"Stromausfall verursacht Verspätungen und Annullierungen am Brussels Airport", schreibt L'Echo auf Seite eins. "Kein Strom, keine Information", schreibt Gazet van Antwerpen. "Wieder eine Panne, wieder Chaos", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad.
Ein Stromausfall hat gestern den Flugverkehr am Brussels Airport zeitweise fast völlig zum Erliegen gebracht. Ursache war offenbar ein technisches Problem in einer Hochspannungskabine. Zwar schalteten sich die Notstromaggregate ein, aus bislang nicht bekannten Gründen war die Gepäckabfertigung aber auch danach immer noch ohne Strom. Es kam zu enormen Verzögerungen. In der Abflughalle mussten Passagiere stundenlang ausharren, an den Eingängen bildeten sich lange Warteschlangen.
Das Ganze hat etwas von einem Déjà-vu: Es ist die sechste Elektrizitätspanne innerhalb der letzten drei Jahre, notiert Het Nieuwsblad. Der Flughafen gelobt aber Besserung: "Es kommt ein Notfallplan für Stromausfälle", verspricht der Brussels Airport auf Seite eins von Het Laatste Nieuws.
Verfassungsänderung über Polizeigewahrsam gescheitert
"Ampel auf Rot für die Verlängerung der Maximaldauer des Polizeigewahrsams", so derweil die Aufmachergeschichte von La Libre Belgique. Die Kammer hat gestern über den entsprechenden Gesetzesvorschlag abgestimmt. Demnach sollte die Möglichkeit geschaffen werden, dass Verdächtige 48 Stunden lang von der Polizei festgehalten werden dürfen, bei Terrorverdacht hätte diese Frist sogar auf 72 Stunden ausgeweitet werden können. Dafür wäre eine Verfassungsänderung notwendig gewesen. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit kam gestern aber nicht zustande. "Das ist ein Gesichtsverlust für Premier Charles Michel", bemerkt dazu Het Belang van Limburg.
Das ist der Sieg einer gewissen Rechtsauffassung, meint demgegenüber La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Es ist der Sieg all derer, die den persönlichen Freiheiten und individuellen Rechten den Vorrang geben. Ein Polizeigewahrsam von 72 Stunden, davor haben selbst Anwälte und Magistrate eindringlich gewarnt. Und doch sind die Hardliner innerhalb der Regierungskoalition nicht von ihrem harten Kurs abgerückt.
L'Echo seinerseits ist sich unschlüssig. Tatsache ist: Eine Maximaldauer von 24 Stunden, das ist zu wenig. Spätestens seit dem sogenannten "Salduz-Gesetz", das jedem Verdächtigen sofortigen Rechtsbeistand garantiert, war die Zeit, die man auf das reine Verhör verwenden konnte, zu knapp bemessen. Allein die Suche nach einem Anwalt konnte schon einige Stunden dauern. Eine Verlängerung des Polizeigewahrsams auf 48 Stunden, darüber besteht denn auch allgemeine Einigkeit. 72 Stunden, das mag bei Terrorverdacht auch noch legitim sein. Allerdings besteht - zumal in Belgien - immer die Gefahr, dass die Ausnahme am Ende zur Regel wird.
Macht korrumpiert - absolute Macht korrumpiert absolut
Aber auch heute beschäftigen sich wieder viele Zeitungen mit den Skandalen bei den frankophonen Sozialisten. "Was jetzt, Elio Di Rupo?", fragt etwa De Standaard auf Seite eins. Der PS-Chef steht in der Tat unter Druck. Immer mehr Sozialisten verlangen eine große Aufräumaktion. Auch wird der Ruf nach einem Parteiausschluss von Yvan Mayeur und Pascale Peraïta immer lauter.
"Elio Di Rupo wird von der Basis zur internen Revolution gedrängt", so auch die Schlagzeile auf Seite eins von Le Soir. Tatsächlich hat sich ja innerhalb der PS eine Gruppe gegründet, die für einen resoluten Neuanfang einstehen will.
De Morgen greift die parteiinterne Unruhe auf, verbindet das aber mit einer neuen Entwicklung: "Es wurde noch mehr profitiert, und der parteiinterne Protest wird immer größer". Wie das Blatt heute berichtet, sorgten auch Posten in den Führungsgremien der Brüsseler Krankenhäuser für lukrative Nebeneinkünfte. Der Verwaltungsratsvorsitzende des Brugmann-Hospitals etwa - ein MR-Politiker übrigens - kassierte über 30.000 Euro pro Jahr. Doch fallen auch hier wieder die Namen von Yvan Mayeur und Pascale Peraïta. Erst gestern gab es Berichte über stattliche Sitzungsgelder im Führungsgremium der Brüsseler VoE, die Altenheime und Kinderkrippen mit Mahlzeiten beliefert.
Bis vor Kurzem wäre das noch ein lokales Skandälchen gewesen, das nur einige Brüsseler interessiert hätte, meint L'Avenir. Inzwischen bekommt aber jede neue Hauptstadt-Affäre gleich eine nationale Tragweite. Die PS kann es nicht mehr bei kosmetischen Korrekturen belassen; bei den Sozialisten brennt die Hütte lichterloh. Ursache ist wohl die Tatsache, dass die Partei seit Jahrzehnten quasi auf die Macht abonniert ist. Und hier gilt offensichtlich: Macht korrumpiert - absolute Macht korrumpiert absolut.
Ausmisten tut not bei den lukrativen "Mafiastrukturen"
De Morgen greift in seinem Leitartikel zu drastischen Worten und spricht von "Mafiastrukturen". In den letzten Jahren wurden konsequent städtische Zuständigkeiten in private VoE ausgelagert. Auf diese Weise entstand ein Schattenreich, das jegliche Transparenz und Kontrolle scheut. Im Herzen des Systems steht die Parti Socialiste, die die meisten Schaltstellen in diesem Netz besetzt. Diese Struktur steht jetzt kurz vor der Implosion, jetzt kann endlich ausgemistet werden. Es ist allerdings viel zu spät.
Wir brauchen ein Großreinemachen in Brüssel, fordert auch De Standaard. Das beinhaltet auch eine drastische Vereinfachung, eine Straffung der politischen Strukturen. 19 Gemeinden - alleine in der Hauptstadt gibt es 166 Bürgermeister und Schöffen. Die politische Landschaft in der Hauptstadt ist ein einziger Dschungel mit zahllosen Grauzonen, von denen die PS als die mit Abstand größte Partei am meisten profitiert. Brüssel braucht jetzt eine tiefgreifende institutionelle Neuordnung.
Plötzlich erinnert man sich wieder an die beißenden Kommentare der ausländischen Presse, die Belgien zum "failed state" stempelten, analysiert Le Soir. Hatten die Kollegen damals so sehr Unrecht? Die jüngsten Politskandale stellen Belgien jedenfalls insgesamt in ein schlechtes Licht. Botschaft an alle, insbesondere an die PS: Macht endlich wieder Politik, aber um Himmelswillen anders als bisher!
RoP - Foto: Jasper Jacobs, belga