"Wer war Oussama Zeriouh, der Terrorist vom Zentralbahnhof?", fragt sich La Libre Belgique auf Seite eins. "Gehören Soldaten jetzt doch auf unsere Straßen?", fragt seinerseits De Morgen. Und Gazet van Antwerpen titelt: "Soldaten wohl noch jahrelang Teil des Straßenbilds."
Der gescheiterte Anschlag auf dem Brüsseler Zentralbahnhof am Dienstagabend ist weiter das beherrschende Thema für die Zeitungen. Dabei beschäftigen sie sich vor allem mit der Tatsache, dass der Täter den Sicherheitsdiensten bislang nicht aufgefallen war, und mit der Frage nach der Präsenz von Soldaten auf den Straßen.
An die Wurzeln des Übels
La Libre Belgique kommentiert: Der Täter hat wohl allein gehandelt und gehörte nicht zu einem Netzwerk. Das ist eine gute und eine schlechte Nachricht. Die Gute: Weitere Anschläge sind zunächst wohl nicht zu befürchten. Die Schlechte: Der Vorfall macht deutlich, dass sich hinter jeder Tür ein potenzieller Täter befinden könnte. Attentäter im Vorfeld ausfindig zu machen, wird dadurch fast unmöglich. Alle Türen kann man nicht bewachen. Außer vielleicht, indem man die personelle und materielle Ausstattung derjenigen deutlich verbessert, die bislang zu wenig Mittel im Kampf gegen den Terrorismus zu Verfügung hatten, meint La Libre Belgique.
Die Wirtschaftszeitung L'Echo spricht deutlich an, wo sie eine solche Aufstockung für sinnvoll hält und führt aus: Alle Sicherheitsmaßnahmen der Welt werden nicht ausreichen, um Einzeltäter an ihren Taten zu hindern. Vielmehr muss man jetzt an die Wurzeln des Übels gehen, und das heißt an den Extremismus dieser Menschen, der auch gar nichts mehr mit ihrer Religion zu tun hat. Für diese Arbeit braucht man Zeit, und bei ihr vermischen sich Fragen der Religion mit Elementen der Bildung, der sozialen Einbindung und der Integration. Bei dieser Arbeit stehen wir gerade erst am Anfang, stellt L'Echo fest.
Mehr Soldaten gleich mehr Sicherheit?
De Standaard meint: Der Anschlag ist nicht verhindert worden, er ist nur missglückt. Der Mann aus Molenbeek konnte problemlos in den Bahnhof gehen und dort seine stümperhaft gebaute Bombe zünden. Erst als das missglückte, lief er bewusst auf die Soldaten zu. Den Anschlag verhindern konnten diese Soldaten nicht. Trotzdem gibt es jetzt wieder heftige Diskussionen um die Präsenz von Soldaten. Sie soll gestärkt werden. Besser wäre es allerdings, Sicherheitsdienste und Anti-Radikalisierungsmaßnahmen zu stärken. Es ist schade, dass man das nicht diskutiert, sondern sich lieber in Symbolpolitik flüchtet, durch die praktisch aber nichts gelöst wird, bedauert De Standaard.
Auch De Morgen beschäftigt sich in seinem Kommentar mit der neuen Debatte um die Soldaten und fragt: Was wollen wir mit den Soldaten machen? Sollen sie jetzt dauerhaft auf den Straßen für unsere Sicherheit sorgen? Können sie das besser als sonstige Sicherheitskräfte, oder sollen wir einen Teil des Heeres in eine Art Nationalgarde umwandeln? Das sind ernste, offene Fragen, die eine sachliche Diskussion erfordern, über alle Parteistreitigkeiten hinweg, meint De Morgen.
Het Belang van Limburg rät zum Thema Soldaten: Bleiben wir vor allem ruhig. Soldaten gehören in unser Straßenbild, weil ihre Präsenz sinnvoll ist. Gleichzeitig müssen wir uns aber auch darüber klar sein, dass sie nicht alle Anschläge verhindern können. Politische Diskussionen darüber sind nichts weiter als Beschäftigungstherapie für unsere Politiker, ätzt Het Belang van Limburg.
Het Laatste Nieuws schreibt: Jetzt gehen wieder alle möglichen Diskussionen darüber los, was alles schiefgelaufen ist und was besser werden muss. Das ist sicher richtig. Aber festzuhalten ist auch: Von Panik ist kaum etwas zu spüren. Die Staatsanwaltschaft vermittelt den Eindruck, alles unter Kontrolle zu haben. Die internationale Presse spricht nicht von Brüssel als "Höllenloch", von Molenbeek als Hochburg des Islamismus in Europa usw. Vieles ist also besser geworden in den vergangenen Monaten. Dass trotzdem in unserem Land noch religiös-fanatische Extremisten rumlaufen, die sich jederzeit in eine Mordwaffe verwandeln können, ist eine Lehre des Anschlags vom Dienstagabend, schlussfolgert Het Laatste Nieuws.
Frankophone Regierungskrise und Interview mit Macron
L'Avenir schreibt zur Regierungskrise im frankophonen Landesteil: Schnell wird die Krise nicht bewältigt werden. Die Bestätigung dafür hat uns das erste Treffen zwischen den Präsidenten von CDH und MR geliefert. Bald schon Verhandlungen? Nicht zu schnell, sagte Olivier Chastel. Und das nach einem Treffen der beiden Parteien, die noch am einfachsten zusammenkommen könnten. Ihre Zusammenarbeit wäre auch nur eine Lösung für die Wallonische Region. In Brüssel und der Französischen Gemeinschaft sind noch andere Partner nötig. Der Süden des Landes kann sich schon mal auf eine länger dauernde Krise einstellen, prophezeit L'Avenir.
Le Soir hat gestern ein ausführliches Interview mit Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron geführt und kommentiert dazu: Während seine Regierung eine erste Krise durchleben musste, nahm sich Macron Zeit, anderthalb Stunden über Europa und die Weltpolitik zu reden. Kein Wort zur Innenpolitik. Das zeigt erneut: Macron will versuchen, über den Dingen zu stehen, Visionen zu leben. Damit hat er die Franzosen und auch die EU begeistert. Und selbst, wenn dieses Gehabe uns überheblich vorkommt – geben wir Macron seine Chance, so Le Soir.
KW - Foto: Dirk Waem, belga