"Von Ecolo verlassen, versuchen es MR und CDH mit der Brechstange", titelt La Libre Belgique. "Startschuss für die Verhandlungen zur Bildung von Mitte-Rechts-Regierungen", so die Schlagzeile von l'Echo.
Im frankophonen Landesteil bewegt sich was. Zunächst war Ecolo nach einer dritten Verhandlungsrunde mit MR und CDH definitiv abgesprungen. Zwar hatten sich die drei Parteien auf eine Reihe von ethischen Reformen verständigen können. Den Grünen ging die Neuordnung aber nicht weit genug. MR und CDH kündigten daraufhin an, alleine weitermachen zu wollen. Liberale und Zentrumshumanisten haben allerdings nur in der Wallonie eine Mehrheit, nicht aber in Brüssel und in der Französischen Gemeinschaft. Dort ist man also auf die Unterstützung von DéFI angewiesen.
Nur hat DéFI-Chef Olivier Maingain von Anfang an deutlich gemacht, dass seine Partei nicht den reinen Mehrheitsbeschaffer geben will. Und es bleibt offensichtlich dabei: "Maingain stellt seine Bedingungen", hebt jedenfalls Le Soir auf seiner Titelseite hervor. "Und wir legen da die Latte mindestens genauso hoch wie die Grünen", warnt Maingain in Le Soir und auch in De Standaard. DéFI wird sich voraussichtlich am Montag definitiv positionieren.
Baldige Öffnung à la Macron?
Aber wenigstens hat der Eiertanz jetzt mal ein Ende, freut sich Le Soir in seinem Leitartikel. Fast einen Monat lang haben sich die Bürger verdattert diese Posse antun müssen. Dabei hat es keine der beteiligten Parteien geschafft, ihre eigenen Interessen auch nur mal einen Millimeter zurückzustellen. Alle hatten sie nur die eigene Nase im Blick. Hoffentlich rückt jetzt endlich das in den Vordergrund, worum es eigentlich gehen müsste, das Gemeinwohl nämlich. Kleine Klammer noch: Über Regierungsführung zu reden, ist ja schön und gut; allerdings sollte man dafür erstmal regieren.
Es wird in jedem Fall Zeit, dass sich was bewegt, meint auch die Wirtschaftszeitung l'Echo. Die Unternehmer im südlichen Landesteil sind buchstäblich starr vor Angst, befürchten eine lange Periode der Instabilität oder schlimmer noch: Eine Regierung voller grauer Notare, die sich bis 2019 darauf beschränken, die Regierungsgeschäfte zu verwalten ohne jegliche Impulse zu setzen. Kleiner Tipp: Warum macht man nicht einfach mal eine Persönlichkeit zum Minister, die nicht aus der Politik kommt? Eine Öffnung à la Macron würde der Wallonie mit Sicherheit guttun.
Möglicherweise wird dieser Appel aber gehört. La Dernière Heure jedenfalls will erfahren haben, dass die MR tatsächlich ernsthaft darüber nachdenkt, mindestens einen Ministerposten einer Person zu geben, die aus der Zivilgesellschaft kommt.
Frankreich zurück auf der Weltbühne?
Aber apropos Macron. Der französische Präsident ist heute buchstäblich auf allen Kanälen. Heute ist nämlich der französische Nationalfeiertag. Und zu diesem Anlass hat Macron einen Ehrengast eingeladen, keinen geringeren als US-Präsident Donald Trump nebst Gattin Melania. Mehrere Zeitungen bringen ein Foto, das die beiden Präsidenten-Paare beim Abendessen zeigt. "Ein Dinner unter Freunden", bemerkt De Morgen auf Seite eins. "Gespräche auf höchster Ebene", notiert Het Nieuwsblad. Und das ist in doppeltem Sinne gemeint: Besagtes Dinner fand nämlich im Eifelturm statt.
Emmanuel Macron trägt hier schon ziemlich dick auf, findet De Morgen in seinem Leitartikel. Dem Mann, der vielerorts nicht wirklich willkommen ist und der im Alleingang aus dem Pariser Klimaschutzabkommen ausgestiegen ist, diesem US-Präsidenten schmiert der Franzose noch Honig in den Bart. Hinter diesem mit der Tricolore drapierten Schein verbirgt sich aber kühler Pragmatismus. Macron weiß, dass man ohne die USA die Probleme der Welt nicht lösen kann. Davon abgesehen: Ein isolierter Donald Trump wäre wohl noch gefährlicher.
Emmanuel Macron hatte zuvor auch schon die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel empfangen. "Und beide schmieden Pläne", betont De Standaard auf seiner Titelseite. Unter anderem erwägen beide Länder den gemeinsamen Bau eines europäischen Kampf-Jets. Eines ist jedenfalls deutlich, bemerkt das Blatt: Merkel und Macron wollen der viel beschworenen deutsch-französischen Achse wieder neues Leben einhauchen.
Auf hübsche Bilder sollten Taten folgen
Es ist ein frischer Wind, der da aus Frankreich weht, meint Het Nieuwsblad. Dies vor allem in Form von Bildern, die der neue französische Präsident produziert. Macron mit Trump, Macron mit Merkel, wobei es wohl kein Zufall war, dass die Merkel-Bilder vor denen mit Trump geschossen wurden. Die Botschaft lautet in jedem Fall: Frankreich meldet sich auf der Weltbühne zurück. Allerdings: Macron wäre nicht der erste Politiker, der nach den schönen Bildern nichts Gescheites mehr produziert. Frankreich muss, gemäß seinem Partei-Motto, "en marche", in Bewegung kommen. Dann kann Frankreich aber Europa tatsächlich eine neue Dynamik geben.
De Standaard sieht das ähnlich. Die Fassade ist zweifelsohne attraktiv. Die Frage ist nur, was sich dahinter verbirgt, vor allem mit wieviel Substanz. Macron wirkt mit allem was er darstellt vielversprechend. Allerdings muss er irgendwann auch liefern. Spätestens gegen Ende des Jahres wird sich zeigen, ob er wirklich zum Retter Europas taugt.
La Libre Belgique schließlich würdigt den verstorbenen chinesischen Dissidenten und Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo. Der hat bis zuletzt, als er schon von seiner Krankheit schwer gezeichnet war, nicht ausreisen dürfen. Und warum? Weil es keinen internationalen Druck gab. Angesichts der schier unendlichen Perspektiven, des chinesischen Marktes haben die westlichen Demokratien ihre Grundwerte verleugnet.
Roger Pint - Foto: Nicolas Maeterlinck/BELGA