pascale Peraïta hatte jetzt die einmalige Gelegenheit, Größe zu zeigen, sich der Verantwortung würdig zu zeigen, die sie über Jahre hinweg getragen hat. Stattdessen hat sie sich für die feige Flucht entschieden. Mal schauen, wie sich Yvan Mayeur am Mittwoch vor dem Ausschuss präsentieren wird. Der ehemalige Brüsseler Bürgermeister war Mitbegründer des Samusocial und über eben diese Affäre gestolpert. Wenn auch er sich wie seine Freundin Peraïta in Schweigen hüllt, dann wird das Ganze für die Brüsseler Sozialisten doch ziemlich peinlich.
Das "Große Sommerabkommen"
"Michel will dafür sorgen, dass die Steuer auf Börsenmehrwerte in der Versenkung verschwindet", so derweil die Aufmachergeschichte von De Standaard. Besagte Steuer auf Börsenmehrwerte, das ist ein Steckenpferd der CD&V. Die drei übrigen Koalitionspartner lehnen eine solche Abgabe mehr oder weniger deutlich ab. Premier Charles Michel will jetzt also offensichtlich einen Kompromiss vorlegen. Und der sähe so aus: Statt einer Steuer auf Börsenmehrwerte würde eine kleine Abgabe erhoben auf alle Wertpapierdepots. Ein solches Konto ist Grundvoraussetzung für den Handel mit Wertpapieren.
"Trommelwirbel", bemerkt bildlich De Standaard. Jetzt sind wir mal gespannt. Die Steuer auf Börsenmehrwerte hat schon diverse Male für gehörige Spannungen innerhalb der Koalition gesorgt. Und was Michel jetzt als Alternative vorlegt, das hat mit der ursprünglichen Forderung der CD&V eigentlich nicht viel zu tun. Michel macht das, was in diesem Land schon immer funktioniert hat: Er schnürt ein großes Maßnahmenpaket, das dafür sorgt, dass man vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht.
Genau das ist im Moment im Gange, die Föderalregierung bereitet unter Hochdruck einen Sonder-Ministerrat vor, der womöglich schon am kommenden Wochenende stattfinden könnte. Dabei wird neben der Haushaltskorrektur eine ganze Reihe von neuen Maßnahmen erwartet, bis hin zu einer möglichen Senkung der Unternehmenssteuer. Het Laatste Nieuws spricht denn auch vom "Großen Sommerabkommen".
Trumpcare-Fiasko trotz sechs Monaten Getöse
Viele Zeitungen berichten über das wohl definitive Ende von Trumpcare, der Gesundheitsreform des US-Präsidenten. "Donald Trump schafft es einfach nicht, Obamacare zu kippen", notiert etwa La Libre Belgique. "Todesstoß für Trumpcare - und was jetzt?", fragt sich De Standaard.
La Libre Belgique hat eine ganz einfache Lösung: Warum wollen die Republikaner Obamacare immer noch partout kippen? Alle Beteiligten sollten sich jetzt vielmehr darauf konzentrieren, die zweifellos notwendigen Korrekturen vorzunehmen.
Die ersten sechs Monate seiner Amtszeit waren für den US-Präsidenten wenig glorreich, bilanziert L'Echo in seinem Kommentar. Sechs Monate, in denen Trump seine Alliierten brüskiert, der Kongress sich zerfetzt und die Schlinge der Russland-Ermittlungen sich immer weiter zugezogen hat. Und in eben diesen sechs Monaten ist es Trump trotz viel Getöses nicht gelungen, sein zentrales Wahlversprechen einzulösen. Dass nach eben diesen sechs Monate vier von zehn Amerikanern hinter ihm stehen, das ist und bleibt ein großes Rätsel.
Roger Pint - Bild: Nicolas Lambert/BELGA
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