"Großflächige Evakuierung wegen Giftwolke", titelt Het Nieuwsblad. "Zwei Dörfer geräumt, wegen Salpetersäureleck", so die Schlagzeile auf Seite eins von Het Laatste Nieuws.
In Westflandern hat sich am Freitag ein spektakulärer Chemieunfall ereignet. Auf einem landwirtschaftlichen Betrieb in Zevekote in der Nähe von Middelkerke war aus einem Tank Salpetersäure ausgetreten. Wenn der Stoff mit der Luft in Berührung kommt, verwandelt er sich in ein Gas.
"Und plötzlich färbte sich der Himmel giftgelb", sagen Augenzeugen in Het Nieuwsblad und Gazet van Antwerpen. "Eine solche Wolke ist tödlich giftig", bemerkt ein Experte.
Zunächst mussten die Bewohner von Zevekote ihre Häuser verlassen; später am Abend wurde auch das Nachbardorf Sint-Pieters-Kapelle geräumt. Insgesamt 900 Menschen verbrachten ein Teil der Nacht in einer eiligst eingerichteten Notunterkunft in Gistel. Bei dem Vorfall wurde aber niemand ernsthaft verletzt.
Türkische Spionage auch in Belgien?
Im Mittelpunkt vieler Schlagzeilen steht heute aber auch die Türkei. "Türkische Imame haben in Belgien spioniert", schreibt etwa Le Soir auf Seite eins. Die Zeitung hat Dokumente einsehen können, aus denen offenbar hervorgeht, dass die Regierung in Ankara türkische Geistliche dazu angehalten hat, mutmaßliche Anhänger der Gülen-Bewegung zu überwachen.
Vergleichbare Aktionen gab es offenbar auch noch in knapp 40 weiteren Ländern. Präsident Erdogan beschuldigt den Prediger Fethullah Gülen, hinter dem Putschversuch von Juli 2016 zu stecken.
Möglicherweise besteht da einen Zusammenhang mit der Aufmachergeschichte von Het Laatste Nieuws: "Die Türkei betrachtet die Katholische Universität Löwen als 'Terror-Uni', schreibt das Blatt.
Demnach wollen die türkischen Behörden keine Diplome mehr anerkennen, die von der KU Löwen ausgestellt wurden. Hintergrund sind anscheinend Beziehungen zwischen einem Institut der Lehranstalt und einer Organisation, die der Gülen-Bewegung zugeordnet wird.
Das alles bettet sich ja ein in das derzeit laufende Verfassungsreferendum, bei dem es um eine erhebliche Ausweitung der Machtbefugnisse des türkischen Präsidenten geht. Eigentlich findet die Volksbefragung erst am 16. April statt, die Auslandstürken haben aber jetzt schon die Möglichkeit, ihre Stimme abzugeben. Entsprechend groß sind die Spannungen innerhalb der türkischen Gemeinschaft in Belgien.
"Die belgischen Türken sind gespalten in Bezug auf Erdogan", analysiert etwa La Libre Belgique. Vorgestern Abend war es vor dem türkischen Generalkonsulat in Brüssel sogar zu schweren Zusammenstößen gekommen zwischen Anhängern und Gegnern des türkischen Präsidenten. Dabei hatte eine 69-jährige Frau schwere Stichverletzungen erhalten.
Het Laatste Nieuws hat mit der Frau gesprochen: Sie ist Kurdin und beklagt die anhaltende Gewalt gegen Mitglieder ihrer Volksgruppe.
Das "Problem Türkei"
Het Nieuwsblad bringt seinerseits ein Interview mit zwei führenden Vertretern der Gülen-Bewegung. Deren Urteil: "Die Integration der Türken in Belgien ist gescheitert; der türkische Präsident Erdogan kann die belgischen Türken mit einem Fingerschnippen aufheizen".
Wir haben ein Problem, meint Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Und dieses Problem heißt: Türkei. In jedem Fall geben die Ereignisse und Entwicklungen der letzten Tage und Wochen zu denken.
