De Morgen kommentiert die Ankündigung von Vizepremier und Arbeitsminister Kris Peeters, bis 2025 Vollbeschäftigung zu erreichen. Natürlich blickt Peeters nach Deutschland, wo Bundeskanzlerin Angela Merkel dasselbe Versprechen gemacht hat. Das ist natürlich auch Wahlkampf, aber ihr Optimismus ist begründet. Mit einem robusten Wachstum ist Deutschland der Motor der europäischen Wirtschaft. Und das ist ein wichtiger Unterschied.
Belgien ist in Europa keine treibende Kraft. Unser Land lässt sich höchstens auf der Wachstums-Welle mittreiben. Auch hier sinkt zwar die Arbeitslosigkeit, aber international gehören wir nicht zur Spitzengruppe. Wie auch? Der Arbeitsmarkt in diesem Land hat eine Menge Probleme. Und die Hindernisse sind auch unter einer Mitte-Rechts-Regierung scheinbar noch nicht aus dem Weg geräumt.
Der wichtigste Unterschied zu Deutschland ist der niedrige Beschäftigungsgrad in Belgien. Arbeitnehmer fallen noch immer viel zu schnell aus dem Arbeitsmarkt. Gleichzeitig gibt es eine Gruppe von niedrigqualifizierten Arbeitskräften, für die es in unserer Mehrwert-Ökonomie wenig Chancen gibt. Deutschland löste dieses Problem mit Niedriglohnjobs. Die Folge ist eine Amerikanisierung der Gesellschaft: viele Jobs, aber gleichzeitig auch ein starker Anstieg der Armut, eine verkümmerte Mittelschicht und eine ausgehöhlte soziale Sicherheit.
Was nicht ist, kann ja noch werden
Zum selben Thema meint Het Belang van Limburg: Um unsere soziale Sicherheit und die Pensionen weiterhin bezahlen zu können, ist ein hoher Beschäftigungsgrad unerlässlich. In Belgien beträgt dieser 67 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland sind es fast 80 Prozent. Um diesen Prozentsatz zu erreichen, müssten 750.000 neue Jobs geschaffen werden.
Peeters sagt nicht, wie er sein Ziel erreichen will. Mit einer weiteren Senkung der Lohnnebenkosten inklusive einer starken Unternehmenssteuer? Lässt die CD&V ihre Forderung nach einer Kapitalertragssteuer fallen? Möchte sie jetzt auch eine zeitliche Begrenzung der Arbeitslosenunterstützung? Wie will sie Arbeitslose motivieren, doch wieder einen Job anzunehmen? Und wie viele Extra-Jobs plant der Minister im Öffentlichen Dienst? Nein, konkrete Maßnahmen haben wir noch nicht gehört. Aber was nicht ist, kann ja noch werden, so Het Belang van Limburg.
Nachholbedarf in Sachen E-Mobilität
Le Soir kommentiert die Ankündigung von Volvo, ab 2019 auf den Verbrennungsmotor zu verzichten. Dazu spekuliert die Zeitung: Das hat weder etwas mit Philanthropie noch mit Umweltbewusstsein zu tun. Es ist reine industrielle Logik: Die Elektrotechnologie wird immer billiger. Die klassischen Verbrennungsmotoren werden immer teurer. Hinzu kommt: Die Normen müssen eingehalten werden. Der Preis für Elektroautos bleibt aber ein Hindernis. Doch es werden Fortschritte gemacht. Die Industrie macht ihren Job, die Politik muss das auch. Sie soll die Entwicklung begleiten, einrahmen und kontrollieren.
In Belgien ist es schwer, eine Logik zu erkennen. Klar, die Angleichung der Akzisen wird den Dieselmotor immer uninteressanter machen. Und die Umweltzonen in Brüssel und mehreren flämischen Städten geben sicherlich ein neues Signal. Aber niemand scheint sich Gedanken um die Folgen von immer mehr Elektrofahrzeugen auf den Straßen zu machen. Hinzu kommt: Die Steuerpolitik bleibt ein Mysterium. Das Dienstwagen-Statut bevorzugt immer noch Dieselfahrzeuge. Von Steuervergünstigungen für den Kauf sauberer Fahrzeuge profitieren nur die Unternehmen. In Brüssel und der Wallonie werden Hybridautos steuerlich sogar bestraft. Wenn man einen grüneren Automobilbestand haben möchte, dann muss hier dringend Ordnung geschaffen werden, fordert Le Soir.
Auch De Standaard sieht Nachholbedarf. Eine Zukunft ohne Verbrennungsmotoren ist sicherlich noch nicht für morgen. Aber dass diese Zeit kommen wird, steht außer Zweifel. Damit sollten wir am besten jetzt schon rechnen. Wenn der Verbrennungsmotor dem Tode geweiht ist, dann wäre es klug, bei dieser Entwicklung Vorreiter zu sein und nicht hinterherzuhinken. Manche Länder haben ihre Hausaufgaben schon gemacht: Ladestationen in Großstädten, Elektro-Taxis oder zum Beispiel ein ganzes Paket von Vorteilen für Elektrowagen-Fahrer.
Bis jetzt hat unser Land hier wenig Ambitionen gezeigt. Es gibt kaum Ladestationen, keine abgestimmte Vorgehensweise; und über die Anforderungen, die eine massive Elektrifizierung der Automobilität an das Stromnetz stellt, hat man kaum nachgedacht. Die Zersplitterung der Zuständigkeiten ist dabei ein typisch belgisches Handicap, weshalb wir schon mit Verspätung am Start erscheinen. Die Herausforderungen sind groß und der gesellschaftliche Mehrwert einer raschen Elektrifizierung ist es ebenso: weniger Verschmutzung, weniger Feinstaub, weniger Treibhausgase und weniger Lärm. Für den Ausbau des E-Commerce hat die Regierung schon einiges getan. Vielleicht wäre es an der Zeit, die Aufmerksamkeit auf die E-Mobilität zu richten, rät De Standaard.
Und Italien musste gucken, wo es bleibt
Gazet van Antwerpen beschäftigt sich mit der EU: Die Vorgehensweise der 28 Mitgliedsstaaten bei der Flüchtlingskrise zeigt, dass die Europäische Union ohnmächtig, gespalten und unsolidarisch ist. Das Treffen über die Hilfe für Italien bei der Aufnahme von Bootsflüchtlingen wurde zu einer Wiederholung alter Vorsätze, an die sich niemand halten muss, und mit wenig oder gar keinen konkreten Handlungen. Kann die Europäische Union das wirklich nicht besser?
Es ist unvorstellbar, wie sie eines ihrer größten Mitgliedsländer auf diese Art und Weise behandelt. Die Italiener retten tagaus tagein seit fast fünf Jahren Zehntausende Flüchtlinge aus dem Meer und nehmen sie bei sich auf. Bislang haben sie dafür kaum Hilfe von Europa bekommen. Und mit der Solidarität der anderen konnten die Italiener erst gar nicht rechnen. Jeder machte seine Grenzen dicht - und Italien musste gucken, wo es bleibt. Unterdessen haben Menschenschmuggler jahrelang ungestört Hunderttausende Menschen täuschen, ausbeuten und nach hier verfrachten können. Das muss aufhören, fordert Gazet van Antwerpen.
Volker Krings - Bild: Nicolas Materlinck/BELGA