Zweites großes Thema sind die Spannungen innerhalb der frankophonen Liberalen MR nach der Kritik des MR-Politikers Armand De Decker an der Brüsseler Sprachenpartei FDF, einem Bestandteil der MR. Im Blickpunkt schließlich noch die Aufarbeitung des Mords an dem kongolesischen Politikers Patrice Lumumba und die Arbeit der Polizei.
De Wever Superstar
"Viel Lob für Bart De Wever", titeln heute fast gleichlautend Het Laatste Nieuws und Het Nieuwsblad. Der N-VA-Chef hat in seiner Rolle als sogenannter Informator seine Konsultationen im Hinblick auf die Bildung einer neuen Regierungskoalition aufgenommen. Er traf unter anderem mit Senatspräsident Armand De Decker und dem Gouverneur der Nationalbank, Guy Quaden, zusammen, die beide nach ihrer Unterredung mit De Wever dessen Qualitäten und Herangehensweise hervorhoben.
In Flandern ist Bart De Wever inzwischen längst zum Star avanciert.
Het Laatste Nieuws bringt eine lupenreine Homestory über den Wahlgewinner vom 13. Juni. Er ist die Nüchternheit in Person, schreibt das Blatt. De Wever wohnt in einem einfachen Reihenhaus, die Einrichtung ist schlicht und funktionell, die Einkäufe macht die Familie in günstigen Supermärkten, und am liebsten isst er Fritten mit Mayonnaise in der Frittenbude um die Ecke. Doch ist das Haus in Berchem bei Antwerpen zu klein geworden für die sechsköpfige Familie, notiert dazu Gazet van Antwerpen. Deshalb hat sich das Blatt auch schon einmal für De Wever auf die Suche nach einer Alternative gemacht.
Optimismus herrscht vor - BHV schon gespalten?
Kein Zweifel, Bart De Wever surft derzeit auf einer Welle der Sympathie, meint dazu De Morgen in seinem Kommentar. Auch die Frankophonen scheinen bereit für eine neue Staatsreform, Optimismus herrscht vor. Doch darf man dafür nicht in Euphorie verfallen. Nach wie vor gibt es große inhaltliche Unterschiede zwischen den Parteien, sowohl auf institutioneller als auch auf sozio-ökonomischer Ebene. Und innerhalb der N-VA gibt es immer noch eine Reihe von Leuten, die genetisch nicht dazu imstande sind, einen Kompromiss mit &PS-Parteichef Elio Di Rupo einzugehen.
Für Het Laatste Nieuws ist indes deutlich, dass De Wever und Di Rupo die Gunst der Stunde nutzen wollen, um einen Durchbruch zu erzielen. Sie sind objektive Verbündete. Der eine will Premier werden, der andere will lang gehegte flämische Forderungen endlich durchboxen. BHV ist wohl schon gespalten - ansonsten hätte De Wever seine Aufgabe nie angenommen.
Die frankophone Zeitung La Dernière Heure wundert sich über den plötzlichen Imagewandel von Bart De Wever. Man könnte fast schon meinen, die Frankophonen könnten De Wever morgen den Ehrentitel des Staatsministers antragen. Offensichtlich wollen die frankophonen Parteien ihre öffentliche Meinung schon einmal auf eine tief greifende Staatsreform einstimmen.
Doch dafür bedarf es ja zunächst einer Koalition. Und angesichts der politischen Kräfteverhältnisse nach dem 13. Juni könnte sich das als schwierig erweisen, analysiert Het Nieuwsblad. Abgesehen von den beiden Wahlgewinnern N-VA und PS lecken alle anderen ihre Wunden. In den meisten Parteien herrscht Unruhe als Folge der Wahl, es wird schwer werden, stabile Partner zu finden.
Spannungen bei der MR
Auf die liberale MR trifft diese Feststellung voll zu. Der Senatsvorsitzende und MR-Politiker Armand De Decker hatte gestern durchblicken lassen, dass die Liberalen notfalls gegen den Willen der FDF einer Staatsreform zustimmen würden. Die Rolle der FDF mit ihren drei Sitzen in der Kammer werde überbewertet, sagte De Decker. In der Brüsseler Zeitung Le Soir geht FDF-Chef Olivier Maingain heute zum Gegenangriff über. De Decker biedere sich den Flamen an, und das sei ein denkbar unglückliches Signal, wird Maingain zitiert.
Für die meisten Leitartikler handelt es sich hier um mehr als nur einen simplen Streit unter Freunden. Die Lage der MR ist durchaus beunruhigend, meint etwa La Libre Belgique. Die Partei selbst weiß nicht mehr, wofür sie letztlich steht, zugleich werden die Risse zwischen den einzelnen Bestandteilen immer offensichtlicher. L'Echo denkt schon einen Schritt weiter: Die FDF weiß, dass sie auch alleine überleben kann. Nicht umsonst will sie ihren Aktionsradius auf die gesamte Wallonie ausweiten und, wenn es institutionell hart auf hart kommt, könnte die FDF sogar - fast schon nach dem Vorbild der N-VA - abheben.
Für Le Soir trägt allen voran MR-Chef Didier Reynders die Verantwortung für das Chaos in seiner Partei. Die MR hat sich in den letzten Jahren immer vor einer gnadenlosen Manöverkritik gedrückt. Und wer konsequent den Deckel auf einem siedenden Kessel hält, der muss sich nicht wundern, wenn es am Ende doch überkocht. Auf Reynders Nachfolger im Amt des MR-Chefs warten große Herausforderungen.
49 Jahre danach - Aufarbeitung eines Mordes
De Standaard und Le Soir bringen heute die Meldung, wonach die drei Söhne des ermordeten kongolesischen Politikers Patrice Lumumba zehn Belgier wegen Mittäterschaft verklagen wollen. Lumumba, der erste Premier des unabhängigen Kongo, war 1961 entführt, gefoltert und getötet worden. 2002 hat sich Belgien wegen seiner Rolle in der Tragödie bereits entschuldigt. Die Namen der zwölf Belgier, die die Hinterbliebenen von Lumumba jetzt vor Gericht zitieren wollen, sind noch nicht bekannt.
Mehr Kontrollen im Straßenverkehr
L'avenir schließlich bringt auf seiner Titelseite eine beeindruckende Zahl. Demnach sind im vergangenen Jahr knapp 750.000 Strafzettel allein wegen überhöhter Geschwindigkeit im Straßenverkehr ausgestellt worden. Das sind 200.000 mehr als noch 2008. Die Zahl der bei Verkehrsunfällen getöteten Menschen hat sich demgegenüber aber kaum verändert, notiert L'avenir.
Bild: belga