"Nach fünf Jahren Schweigen endlich ein Geständnis", titeln Het Nieuwsblad und Het Belang van Limburg. "Der Doktor gesteht", schreibt Het Laatste Nieuws auf Seite eins.
Der Prozess um den Schlossmord hatte gerade erst begonnen, da gab es auch schon eine faustdicke Überraschung. André Gyselbrecht, der Schwiegervater des Mordopfers, übernimmt die volle Verantwortung. "Stijn Saelens musste sterben zum Wohle der Enkel", so fasst Het Laatste Nieuws das Geständnis zusammen. Saelens war im Januar 2012 in seinem Schloss in Wingene ermordet worden. Bislang hatte Gyselbrecht immer angegeben, dass er seinem Schwiegersohn "nur eine Lektion erteilen wollte". Gyselbrecht begründet sein Vorgehen damit, dass er Angst um seine Enkel gehabt habe, da die von ihrem Vater sexuell missbraucht worden seien. Durch das plötzliche Geständnis wird der Prozess aber auf den Kopf gestellt: "Chaos nach neuen Entwicklungen im Schlossmord-Prozess", notiert etwa Gazet van Antwerpen. Das Verfahren wurde bis auf Weiteres ausgesetzt, da einige Beteiligte jetzt erst einmal von der Polizei neu verhört werden müssen.
Die Situation des Doktor André Gyselbrecht hat sich durch dessen plötzliches Geständnis nicht wirklich verbessert, meint Het Laatste Nieuws in einer ersten Einschätzung. Zunächst einmal hat er die Ermittlungsbehörden viel zu lange hingehalten. Ob er jetzt noch mit mildernden Umständen rechnen kann, ist fraglich. Hinzu kommt: Wenn er jetzt auch zugibt, einen Mord in Auftrag gegeben zu haben, so macht das sein Vorgehen in keiner Weise akzeptabler. Es sind und bleiben Mafiamethoden, die mit der vollen Härte des Gesetzes verfolgt werden müssen.
Ein Brief aus Frankreich
Es gibt auch wieder Neues in der Kasachgate-Affäre: "Ein Brief des früheren französischen Innenministers Claude Guéant bringt Armand De Decker weiter in Bedrängnis", so die Aufmachergeschichte von De Standaard. Aus diesem Schreiben geht ganz klar hervor, dass Claude Guéant sehr genau über alle Entwicklungen im Bilde war. Zugleich wird ein eindeutiger Zusammenhang mit Armand De Decker hergestellt. Guéant soll übrigens am Mittwoch im Untersuchungsausschuss angehört werden.
Reynders verteidigt Saudi-Arabien-Votum
Außenminister Didier Reynders musste sich derweil am Dienstag im zuständigen Kammerausschuss verantworten. Im Mittelpunkt stand die Tatsache, dass Belgien die Kandidatur von Saudi-Arabien für einen Sitz in der UN-Kommission für Frauenrechte unterstützt hat. Entgegen erster Aussagen war das Kabinett des MR-Außenministers über den Vorgang durchaus im Bilde. Zwar entschuldigte sich Reynders dafür, zugleich "ging er aber zum Gegenangriff über", wie Le Soir auf seiner Titelseite hervorhebt. Seine Argumentation: Wenn Saudi-Arabien wirklich so ein "problematisches Land" ist, warum unterhalten insbesondere die Regionen immer noch so rege Handelsbeziehungen mit der Golfmonarchie? Sowohl die wallonische als auch die flämische Regierung reagierten aber verärgert auf das "Ablenkungsmanöver" des MR-Vizepremiers.
Hat wirklich jemand geglaubt, dass Reynders wegen dieser Geschichte im Parlament ins Schleudern geraten könnte?, frotzelt Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Natürlich war hier seine politische Verantwortung im Spiel. Wenn sein Kabinett über das Saudi-Arabien-Votum Bescheid wusste, dann muss das reichen, dann kann er nicht so tun, als wisse er von nichts. Allerdings: Politische Verantwortung ist hierzulande relativ. Die Vergangenheit lehrt, dass Minister in vergleichbaren Situationen in der Regel nicht zurückgetreten sind. Es ist eine rein politische Logik, die die Bürger längst nicht mehr begreifen.
L'Avenir macht eine ähnliche Analyse: Indem Reynders den Schuss auf die Regionen ablenkt, sorgt er dafür, dass die föderale Regierung nicht in Bedrängnis gerät. Und machen wir uns nichts weis: Die Frauenrechte in Saudi-Arabien sind keine Koalitionskrise wert.
Es ist das ewige Dilemma, bemerkt De Morgen: auf der einen Seite die ethischen Überzeugungen, auf der anderen Seite die raue politische Realität. Schon der deutsche Soziologe Max Weber kam vor knapp hundert Jahren zu dem Schluss, dass man als Politiker gegebenenfalls auch schon mal bereit sein muss, seine Überzeugungen über Bord zu werfen, um Fortschritte zu erzielen. Allerdings gibt es da Grenzen. Wieder auf Ebene der UN liegt jetzt der Entwurf eines Moratoriums auf dem Tisch, wonach die Todesstrafe in Bahrain ausgesetzt werden soll. Belgien unterstützt den Aufruf bislang nur bedingt. Andere EU-Staaten derweil durchaus. Warum spricht die EU nicht endlich mit einer Stimme?
Bart De Wever wärmt mal wieder seine Träume auf
In Flandern sorgt N-VA-Chef Bart De Wever wieder für Diskussionsstoff. In einem Essay skizziert er seine Vision eines Konföderalismus. Demnach würde der Föderalstaat praktisch vollends ausgehöhlt. Das Gros der Zuständigkeiten läge bei den Regionen. In De Wevers Welt sind das aber nur zwei, nämlich Flandern und die Wallonie.
Die Leitartikler sind da aber eher skeptisch: Diese Vision ist nichts für Morgen, meint etwa Het Laatste Nieuws. Und selbst Bart De Wever scheint das sehr wohl zu wissen. Insofern darf man die stille Hoffnung haben, dass der Wahlkampf 2019 nicht um die gemeinschaftspolitische Agenda drehen wird.
Bemerkenswert ist dabei aber, dass sich der Standpunkt des N-VA-Vorsitzenden nicht wirklich weiterentwickelt hat, findet Gazet van Antwerpen. Das Essay entspricht quasi eins zu eins den Thesen von 2014. Immer noch hofft De Wever darauf, dass harte Sozial- und Wirtschaftsreformen die Frankophonen irgendwann dazu bringen werden, aus freien Stücken eine neue Staatsreform einzufordern. Das allerdings ist eher ein Wunschtraum denn ein wirklicher politischer Plan.
Wir werden sehen, meint aber Het Belang van Limburg. Gewisse Entwicklungen könnten den Prozess dann doch beschleunigen. Würde etwa die PTB zur stärksten Kraft in der Wallonie, dann droht dem Land ein neues Patt. Das unfreiwillige Resultat könnte dann doch ein belgischer Konföderalismus sein.
Roger Pint - Bild: Laurie Dieffembacq (belga)