"MR, CDH und Ecolo stehen kurz vor einem beispiellosen Abkommen über die Regierungsführung", titelt La Libre Belgique. Le Soir dämpft seinerseits die Erwartungen: "Es sind Fortschritte, die nichts lösen", so die Schlagzeile auf Seite eins.
MR, CDH und Ecolo sind am Dienstag in Namur zusammengekommen, um über Auswege aus der politischen Krise im südlichen Landesteil zu beraten. Geredet wurde allein über die angestrebte "ethische Neuordnung" der politischen Praxis. Dabei haben sich die drei Parteien offenbar in wesentlichen Punkten annähern können. Man ist optimistisch, dass bereits am Donnerstag ein entsprechendes Abkommen geschlossen werden kann. Über weitere Inhalte eines möglichen Koalitionsabkommens zwischen den drei Parteien wurde derweil nicht gesprochen. "Die Fortschritte führen nicht besonders weit", so analysiert denn auch Le Soir.
L'Echo wird deutlicher: "Ecolo wird sich nicht an den Regierungen beteiligen", schreibt das Blatt explizit und affirmativ auf Seite eins. Die beiden Ecolo-Ko-Präsidenten haben mehrmals schon klargemacht, dass auch ein Abkommen über eine ethische Neuordnung nicht automatisch bedeutet, dass sich die Grünen auf eine Koalition mit CDH und MR einlassen werden.
"Drei Wochen und immer noch Fragen über Fragen", so bilanziert L'Echo in seinem Leitartikel. Man kann sich immer noch wundern über die Tatsache, wie wenig der Coup von CDH-Chef Benoît Lutgen vorbereitet war. Es gab nicht den Hauch eines Plans. Und jetzt? Machen wir uns nichts weis, aber weder MR noch Ecolo haben wirklich Interesse daran, jetzt in die Regierungen in Brüssel und der Wallonie einzusteigen. Allerdings ist die MR zumindest bereit, im Sinne des Gemeinwohls Verantwortung zu übernehmen. Die Grünen müssen sich schnellstens überlegen, ob sie wirklich auf der Ersatzbank bleiben wollen.
Auch L'Avenir stellt sich die Frage nach den wirklichen Absichten von Ecolo: Wieso sitzen die Grünen jetzt am Verhandlungstisch, wenn sie dabei doch immer wieder betonen, dass sie sich dafür nicht automatisch auch an den Regierungen beteiligen wollen? Führen sie hier eine "Gratis-Schlacht" zum alleinigen Wohle der Demokratie? Vielleicht wollen sie mit ihrem Kampf für eine ethische Revolution tatsächlich nur beim Wähler punkten. Vielleicht geht es Ecolo aber auch nur wie den anderen, sprich: Auch die Grünen haben keinen Plan.
"Es ist jedenfalls zum Verrücktwerden", bemerkt L'Avenir auf seiner Titelseite. Die politische Krise hat die Atmosphäre derartig vergiftet, dass jegliche parlamentarische Arbeit insbesondere in Namur fast unmöglich geworden ist. PS und CDH werfen sich gegenseitig nur noch Knüppel zwischen die Beine. Für das Parlament ist es wohl ganz gut, dass es jetzt in die Sommerpause geht.
"Wie Muscheln ohne Fritten"
Die flämischen Zeitungen kommen noch einmal zurück auf den gestrigen "Tag der Flämischen Gemeinschaft": Ministerpräsident Geert Bourgeois und auch der Parlamentsvorsitzende Jan Peumans, beide N-VA, haben bei dieser Gelegenheit noch einmal klipp und klar die Übertragung weiterer Zuständigkeiten gefordert - eine siebte Staatsreform also.
Das wirkt aber inzwischen eigentlich eher reflexartig und folgt gewissermaßen einer Tradition, sind sich die Leitartikler einig. Ausgerechnet der amtierende wallonische Ministerpräsident Paul Magnette brachte es auf den Punkt: "Ein 11. Juli ohne die Forderung nach einer Staatsreform, das ist wie Muscheln ohne Fritten". Ebenso traditionell gab es denn auch breite Ablehnung, nicht nur von frankophoner Seite, sondern auch von den anderen flämischen Parteien, bemerkt etwa Gazet van Antwerpen. Im Grunde verlief der flämische Festtag ganz nach Drehbuch.
Das geplatzte N-VA-Wahlversprechen
Die N-VA steht momentan etwas unglücklich da, notiert auch Het Laatste Nieuws. Die siebte Staatsreform, das ist erstmal nichts für morgen. Hinzu kommt, dass gerade auch noch ein anderes, großes N-VA-Wahlversprechen zerplatzt ist: Die Föderalregierung will nun doch nicht mehr für 2019 ein Haushaltsgleichgewicht anpeilen. Es war N-VA-Chef Bart De Wever höchstpersönlich, der dieses Ziel am Dienstag offiziell beerdigt hat.
Die Gründe dafür mögen ja nachvollziehbar sein, meint Het Belang van Limburg. Auch namhafte Ökonomen haben nachdrücklich davor gewarnt, die Wirtschaft jetzt mit neuen, harten Sparmaßnahmen abzuwürgen. Also gut, dann akzeptieren wir jetzt mal, dass das Land nicht kaputtgespart werden soll. Bleibt aber die Frage: "Wann soll denn bitte der Schuldenberg abgebaut werden?"
Rekruten-Notstand und Tomorrowland-Screening
"Die Armee findet keine neuen Rekruten mehr", so die alarmierende Schlagzeile auf Seite eins von De Standaard, Het Nieuwsblad und La Dernière Heure. Problematisch ist demnach auch die Altersstruktur bei den Streitkräften. Jährlich gehen rund 2.000 Soldaten in den Ruhestand. "Die Suche nach neuen Kandidaten wird aber immer schwieriger", beklagt kein geringerer als Generalstabschef Marc Compernol.
"Gescreent und ausgesperrt", so derweil die Aufmachergeschichte von De Morgen. Die Polizei hat systematisch alle Leute unter die Lupe genommen, die eine Karte für das Tomorrowland-Festival gekauft hatten. Resultat: 38 von ihnen wurde der Zugang verweigert. Die exakten Gründe sind unklar. Es handelte sich wohl um bekannte Unruhestifter. Datenschützer äußerten schon harsche Kritik an der Aktion.
Und das vollkommen zu Recht, findet De Morgen. Ohne Anfangsverdacht 400.000 Festivalbesucher systematisch zu überprüfen, das mag zwar nachvollziehbar sein, vielleicht auch den einen oder anderen beruhigen - es bleibt trotzdem illegal. Eine Frage wäre zum Beispiel: Welche Kriterien hat die Polizei genau angewandt? Wir brauchen hier in jedem Fall klare Spielregeln.
Für Aufmerksamkeit sorgt schließlich noch der frühere ostbelgische Ministerpräsident und jetzige Gemeinschaftssenator Karl-Heinz Lambertz. Der übernimmt am Mittwoch den Vorsitz im Ausschuss der Regionen der Europäischen Union. Im GrenzEcho wehrt er sich gegen den Vorwurf der Ämterhäufung. Le Soir hält Lambertz seinerseits für die richtige Wahl: Lambertz sei der Aufgabe mit Sicherheit gewachsen.
Roger Pint - Bild: Thierry Roge/BELGA