"Entführte Sechsjährige dank Kamerabildern gefunden", titelt Gazet van Antwerpen. "Nach 20 Stunden aus Händen von Sonderling befreit", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. "Wie durch ein Wunder gerettet", so die Schlagzeile bei Het Belang van Limburg.
Viele Zeitungen berichten über das sechsjährige Mädchen, das am Sonntag in Anderlecht als vermisst gemeldet worden war. Am Montag hatte die Polizei das Mädchen unversehrt bei einem Mann gefunden. Über die Hintergründe der angeblichen Entführung weiß man bislang noch nichts.
Ihre Kommentare widmen die Zeitungen allerdings anderen Themen. Dabei stehen immer noch die Wahlen in Frankreich im Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Wirtschaftszeitung L'Echo analysiert die Wahlen in Frankreich: In einer politisch und wirtschaftlich schwierigen Situation haben sich die Franzosen dazu entschieden, ihre Zukunft in die Hände einer positiven, keiner negativen Kraft zu legen. Aber die Gunst, die Präsident Macron und seine Partei mit so überwältigendem Zuspruch an die Macht gebracht hat, wird nicht ewig währen. Macron und seine Partei haben als wichtigste Aufgabe, den Bürgern wieder Lust auf Demokratie zu machen. Denn als Lehre aus der Wahl am Sonntag ist auch die hohe Zahl der Nichtwähler festzuhalten - ein Rekord. Jeder zweite Franzose ist nicht wählen gegangen. Das relativiert den Sieg von Macron, meint L'Echo.
Bürgermandat: Ja? Nein? Nicht sicher?
Mit den Nichtwählern beschäftigt sich auch Le Soir und schreibt: Hat Macron jetzt die legitime Unterstützung des Volkes? Die Antwort lautet "Ja", wenn man die die abgegebenen Stimmen auszählt. Die Antwort ist "Nicht sicher", wenn man bedenkt, dass jeder zweite Franzose am Sonntag nichts gesagt hat. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Wahl am Sonntag eines produziert hat: nämlich Zweifel. In Belgien ist das nicht möglich, hier besteht Wahlpflicht. Darüber beklagen sich viele. Aber die Wahlpflicht hat den Vorteil, klare Botschaften zu vermitteln: Wenn eine Partei die Wahl gewinnt, hat sie sie tatsächlich gewonnen. Über die Wahlergebnisse in Belgien lässt sich nicht diskutieren, sie sind eindeutig, hält Le Soir fest.
De Standaard findet: Die traditionellen Parteien in anderen Ländern können viel lernen von dem Drama, das sich in Frankreich abgespielt hat. Die Bürger lassen sich das Geschummel und die Selbstbereicherung der Politiker nicht mehr gefallen. Sie akzeptieren nicht mehr, dass Regierungen mehr Energie in interne Streitigkeiten stecken als ins Regieren. Sobald sie eine Alternative dazu finden, wie jetzt in Frankreich, wählen sie diese. Auch, wenn das einen Sprung ins Unbekannte bedeutet. Hoffentlich laufen auch in Brüssel, Gent, Lüttich und Antwerpen Politiker herum, die das verstanden haben, so De Standaard.
Der Traum von der "Macronisierung" der belgischen Politik
La Libre Belgique spricht es dann klar aus: Auch bei uns träumen jetzt viele von einer "Macronisierung" der Politik. Der Unterschied ist nur: Bei uns denken die Politiker noch nach, wie sie den Effekt eines Macron erreichen können, Macron hingegen hat gehandelt. Das ist seine Stärke. Und auch, dass er seine neue Bewegung außerhalb der herkömmlichen politischen Strukturen geschaffen hat. Es ist sicher richtig: Die Belgier sind reif für eine Politik, die Veränderung und Zukunft bedeutet. Aber nur, wenn sie von neuen Köpfen getragen wird. Die sind bislang noch nicht in Sicht, bedauert La Libre Belgique.
Het Laatste Nieuws meint zum gleichen Thema: Vielleicht haben wir in Belgien unsere Macrons ja schon gehabt. Nämlich Bart De Wever und seine N-VA in Flandern, die auch vor elf Jahren quasi aus dem Nichts die traditionellen Parteistrukturen aufgemischt haben. In der Wallonie gilt Raoul Hedebouw als neuer Heiland - aber Gott bewahre, dass er eines Tages sein Programm umsetzen kann. Nur die PS hat noch niemandem. Und solange Laurette Onkelinx und Elio Di Rupo glauben, die Veränderung am besten selbst herbeiführen zu können, wird sich daran auch nichts ändern, ist sich Het Laatste Nieuws sicher.
In diesem Zusammenhang fragt L'Avenir: Warum weigert sich Di Rupo so beharrlich, Platz zu machen für diese Veränderung? Warum versteht er nicht, dass ein neuer Wind nur mit neuen Köpfen wehen kann? Die Bedrohung durch die marxistische PTB und das Desaster der französischen Schwesterpartei müssten doch deutliche Zeichen sein, dass es an der Zeit wäre, Platz für andere zu machen, mahnt L'Avenir.
Samusocial und Sharia4Belgium
Zu den Untersuchungen beim Brüsseler Samusocial durch die Staatsanwaltschaft schreibt De Morgen: Es ist gut, dass die Staatsanwaltschaft sich mit der Sache beschäftigt. Dabei gilt es aber, die Dinge säuberlich zu trennen: Zunächst muss die Frage der zu Unrecht gezahlten Sitzungsgelder geklärt werden. Danach geht es um die grundsätzlichen Verflechtungen zwischen dem Verein und der politischen Vetternwirtschaft in Brüssel. Der Blick muss sich dann auch auf ähnliche Strukturen der Stadt Brüssel richten. Denn Einrichtungen wie den Samusocial gibt es viele in der Hauptstadt. Und der designierte neue Bürgermeister der Stadt, Philippe Close, ist da ein zentrales Element, weiß De Morgen.
Der Gründer der mittlerweile verbotenen Islamistenorganisation Sharia4Belgium, Fouad Belkacem, hat im Gefängnis geheiratet. Gazet van Antwerpen kritisiert: Belkacem die Heirat zu ermöglichen, war aus zwei Gründen falsch: Erstens läuft gegen ihn ein Verfahren, um ihn nach Marokko abzuschieben. Eine Heirat mit einer Belgierin macht das viel schwieriger. Zweitens lehnt Belkacem unsere Gesellschaft ab. Ihre Vorzüge fordert er aber ein, empört sich Gazet van Antwerpen.
Kay Wagner - Bild: Philippe Huguen/AFP