"Die türkische Gewalt erreicht Brüssel", schreibt De Standaard auf Seite eins. "Der türkische Konflikt schwappt nach Belgien über", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. "Spannungen unter Türken eskalieren", notiert Het Belang van Limburg auf seiner Titelseite.
Vor dem türkischen Generalkonsulat in Brüssel ist es gestern zu schweren Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan gekommen. "Türken lassen die Fäuste sprechen vor der Botschaft in Brüssel", so resümiert es Het Laatste Nieuws. Dabei kamen aber nicht nur Fäuste, sondern auch Messer zum Einsatz. "Zwei Erdoğan-Gegner wurden niedergestochen", berichtet Het Belang van Limburg. Hintergrund ist wohl das Verfassungsreferendum, bei dem es im Wesentlichen um eine Ausweitung der Machtbefugnisse des türkischen Präsidenten geht. Die Auslandstürken dürfen schon ihre Stimme abgeben. Das eigentliche Referendum in der Türkei findet aber erst am 16. April statt. De Morgen bringt die Situation auf den Punkt: "Erdoğan spukt durch Brüssel".
Erdoğan muss nicht mal persönlich nach Brüssel kommen, um hierzulande die Gemüter zu erhitzen, meint Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Für viele Mitbürger ist Innenpolitik offensichtlich immer noch gleichbedeutend mit türkischer Innenpolitik. Dass Einwanderer, selbst der zweiten oder dritten Generation, noch eine emotionale Bindung zu ihrer Heimat haben, ist durchaus gesund. Ungesund wird es, wenn es keinerlei Beziehung zum Gastland gibt.
Schächt-Verbot: Liberale Stimmen stärken
Für Diskussionsstoff sorgt in Flandern auch nach wie vor das von der Regierung Bourgeois verhängte Verbot von Schlachtungen ohne Betäubung. Die islamische und auch die jüdische Gemeinschaft lehnen die Maßnahme kategorisch ab. Das ist schade, mehr aber auch nicht, meint De Morgen in seinem Kommentar. Die flämische Regierung lässt sich von der Kritik nicht beirren. Und das ist auch gut so. Es gibt keinen vernünftigen Grund, um am sogenannten Schächten festzuhalten.
Dass Religionsgemeinschaften sich da prinzipiell jeder Diskussion verschließen, ist bedauerlich. Dabei muss man festhalten: Es gibt durchaus auch innerhalb dieser Religionsgemeinschaften Menschen, die das Verbot nachvollziehen können. Diese liberalen Stimmen müssen gestärkt werden. Wer die Tür zum Fortschritt verschließt, der hat nicht das Zusammenleben vor Augen, sondern Stillstand und Polarisierung.
De Wevers Pressekonferenz: Prototyp post-faktischer Politik?
In der Kammer gab es gestern unterdessen ein Nachspiel zu der umstrittenen Pressekonferenz der Antwerpener Behörden nach dem vermeintlichen Anschlagsversuch in der vergangenen Woche. Bürgermeister Bart De Wever und sein Polizeichef Serge Muyters hatten über den Vorfall kommuniziert, obgleich die Faktenlage noch nicht geklärt war und die föderale Staatsanwaltschaft offenbar nachdrücklich davon abgeraten hatte. Die diesbezügliche Kritik der Opposition wies Innenminister Jan Jambon, Parteikollege von De Wever, in der Kammer aber zurück.
Wie man's macht, man macht's falsch, bemerkt dazu Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel. Der eine mag in besagter Pressekonferenz die Absicht von De Wever erkennen, sich zu profilieren. Ihm und seinem Polizeichef kann man dabei aber nicht vorwerfen, sicherheitsrelevante Details preisgegeben zu haben. Hätte er nicht kommuniziert, dann hätte man dem Bürgermeister wohl vorgeworfen, seine Bürger im Unklaren gelassen zu haben.
De Standaard hingegen bleibt bei seiner Kritik an dem Vorgehen der Antwerpener Behörden. In der Scheldestadt haben wohl alle einen Moment lang den Kopf verloren, die Verantwortlichen und ganz nebenbei auch die Medien. Klar gibt es da mildernde Umstände, schließlich gab es nur einen Tag den Anschlag in London. Nichtsdestotrotz verfolgte insbesondere Bart De Wever durchaus eine politische Agenda, etwa, als er die Präsenz der Soldaten auf den Straßen hervorhob. Und durch all die Spekulationen und Suggestionen im Zusammenhang mit dem Vorfall entstand am Ende der Prototyp von post-faktischer Politik.
Publifin und Paasch
Einige frankophone Zeitungen beschäftigen sich weiter mit der Publifin-Affäre. Publifin und auch die Tochtergesellschaft Nethys haben seit gestern jeweils einen neuen Verwaltungsrat. Und "in beiden Gremien ist André Gilles nicht mehr der Vorsitzende", schreibt L'Avenir auf Seite eins.
Le Soir kommt auf die gestrige Sitzung im Untersuchungsausschuss zurück. Dort wurden der ehemalige Ecolo-Minister Jean-Marc Nollet und der amtierende PS-Minister Jean-Claude Marcourt angehört. "Nollet greift an, Marcourt pariert souverän", so fasst Le Soir den Tag zusammen. Tatsächlich hatte Nollet zumindest suggeriert, dass Marcourt innerhalb der wallonischen Regierung mitunter fast schon als "Lobbyist" für Nethys-Chef Stéphane Moreau wahrgenommen werden konnte. Marcourt räumte bereitwillig ein, dass er von den Plänen Moreaus durchaus überzeugt war.
Schön und gut, meint Le Soir in seinem Leitartikel, eines muss man Marcourt aber trotzdem vorwerfen: Er hat die Lütticher einfach gewähren lassen, ohne jemals zu murren.
Le Soir bringt schließlich heute noch ein Foto des ostbelgischen Ministerpräsidenten Oliver Paasch. Die Brüsseler Zeitung ist ausdrücklich bemüht, von "Ostbelgien" zu sprechen, und nicht von der "Deutschsprachigen Gemeinschaft". Auf besagtem Foto ist eine Begegnung zwischen Paasch und einer bekannten dänischen Seriendarstellerin zu sehen. Paasch gefällt der Anblick offensichtlich, jedenfalls schreibt Le Soir im Bildtext: "Paasch scheint sehr angetan von der Schauspielerin".
Roger Pint - Foto: Hendrik Devriendt/BELGA