„Die MR will eine Beteiligung an allen drei Regierungen“, titelt Le Soir sinngemäß auf Seite eins. Dazu zeigt die Zeitung ein Bild von MR-Präsident Olivier Chastel. Der fordert im Interview mit der Zeitung auch den Posten des wallonischen Ministerpräsidenten für seine Partei.
Für die Zeitung scheint deshalb fast schon klar, dass die MR als große Siegerin aus der aktuellen Krise im südlichen Landesteil hervorgehen wird. Kommentierend führt Le Soir aus: CDH-Präsident Benoît Lutgen hat den frankophonen Liberalen den heiligen Gral auf dem Tablett serviert. Was für eine grandiose Rückkehr der MR auf die politische Bühne im frankophonen Landesteil. Nach Bildung der Föderalregierung mit der MR als einzige frankophone Partei hatte man sich ja gefragt, wie die MR ihr frankophones Profil gegenüber dem Wähler in der Wallonie wiederherstellen könnte. Dank Publifin und Lutgen schafft MR das jetzt wieder. Eine quasi Allmacht der Partei auf föderaler und frankophoner Ebene, ohne die PS zeichnet sich ab. Der perfekte politische Orgasmus, der Traum jedes Liberalen steht kurz bevor, konstatiert Le Soir.
Fast am Ziel, aber eben noch nicht ganz
Auch La Libre Belgique sieht eine Einigung zwischen MR und CDH unter Beteiligung von Ecolo und DéFI fast schon als gegeben und kommentiert: Damit wäre ein Ziel von Lutgen erreicht, nämlich die Sozialisten von der Macht zu verdrängen. Aber das ist ja kein politisches Ziel an sich. Deshalb muss es in einem nächsten Schritt darum gehen, konkret zu werden. Da stehen zunächst die Reformen der Politiklandschaft an: Weniger Minister, weniger Kabinettsmitglieder, Neuordnung der Provinzen, teilweise Abschaffung der Ämterhäufung und Ähnliches. Und danach muss ja auch noch Politik gemacht werden. Doch zuvor gilt es, das sich abzeichnende Bündnis tatsächlich auch zu verwirklichen und dann noch eine Sprache zu finden, wie man die neue Allianz nach Außen verkauft, notiert La Libre Belgique.
L'Avenir befasst sich mit der CDH und schreibt: Wie will Benoît Lutgen seine Politik dem Wähler erklären? Auf der einen Seite ziehen er und seine Parteifreunde eine positive Bilanz der Zeit, die sie mit der PS regiert haben. Sie müssen sie ja als erfolgreich darstellen, weil die CDH diese Zeit mitgestaltet hat. Auf der anderen Seite will die CDH bald mit der MR zusammenarbeiten. Die Politik der MR hat die CDH bislang immer scharf kritisiert. Beispiel CETA, Beispiel Tax Shift. Wie will die Partei diesen inhaltlichen Wandel erklären? Das scheint unmöglich, glaubt L'Avenir.
Schizophrene Selbstregulierung im föderalen Parlament
Im Zusammenhang mit der Neuordnung der politischen Landschaft, macht sich De Standaard Gedanken zur „Arbeitsgruppe politische Erneuerung“ des Föderalparlaments. Die Zeitung hält fest: Die Arbeit war von Anfang an eine schizophrene Angelegenheit. Da sollen sich Politiker Gedanken machen, wie sie selbst bald besser arbeiten könnten. Selbstregulierung ist immer schwer, und das Ergebnis ist meist enttäuschend. So ist es auch bei der Arbeitsgruppe. Wirkliche Reformen hat sie nicht beschlossen. Grundlegend anders wird nichts. Ein bisschen Ämterhäufung weniger, ein bisschen Verzicht auf einige Nebeneinkünfte, aber keine absoluten Verbote. Ein bisschen Fett aus dem Wust wird herausgeschnitten, aber es bleibt noch viel Fett übrig, konstatiert De Standaard.
Gleich mehrere flämische Zeitungen gehen in ihren Leitartikeln auf die Angriffe auf Polizisten in den vergangenen Tagen ein. Het Nieuwsblad fällt ein deutliches Urteil: So etwas geht gar nicht, da braucht man auch nicht nuancieren. Es gibt schlichtweg keine Entschuldigung dafür, einen Polizisten anzugreifen, der einfach nur seine Arbeit tut. Egal, was man von der Polizei hält, ob sie zu Recht oder Unrecht vor Ort ist, wie hoch die Emotionen kochen. Jeder, der einen Polizisten angreift, muss verurteilt werden, obwohl damit noch nichts gelöst ist, stellt Het Nieuwsblad fest.
Gewalt und Ramadan – ein Zusammenhang?
Het Laatste Nieuws hat eine Idee, wie die Identifizierung der Menschen, die Polizisten angreifen, besser funktionieren könnte, und schreibt: Wir brauchen mehr und bessere Überwachungskameras in den Risikovierteln. Und warum nicht auch kleine Kameras auf Brust und Rücken der Polizisten? Damit würde es einfacher, Schläger zu identifizieren, auch wenn sie, wie so oft, in Gruppen auftreten. Der Einsatz von modernster Technik wäre hier sinnvoll, meint Het Laatste Nieuws.
De Morgen schreibt: Antwerpens Bürgermeister Bart De Wever hat sich, wie jeder gute Bürgermeister, schützend vor seine Polizisten gestellt und harte Strafen für die Täter gefordert. So weit, so richtig. Doch dann hat De Wever die Gewalt mit Religion in Verbindung gebracht. Moslems seien nach Ende des Ramadans gewaltbereiter, als sonst, sagte der N-VA-Präsident. Vorige Woche noch hatten mehrere Polizisten davon gesprochen, dass es während des Ramadans mehr Gewalt gäbe. Ja, was denn jetzt? Unser Faktencheck hat gezeigt: Weder das eine noch das andere lässt sich statistisch belegen. Weder in Belgien noch in der Welt. Hier treten alte Muster der N-VA wieder auf. Dort wo es ihr passt, wettert sie gegen den Islam und gebraucht dafür auch gerne die Taktik der „alternativen Fakten“, kritisiert De Morgen.
Kai Wagner - Foto: Laurie Dieffembacq, belga