"Der Blick hinter die Wahlergebnisse", titelt La Libre Belgique. "Ist der Populismus in den Niederlanden besiegt worden?", fragt Le Soir. "Die falsche Sicherheit der holländischen Deiche", bemerkt Het Nieuwsblad.
Zwei Tage nach der Parlamentswahl in den Niederlanden beschäftigen sich die Zeitungen weiter mit den Ergebnissen. Nach der ersten Erleichterung über das schwache Abschneiden des Rechtspopulisten Geert Wilders fällt die Nachbetrachtung heute nuancierter aus.
Het Nieuwsblad warnt vor einer Überbewertung der Niederlande-Wahl: Genau wie die Schwarzmalerei vor einer Woche ist jetzt Euphorie fehl am Platz. Mit dem bescheidenen Ergebnis von Geert Wilders wurde der populistischen Hydra zwar ein Kopf abgeschlagen, die Gefahr für Europa ist aber noch lange nicht gebannt. Denn genau wie in der griechischen Mythologie können dem Ungeheuer neue Köpfe nachwachsen – Stichwort Frankreich.
Genauso sieht es De Standaard: Die Partie ist noch lange nicht gewonnen. Weder ist Marine Le Pen Geert Wilders noch Frankreich die Niederlande. Die politische und wirtschaftliche Lage der beiden Länder kann man nicht vergleichen: Frankreich steckt in finanziellen Schwierigkeiten.
Außerdem ist durch die Terroranschläge ein Nährboden für das radikale Gedankengut des Front National entstanden. Und: Le Pens größter Konkurrent, der Konservative François Fillon, ist in einen Skandal verwickelt, der ihn von Tag zu Tag weiter schwächt.
Für Europas traditionelle Parteien ist Wilders' unerwartet geringer Popularitätszuwachs erfreulich. Daraus aber zu viel zu schließen, wäre ein großer Fehler. Het Belang van Limburg schlägt in dieselbe Kerbe: Zu glauben, der niederländische Damm habe den Populismus in Europa aufgehalten, ist übereilt. Erst nach der Präsidentschaftswahl in Frankreich wird Klarheit herrschen.
Die Demokratie ist dem Populismus nicht schutzlos ausgeliefert
Gazet van Antwerpen gibt zu bedenken: Geert Wilders hat die Wahl zwar nicht gewonnen, er ist aber auch nicht untergegangen. Seine Partei ist die zweitstärkste der Niederlande. Wilders' Schatten wird über jeder neuen Regierung hängen. Der Populismus wurde noch lange nicht besiegt, die Wahlen haben aber gezeigt, dass man ihm nicht schutzlos ausgeliefert ist. Und das ist sehr erfreulich, urteilt das Blatt.
Ähnlich sieht es L'Avenir: Wahlsiege von Populisten sind kein Naturgesetz. Wie schon die Wahl des österreichischen Bundespräsidenten Alexander van der Bellen nach dem Brexit- und Trump-Schock bewiesen hat. Wenn sich Bürger für die Demokratie engagieren und das Feld nicht den Wut- und Protestparteien überlassen, gibt es Hoffnung.
An dieser Stelle hakt Le Soir ein: Die traditionellen Parteien müssen den Menschen glaubhafte Zukunftsperspektiven bieten. Sie müssen die Bürger einbinden und an großen Zukunftsprojekten arbeiten, ansonsten droht die Demokratie von politischem Geklüngel und "Publifinereien" in den Abgrund gerissen zu werden.
Belgien hat bei der Verkehrspolitik und der Energiewende versagt. Da muss die Politik dringend nachhaltige Lösungen liefern.
Grüner Shootingstar Jesse "we can"
Het Belang van Limburg setzt sich mit der schwierigen Regierungsbildung bei unseren nördlichen Nachbarn auseinander: 13 Parteien ziehen in die Zweite Kammer ein – die politische Landschaft in den Niederlanden ist also besonders zersplittert; für eine Koalition sind mindestens vier Parteien nötig.
Die Zeitung schaut aber auch auf Groen Links, die Partei mit dem größten Stimmenzuwachs, der es gelungen ist, ihre Sitzzahl im Parlament mehr als zu verdreifachen. Zu verdanken ist der Erfolg auch dem Shootingstar der Grünen, dem gerade mal 30-jährigen Jesse Klaver. Seine Anhänger nennen ihn – in Anspielung auf den Optimismus von Barack Obama – nur noch "Jesse 'we can'".
Ein Holländer, mit dem sogar Belgier in den Urlaub fahren würden
L'Echo blickt auf den großen Wahlsieger in Den Haag, den scheidenden und aller Voraussicht nach auch künftigen Premierminister Mark Rutte. Er hat gewonnen, obwohl er verloren hat. Seine VVD hat acht Sitze im Parlament eingebüßt, bleibt aber mit Abstand stärkste Kraft.
Der Widerstand der niederländischen Liberalen ist begrüßenswert, denn er erlaubt es der vom Aufstieg der Populisten gelähmten EU, durchzuatmen, findet die Zeitung.
Het Laatste Nieuws schließlich bringt ein Porträt von Mark Rutte. Schon seine Familiengeschichte ist ungewöhnlich: Als er geboren wurde, war sein Vater stolze 58, der Altersabstand zu seiner ältesten Schwester beträgt ganze 35 Jahre.
Seine Kritiker werfen Rutte vor, ein langweiliger Schreibtischpolitiker und ewiger Junggeselle zu sein. Seine Anhänger finden aber: Er ist einer, der sich durchsetzen kann, eine Rampensau und stets gut gelaunt.
Fazit der Zeitung: Auch wenn Belgier normalerweise wohl nicht freiwillig mit Holländern in den Urlaub fahren würden – für Mark Rutte würden sie bestimmt eine Ausnahme machen.
akn - Bild: John Thijs (belga)
Abgesehen von einer Dereglementierung, die beinahe Rimbaud'sche ("Dérèglement des sens") Züge aufweist, und vor allem Negatives hervorgebracht hat, hat die EU mindestens 25 Jahre gehabt (Maastricht) um positiv zu überzeugen. 2017 bleibt von dieser Überzeugung nichts. Weg mit der EU, auf zu einem wirklich vereinten Europa. Für die Europäer!