"Wie der 22. März unser Leben verändert hat", titelt Le Soir. "Wie die Terroranschläge Belgien verändert haben", schreibt fast gleichlautend La Libre Belgique auf Seite eins. De Standaard zitiert ein Opfer von Zaventem: "Ich habe jeden Tag Schmerzen".
Kurz vor dem Jahrestag der Brüsseler Anschläge befassen sich die Zeitungen ausführlich mit den tragischen Ereignissen und ihren Folgen. L'Echo lässt die Rettungskräfte zu Wort kommen. Eine Krankenschwester des Militärhospitals von Neder-Over-Heembeek erinnert sich: "Mein erster Patient war ein elfjähriger Junge." Und: "Bereits um kurz nach acht, wenige Minuten nach den Anschlägen, trafen die ersten Verletzten ein – per Taxi."
De Standaard berichtet über die schwierige Situation vieler Opfer ein Jahr nach den Anschlägen. Eine damals am Brussels Airport Schwerverletzte erzählt: "Ich kann immer noch nicht sagen, dass ich froh bin, überlebt zu haben." Die Frau hat insgesamt elf Monate im Krankenhaus gelegen und befindet sich jetzt in der Reha. Sie hatte schwerste Verbrennungen. Ihre Beine und ihr Bauch sind noch immer voller Metallsplitter.
Die Zeitung vergleicht die Verletzungen mit denen eines Kriegsopfers. Die Frau leidet unter ständigen Schmerzen, kann sich nicht selbstständig bewegen und benötigt rund um die Uhr eine Betreuung. Und das Schlimmste, sagt sie: "Die Ärzte können nicht abschätzen, ob ich jemals wieder in der Lage sein werde, zu laufen."
Wann handelt die Politik endlich?
In seinem Leitartikel befasst sich De Standaard mit dem Vorwurf von Opfern und Angehörigen, im Stich gelassen worden zu sein. Ihre Kritik richtet sich vor allem gegen die Versicherungsgesellschaften, weil sie Entschädigungszahlungen verzögern, und gegen den Staat wegen zu viel Bürokratie.
Die Zeitung ist wütend: Mehr als zehn Jahre nach dem schweren Gasunglück von Ghislenghien sind wir keinen Schritt vorangekommen. Noch immer gibt es keine zentrale Ansprechstelle für Katastrophenopfer in Belgien. Wann handelt die Politik endlich?
La Libre Belgique und Le Soir kommen auf die Folgen der Anschläge zurück: Ein Jahr danach haben wir das Trauma überwunden, die Angst ist aber noch da. Das Leben geht inzwischen wieder einen fast normalen Gang, allerdings hat sich die Umwelt grundlegend verändert: Die Föderalregierung hat unzählige neue Sicherheitsmaßnahmen verabschiedet, die Unbeschwertheit des Alltags ist verschwunden.
"Wir leben zwar noch wie früher, denken aber ganz anders", fasst es ein Soziologe der Universität Brüssel in Le Soir zusammen.
Es gibt auch Licht am Ende des Tunnels
L'Echo meint: An jenem Morgen haben die mörderischen Pläne einiger blinder, von Barbarei berauschten Fanatiker 32 unschuldige Menschenleben gefordert. Brüssel reihte sich ein in die Liste von Städten, die vom islamistischen Terrorismus heimgesucht wurden. Ein Jahr später ist die westliche Gesellschaft gespaltener als je zuvor.
Einerseits zieht der gewalttätige Dschihadismus weiter junge Muslime in seinen Bann. Und auf der anderen Seite werden die Extremisten immer stärker: Brexit, Trump, Le Pen und Erdoğan, der sich inzwischen nicht mehr nur für den Sultan, sondern sogar für den Kalifen, also für den Stellvertreter Gottes, hält.
Aber es gibt auch Licht am Ende des Tunnels, meint die Zeitung: Wilders hat die Wahl in den Niederlanden nicht gewonnen, die Politik versucht, aus ihren finanzpolitischen Skandalen à la Publifin zu lernen und gegenzusteuern. Es ist nicht alles schwarz und schlecht, das Leben geht weiter. Und Brüssel ist so anziehend wie eh und je für die Menschen, die hier leben, arbeiten und Urlaub machen.
Jambon: "Schmerzen und Unannehmlichkeiten unvermeidlich"
De Morgen macht mit einem Interview von Innenminister Jan Jambon auf: Auf die Frage, ob die Brüsseler Anschläge hätten verhindert werden können, antwortet der N-VA-Politiker: "Im Nachhinein ist es immer einfach, das zu behaupten. Wie bei einem Film, von dem man das Ende schon kennt." Die Polizei habe keine groben Fehler begangen.
Zur Problem-Gemeinde Molenbeek meint Jambon: "Es gab unzählige Wohnungsüberprüfungen, Vereine wurden unter die Lupe genommen und Drogenlabore ausgehoben." Es habe sich viel zum Besseren gewendet. "Es reicht aber nicht, wenn die Polizei Türen eintritt. Die Herausforderung ist, die Herzen der jungen Muslime zurückzugewinnen."
Die müssten aber auch einsehen, "dass wir das Krebsgeschwür Dschihad ausmerzen müssen", so Jambon in der Zeitung. Dabei sind Schmerzen und Unannehmlichkeiten unvermeidlich.
Ein Jahr nach den Anschlägen hält der Innenminister Belgien für ein sichereres Land, kann aber Terrorakte nicht grundsätzlich ausschließen. Syrien-Rückkehrer und radikalisierte Einzeltäter bereiteten ihm Sorgen. Für Jambon können und müssen die Teilstaaten im Bereich Prävention mehr tun.
akn - Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)