Besorgniserregender noch als die Vorfälle vor dem Brüsseler Generalkonsulat ist die Tatsache, dass die verbalen Entgleisungen des türkischen Präsidenten von den Belgo-Türken nicht wirklich verurteilt werden. Türkischer Nationalismus, übergossen mit religiöser Sauce à la Erdogan, das ist ein gefährlicher Cocktail.
Es herrscht eine grimmige Atmosphäre, meint sinngemäß auch Gazet van Antwerpen. Türken und Kurden beschuldigen sich gegenseitig der Provokation. Die Forderung von Premierminister Michel, den Konflikt nicht nach Belgien zu importieren, ist nicht mehr als ein frommer Wunsch. Bleibt zu hoffen, dass nach dem 16. April wieder Ruhe einkehrt.
EU-Gelder für Rechtsextremisten
"Wie Europa seine Totengräber subventioniert", schreibt derweil De Standaard. Auf der Titelseite sieht man übrigens einen Skinhead, einen Neonazi mit Glatze, der unter anderem ein Hakenkreuz und die SS-Runen auf seinem Hinterkopf tätowiert hat...
Laut De Standaard ist es anscheinend relativ einfach, als rechtsradikaler Verein finanziell unterstützt zu werden. Rechtsextreme Vereinigungen und Parteien bekommen jedenfalls jährlich Millionen Euro von der EU. Als Beispiele nennt das Blatt den französischen FN oder die griechische Neonazi-Partei Goldene Morgenröte.
"Ich kann nicht länger akzeptieren, dass europäische Steuergelder solchen Bewegungen zugutekommen", sagt Manfred Weber, der Fraktionschef der europäischen Volkspartei EVP in De Standaard.
L'Écho beschäftigt sich in seinem Leitartikel mit dem Plan zur wirtschaftlichen Wiederbelebung von Charleroi, den die Wallonische Regierung Freitag vorgelegt hat. Die Region konnte das Werksgelände des US-Baumaschinenherstellers Caterpillar für einen symbolischen Euro erwerben. Dort sollen jetzt mittelfristig 10.000 neue Arbeitsplätze entstehen, so steht es jedenfalls in dem CatCh-Plan.
Das Ganze erinnert allerdings mehr an Wunschdenken, meint L'Écho in seinem Kommentar. Die Pläne für das Caterpillar-Gelände drehen um Schlagworte wie Digitalisierung oder Industrie 4.0. Schön und gut, aber dafür braucht man Leute mit dem entsprechenden Profil. Im Raum Charleroi gibt es allerdings nach wie vor viel zu viele nicht oder kaum qualifizierte Arbeitskräfte, die eigentlich für die "alte Industrie" geeignet gewesen wären.
"Ronde van Vlaanderen" und "Castibi"
Viele Zeitungen freuen sich schon auf die Flandern-Rundfahrt. Der Radklassiker findet am Sonntag statt, Startschuss ist in Antwerpen. "Wer gewinnt?", fragt sich Het Belang van Limburg. Philippe Gilbert? Greg Van Avermaet? Peter Sagan? Oder doch Tom Boonen?
Für Boonen ist es ja die letzte "Ronde van Vlaanderen". "Ich gehe an den Start, um zu gewinnen", sagt Boonen auf Seite eins von Le Soir. "Alle würden Boonen jedenfalls den Sieg gönnen", notiert Het Nieuwsblad.
Kleine Klammer schließlich noch: Einige Zeitungen haben heute ihre Leser natürlich in den April geschickt. Zwei nette Geschichten:
L'Écho "berichtet", dass die kommunistische PTB den Fußballklub Standard Lüttich aufkaufen will. Für alle Mitarbeiter, auch die Spieler, gilt dann die 30-Stundenwoche.
La Dernière Heure "berichtet", dass der flämische Milliardär Marc Coucke jetzt auch den Freizeitpark Walibi übernehmen will. Als Hommage an die Biberfamilie, die aus Sicherheitsgründen aus dem Park entfernt werden sollte, werde Walibi aber umbenannt. Biber heißt auf Französisch Castor, deswegen "Castibi".
rop - Bild: Oliver Berg (dpa)