"Macron, Präsident eines geteilten Frankreichs", titelt Het Belang van Limburg. "Französische Wähler retten Europa", schreibt Gazet van Antwerpen auf Seite eins. "Auf geht's, Herr Präsident!", so die Schlagzeile von De Standaard.
Der Sieg des unabhängigen Kandidaten Emmanuel Macron gegen die rechtsradikale Marine Le Pen gestern in der Stichwahl um die französische Präsidentschaft ist heute das große Thema für die Zeitungen. Für Macron stimmten rund 66 Prozent, für Le Pen 34 Prozent.
De Standaard findet das ein deutliches Ergebnis und schreibt: Der Sieg von Macron ist größer als erwartet. Die fast zwei Drittel der Stimmen für ihn sind mehr als die 60 Prozent, die ihm vorausgesagt wurden.
Anders wertet L'Avenir und verweist auf die hohe Zahl der Nichtwähler. Die Zeitung führt aus: Die niedrige Wahlbeteiligung beunruhigt. Denn obwohl der Front National in der Stichwahl war, sind weniger Franzosen wählen gegangen als noch in der ersten Runde. 2002, als es schon einmal die gleiche Konstellation in der Stichwahl gab, war das genau umgekehrt.
Das bedeutet, dass Macron und sein Projekt es nicht geschafft haben, die Wähler zu überzeugen. Auch nicht als Verteidiger republikanischer Werte, stellt L'Avenir fest.
Verloren trotz Rekordergebnis
Het Laatste Nieuws schreibt zur Verliererin Le Pen: Marine Le Pen hat zwar die Stichwahl verloren, aber sie hat doppelt so viele Stimmen wie ihr Vater vor 15 Jahren bekommen. Knapp elf Millionen Franzosen haben für sie gestimmt: Das ist nicht wenig, meint Het Laatste Nieuws.
Ähnlich sieht das La Dernière Heure und schreibt: Immerhin elf Millionen Franzosen haben ihre Stimme der Kandidatin des Front National gegeben. Das sind drei Millionen Franzosen mehr als noch vor zwei Wochen in der ersten Wahlrunde. Frankreich ist so gespalten wie noch nie, beobachtet La Dernière Heure.
Defibrillator für die Demokratie
De Morgen versucht zu beruhigen und blickt dafür in die Vergangenheit: Bei den Gemeinderatswahlen in Antwerpen 2006 bekam der Vlaams Belang 33,5 Prozent. Doch danach ist er wieder abgestürzt. Dieser Befund ist beispielhaft für das, was auch anderswo in Europa festgestellt werden kann:
In Österreich hat es der rechtsradikale Kandidat bei den Präsidentschaftswahlen nicht geschafft. In den Niederlanden konnte Geert Wilders verhindert werden. In Frankreich ist es Marine Le Pen nun genauso ergangen. In Deutschland ist der Rechtspopulismus immer wieder erloschen. Ein Nigel Farage in Großbritannien ist aus den Schlagzeilen verschwunden.
Das kurzzeitige Erstarken rechtsradikaler Kräfte scheint wie ein Defibrillator zu wirken auf die demokratischen Kräfte. Der progressive Liberale Macron ist nicht die Zukunft der Linken in Europa, aber vielleicht gerade das, was Frankreich jetzt braucht, so De Morgen.
Wie die meisten anderen Zeitungen auch sieht Het Nieuwsblad eine der dringlichsten Aufgaben von Macron darin, die verschiedenen politischen Lager miteinander zu versöhnen. Het Nieuwsblad schreibt: Bei diesem Bemühen sollten die hartgesottenen Fans von Le Pen nicht die größte Sorge von Macron sein. Die Chance ist gering, dass er sie überzeugen kann.
Vielmehr muss er sich um die verzweifelten Franzosen kümmern, um die Protestwähler. Um diejenigen, die aus Unmut über die herkömmlichen Politiker gestern Le Pen gewählt haben. Oder auch die vielen Wähler, die gestern eine ungültige Stimme abgegeben haben oder erst gar nicht zur Wahl gegangen sind, rät Het Nieuwsblad.
Nach der Präsidentschaftswahl ist vor der Parlamentswahl
Zu den großen Aufgaben, die jetzt auf Macron warten, meint La Libre Belgique: Die große Frage wird sein, ob der neue Präsident in einem Monat die nötige Mehrheit im Parlament bekommt, um seine Reformen durchzusetzen. Reformen, die Frankreich dringend nötig hat.
Es wird eine raue politische Wirklichkeit sein, die auf ihn wartet. Das Schwerste steht ihm noch bevor. Die Hoffnung, die die Franzosen jetzt in Macron stecken, ist enorm. Sollte er scheitern, droht die Enttäuschung ebenfalls enorm zu werden, warnt La Libre Belgique.
Auf die Parlamentswahlen blickt auch Le Soir und schreibt: Die Republikaner und der linke Jean-Luc Mélenchon haben schon gestern Abend einen Vorgeschmack darauf gegeben, was Macron erwarten wird. Sie wollen Frontalopposition gegen ihn machen. Das ist natürlich legitim, aber Achtung: Man sollte sich nicht im Feind und in der Strategie irren.
Die demokratischen Parteien haben jetzt die Wahl, sich entweder in einen erbitterten Kampf untereinander zu stürzen, um ihre verloren gegangenen Wähler wieder zurückzugewinnen. Oder sie können die Realität eines Präsidenten Macron akzeptieren und sich hinter ihn stellen, um den Extremisten den Wind aus den Segeln zu nehmen, meint Le Soir.
Das Grenz-Echo sieht für einen Erfolg Macrons auch Europa in der Pflicht und führt aus: Die Europäische Union sollte die Wahl zum Anlass nehmen, endlich ein sozialeres Europa auf den Weg zu bringen. Wenn die EU außer einem "Weiter so", nichts anbietet, haben die Rechtspopulisten auch in Zukunft leichtes Spiel. Dann dürften auch die nächsten Wahlen zur Zitterpartie werden, orakelt das Grenz-Echo.
kw - Bild: Olivier Morin (afp)