"Für die PS geht es in diesem Sommer ums Überleben", titeln sinngemäß Le Soir und La Libre Belgique. "Zerrissen und halbiert", so die Schlagzeile von De Morgen. "Die PS kriegt keine Ordnung in ihre Reihen", schreibt De Standaard auf Seite eins.
Vor dem Hintergrund der jüngsten Skandale und Affären haben die frankophonen Sozialisten gestern einen Sonderparteitag abgehalten. An der Eau d’Heure-Talsperre, auf der Grenze zwischen den Provinzen Hennegau und Namür, sollte eigentlich eine "ethische Revolution" angestoßen werden. Zur Debatte stand ein Kumulationsverbot; konkret standen zwei Varianten zur Wahl. Entweder, man verbietet sämtliche Ämterhäufung, also nach dem Motto: Ein Politiker, ein Mandat. Oder, man unterbindet die Anhäufung von Bezügen, erlaubt aber weiterhin, dass Politiker mehrere Ämter bekleiden. Die Basis hat sich für diese zweite, schwächere Option entschieden - ganz knapp allerdings mit 52 zu 48 Prozent. Das kommt faktisch einer Spaltung gleich. Deswegen sprechen denn auch De Standaard und L'Avenir von einer "verpassten Chance".
Stirbt die PS einen langsamen Tod?
Viele Leitartikel gehen mit der Parti Socialiste hart ins Gericht. Die PS hat immer noch nichts kapiert, meint etwa La Dernière Heure. Das gilt insbesondere für die Dinosaurier, die langjährigen Mandatsträger. Die haben am Ende ein generelles Verbot der Ämterhäufung verhindert. Die kleinen Parteimitglieder, die wollten einen viel klareren Bruch mit der Vergangenheit.
Die PS war und ist todkrank, urteilt auch L'Avenir. Man wollte einen symbolischen Neuanfang. Stattdessen haben die Sozialisten ihre innere Zerrissenheit jetzt nochmal schriftlich bekommen. Und das am Sonntag beschlossene Verbot der Kumulation von Bezügen, diese Therapie wird Beileibe nicht ausreichen, um die Krankheit zu besiegen; da hätte eine Rosskur gebraucht. Die PS weigert sich nach wie vor, den Realitäten ins Auge zu sehen, und stirbt dabei einen langsamen Tod.
"Der Sozialismus stirbt nie"
Nicht so schnell!, warnt aber Le Soir. Die PS wurde schon mehrmals zum Tode verurteilt, ist dann aber doch immer wieder wie Phönix aus der Asche gestiegen. Allerdings: Diesmal sieht es zugegebenermaßen düster aus. Die Maßnahmen, die am Sonntag beschlossen wurden, sind nach dem Motto: Zu wenig, zu spät. Könnte die PS sterben? Parteichef Di Rupo will davon nichts wissen. Das allerdings könnte sich am Ende doch als historische Fehleinschätzung erweisen.
"Der Sozialismus stirbt nie", rief Di Rupo der Basis zu. Und es stimmt, meint La Libre Belgique: Eine Idee stirbt nie. Was aber nicht heißt, dass eine Partei dafür auch unsterblich sein muss. Das Schicksal der PS in Frankreich ist der beste Beweis. Kosmetische Eingriffe sorgen allenfalls dafür, dass die Einheit scheinbar gewahrt wird, in einer zutiefst zerrissenen Partei.
Beide Zeitungen, Le Soir und La Libre Belgique, stellen sich im Übrigen die Frage, ob Elio Di Rupo noch der richtige Mann am richtigen Ort ist. Wenn das Schiff zu kentern droht, dann muss sich auch der Kapitän in Frage stellen lassen.
Het Laatste Nieuws wird deutlicher: Wenn ein Chef sich an die Macht klammert, dann ist das für jede Organisation ein Problem. Und dass Di Rupo vor zweieinhalb Jahren nahtlos vom Premier wieder zum PS-Vorsitzenden wurde, das hat sich längst als historischer Fehler erwiesen.
Apropos: "Die SP.A fordert den Rücktritt von Di Rupo", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. Die flämische Schwesterpartei distanziert sich spürbar von der PS. "Schwesterpartei", das Wort möchte Joris Vandenbroucke, SP.A-Fraktionschef im flämischen Parlament, eigentlich gar nicht mehr hören. Die SP.A hat offensichtlich große Angst, von der PS mit in den Abgrund gerissen zu werden.
Auf einmal sind es "Ex-Genossen", frotzelt Het Nieuwsblad. Die SP.A macht es sich da aber ein bisschen einfach. Nicht nur, dass der Beifahrersitz der mächtigen PS bislang doch recht komfortabel war. Die SP.A hat auch ihre eigenen Skandale produziert, etwa in Hasselt oder Gent.
Grund für die Nervosität bei den flämischen Sozialisten ist auch eine Umfrage, die die Zeitung L’Echo am Samstag veröffentlicht hat. Darin wird der PS ein Absturz vorhergesagt; die Partei landet noch bei 16 Prozent. Die flämische SP.A rutscht ihrerseits unter die psychologische Schwelle von zehn Prozent.
Wirbel um "geheime Umfrage"
Über diese Umfrage ist am Wochenende leidenschaftlich gestritten worden. Finanziert wurde sie anscheinend von den frankophonen Liberalen MR. Man sprach sogar von einer "geheimen Umfrage", bemerkte Het Belang van Limburg und in der Tat: Das Ganze wirkt doch ziemlich seltsam. Eigentlich erwartete das politische Belgien in diesen Tagen das traditionelle Politbarometer von RTBF und La Libre Belgique. Das wird aber nicht kommen, angeblich aus Spargründen.
De Morgen ist davon überzeugt, dass das Politbarometer von der RTBF bewusst zurückgehalten wurde. Der Unterschied zu früheren Zeiten ist aber: Jetzt kommen die Dinge raus. Und das ist auch der Schlüssel für eine politische Erneuerung: Wir müssen den Vorhang jetzt konsequent aufziehen. "Transparenz", so lautet das Zauberwort.
Ein deutscher, belgischer Sieg
Das zweite große Event am Sonntag war natürlich das belgische Gastspiel der Tour de France. "Ostbelgien bejubelt die Tour", titelt z.B. das GrenzEcho. "Und Marcel Kittel schafft sofort den ersten Etappensieg", schreibt Het Laatste Nieuws. In Lüttich gab's ja einen Massensprint und der Deutsche Marcel Kittel war der schnellste. "Kittel beeindruckt", meint Gazet van Antwerpen. "Lüttich war gestern ein bisschen deutsch", so jedenfalls die Schlagzeile von L'Avenir. La Dernière Heure sieht einen "belgischen Touch": Kittel ist ja Teil einer belgischen Mannschaft.
Roger Pint - Bild: Nicolas Maeterlinck/BELGA