"Gezockt und verloren", titelt Het Nieuwsblad. "Kalte Dusche für May", so die Schlagzeile von De Morgen. Und Gazet van Antwerpen schreibt auf Seite eins: "Hochrechnung: Theresa May verliert absolute Mehrheit".
Obwohl das endgültige Ergebnis der Parlamentswahl in Großbritannien noch nicht vorlag, berichten bereits mehrere flämische Zeitungen von der Schlappe der Konservativen von Premierministerin Theresa May.
Bedeutender für alle Zeitungen ist allerdings der Rücktritt von Brüssels Bürgermeister Yvan Mayeur. "Der Fall" titelt kurz und knapp Le Soir. "Erzwungener Rücktritt eines Großmauls", schreibt La Libre Belgique. Und Gazet van Antwerpen bemerkt: "Mayeur tritt nur ein bisschen zurück". Der PS-Politiker, so berichten es auch andere Blätter, will nämlich Schöffe im Brüsseler Stadtrat bleiben.
Ausnahmslos alle Zeitungen greifen die Personalie Mayeur auch in ihren Kommentaren auf. Le Soir hält fest: Die PS hat diesmal immerhin schnell reagiert. Sie hat es gewagt, eines ihrer Schwergewichte zu opfern. PS-Präsident Elio Di Rupo hat damit die Kritiker rasch zum Schweigen gebracht. Ganz anders als beim Publifin-Skandal, bei dem es Wochen gedauert hat, bis die PS angefangen hat, reinen Tisch zu machen, so Le Soir.
Nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte?
L'Avenir meint: Mayeur ist von einem Wirbelsturm weggepustet worden. Dabei hat er ganz sicher auch bezahlt für frühere Entscheidungen, die äußerst umstritten waren. Allen voran zu nennen ist hier die Brüsseler Fußgängerzone, die er ja gegen alle Kritik nach seinen Vorstellungen durchgeboxt hat, erinnert L'Avenir.
Ähnlich La Dernière Heure: Der Skandal um das Samusocial war nicht die erste schwierige Situation, vor die Mayeur in seinem Amt als Bürgermeister gestellt wurde. Vielen hat sein Stil nicht gepasst. Aber festzuhalten ist auch: Als Brüssel wegen der Terroranschläge schwierige Monate durchleben musste, hat er die Hauptstadt gut geleitet. Das wird sein Verdienst bleiben, wertet La Dernière Heure.
Die Wirtschaftszeitung L'Echo fragt: Ist es wirklich der Skandal um das Samusocial, über den Mayeur gestolpert ist? Noch ist ja gar nicht ganz klar, wie dieser Skandal eigentlich richtig aussieht. Mayeur hatte allerdings schon vorher viele Leute gestört. Es kann sein, dass er vor allem deshalb zurücktreten musste, mutmaßt L'Echo.
Die Sozialisten in Bedrängnis
La Libre Belgique blickt auf die Mayeurs Partei, die PS, und führt aus: Die PS hatte keine andere Wahl. Nachdem sie bei den Affären in Charleroi und Lüttich so lange gezögert hatte, musste sie jetzt schnell handeln. Zwei Dinge sind allerdings aus all diesen Affären festzuhalten: Erstens: Ein Teil der gewählten PS-Politiker ist nicht dafür qualifiziert, die Aufgaben auszufüllen, die ihnen übertragen werden. Zweitens: Der PS fehlt es an Visionen, um aus ihrer derzeitigen misslichen Lage herauszukommen, analysiert La Libre Belgique.
Das GrenzEcho notiert: Die PS ist schon lange keine linke Partei mehr. Viele Leute, die sich ihr angeschlossen haben, sahen in ihr die ideale Karriereleiter. Warum? Weil die PS lange Zeit ein Dauerabo an der Macht hatte. Die PS muss sich dringend neu erfinden und junge, unverbrauchte Leute ranlassen, die noch wissen, wo links ist, rät das GrenzEcho.
Auch De Morgen stellt sich die Frage: Wie tief kann die PS noch fallen? In Frankreich wollen am Sonntag nur acht Prozent die Sozialisten wählen. In den Niederlanden haben die Sozialdemokraten weniger als sechs Prozent bekommen. Auch bei uns könnten die Wähler die linksradikale Alternative bevorzugen, einfach schon aus emotionaler, politischer Wut. Was das französischsprachige Belgien braucht, ist ein belgischer Macron, jemand, der die verkalkten Strukturen der Parteien aufbricht und neuen Wind in die politische Kultur bringt, fordert De Morgen.
Het Laatste Nieuws hält fest: Yvan Mayeur ist keinen Tag zu früh als Bürgermeister von Brüssel zurückgetreten. Es hat ihm auch nicht geholfen, dass seine zarte, aber langweilige Freundin Laurette Onkelinx ihn in den Arm genommen hat und Parteichef Elio Di Rupo ihm von der Terrasse eines der besten Brüsseler Italiener zugeprostet hat. Mayeur ist politisch tot. Onkelinx und Di Rupo allerdings auch. Spätestens nach den Wahlen 2019. Allerdings haben sie das noch nicht kapiert, giftet Het Laatste Nieuws.
Es ist an der Zeit, dass sich Politiker Fragen stellen...
Het Nieuwsblad kommentiert: Mit dem Rücktritt von Mayeur ist das Problem noch nicht gelöst. Es laufen noch viele andere kleine Mayeurs herum, und das nicht nur bei der PS. Die ganzen Skandale der vergangenen Monate machen deutlich: Es ist an der Zeit, dass sich die Politiker ernsthaft fragen, was sie juristisch und moralisch verantworten können, und wo eine rote Linie gezogen werden muss, so Het Nieuwsblad.
De Standaard hat dazu schon Ideen: Die Diskussion um die Ämterhäufung ist ja bereits im Gange. Allerdings sehen wir auch, wie schwer sich verschiedene Parlamente damit tun, die Ämterhäufung abzuschaffen. Die eigentliche Schande für alle politischen Parteien ist es, wie wenig bereit sie zu sein scheinen, wirkliche Transparenz zu schaffen, empört sich De Standaard.
Kay Wagner - Bild: Laurie Dieffembacq/BELGA