"Das zerrissene Frankreich", titelt Le Soir. "En Marche - Auf geht's", heißt es bei La Libre Belgique, die damit den Namen der Bewegung von Emmanuel Macron aufnimmt. "Welches Wunderkind wird Präsident?", fragt leicht spöttelnd De Morgen auf Seite eins.
Morgen wählt Frankreich seinen Präsidenten. Zur Wahl stehen ja Marine Le Pen vom rechtsradikalen Front National und der unabhängige Kandidat Emmanuel Macron. Dieser gilt als Favorit.
Die Wirtschaftszeitung L'Écho macht sich trotzdem Gedanken, was ein Sieg von Le Pen bedeuten würde und schreibt: Mit Le Pen würde eine Illusion gewinnen, nämlich die Hoffnung all derer, die glauben, dass es mit ihr besser wird. Das Gegenteil würde eintreten. Nach einem Sieg von Le Pen würden die Eliten des Landes Frankreich verlassen. Der französische Franc käme zurück, bewachte Außengrenzen, letztlich ein Europa der starken Nationen. Wozu das führt, haben wir gesehen.
Und selbst wenn dieses neue Europa die Fehler des alten nicht mehr wiederholen würde, ist dennoch klar: Diejenigen, die jetzt Veränderungen möchten, werden wieder die Verlierer des neuen Systems und auch die Totengräber derjenigen, die sie heute zu Unrecht für ihre Misere verantwortlich machen, behauptet L'Écho.
Kein großer Sieg
L'Avenir widmet sich Macron und führt aus: Sollte Macron Sonntagabend gewinnen, wird das ein bescheidener Erfolg sein. Er wird den Sieg nicht nur seinem Programm verdanken. Ganz im Gegenteil. Grund für seinen Sieg wird zum einen die Unfähigkeit der Linken sein, den Bürgern im ersten Wahlgang ein zukunftsweisendes Projekt angeboten zu haben. Zum anderen wird er gewinnen, weil viele Wähler gegen die rechtsextreme Kandidatin stimmen wollen.
Ein sehr bescheidener Sieg also, auch wegen der Ideen von Macron. Für viele sind sie nicht klar, besonders bezüglich der Beschäftigung und der Wirtschaft. Der Widerstand gegen Macron zeichnet sich schon ab, selbst unter denen, die ihn am Sonntag wählen werden, konstatiert L'Avenir.
De Standaard meint: Am Sonntag ist noch alles möglich. Aber nicht alles wahrscheinlich. Trotzdem bleibt zu bemerken, dass die Anwesenheit von Le Pen in der Stichwahl Ausdruck der großen Kluft ist, die die französische Gesellschaft spaltet. Dabei ist den Wählern von Le Pen egal, welches Programm sie vertritt und für welche Inhalte sie steht. Wichtig ist diesen Wählern, gegen die herkömmliche Politik zu stimmen.
Das trifft übrigens auch für die Wähler des linken Mélenchon zu. Wenn Macron also am Sonntag gewinnen wird, warten große Aufgaben auf ihn. Die erste wird sein, die Parlamentswahlen im Juni zu gewinnen. Zeit, um in ein Restaurant zu gehen und dort seinen Wahlsieg ausgiebig zu feiern, wird Macron nicht haben, weiß De Standaard.
Erst Peanuts, dann die Arbeit
Diese Idee führt Het Belang van Limburg weiter aus und schreibt: Sollte es Macron am Sonntag schaffen, wird der Einzug in den Élysée-Palast ihm in kurzer Zeit wie Peanuts erscheinen, im Vergleich zu den Aufgaben, die er dann bewältigen muss. Zunächst muss er die Parlamentswahlen gewinnen, mit mindestens 60 Prozent. Ansonsten wird er zum Spielball des Parlaments.
Danach muss er die Wähler von Le Pen und Mélenchon hinter sein Projekt bringen. Und außerdem muss er noch sein Programm umsetzen, mit einer Mannschaft, die wahrscheinlich kaum politische Erfahrung mitbringt, analysiert Het Belang van Limburg.
Het Nieuwsblad schreibt zu Frankreich: Ein Sieg von Le Pen wäre ein großer Skandal, aber auch ein Sieg von Macron ist nicht ohne Risiko. Denn in diesem Falle droht die Gefahr der Selbstzufriedenheit. Erleichtert werden sich die herkömmlichen politischen Führer zurücklehnen und sagen: Puh, das ist nochmal gut gegangen. So wie in den Niederlanden Geert Wilders hat es auch in Frankreich Le Pen letztlich nicht geschafft. Der Brexit wird als Einzelfall abgetan werden, Donald Trump als amerikanische Ausnahme.
So eine Reaktion wäre gefährlich. Denn die Stärke von Le Pen im Präsidentschaftswahlkampf hatte den Vorteil, dass sie die herkömmlichen politischen Eliten wachgerüttelt hat. Veränderung muss her, war das Wort der Stunde. Das wieder zu vergessen, wäre fatal, warnt Het Nieuwsblad.
Was Deutschland kann, kann Belgien auch
Gazet van Antwerpen kommentiert eine Forderung der flämischen Regierungskoalition. Sie will, dass in Belgien lebende Türken bei einem möglichen türkischen Referendum über die Todesstrafe nicht mitabstimmen dürfen. Gazet van Antwerpen schreibt: Das ist eine gute Idee. Bei uns über die Todesstrafe abzustimmen, muss verboten werden. Allerdings gibt es da noch Probleme mit den Gesetzen. Zurzeit gibt es rechtlich keine Möglichkeit, den Türken die Teilnahme am Referendum hier in Belgien zu verbieten.
Doch die N VA hat schon einen Gesetzentwurf vorbereitet, durch den politische Kampagnen aus dem Ausland in Belgien verboten werden könnten. Übrigens wollen auch Deutschland und Österreich den in ihren Ländern lebenden Türken das Abstimmen über die Todesstrafe verbieten. Was in Deutschland und Österreich möglich ist, sollte auch bei uns möglich sein, findet Gazet van Antwerpen.
KW - Foto: Pascal Pavani (afp)