"Rutte stoppt Wilders", titeln in Blockbuchstaben De Standaard und Het Nieuwsblad. "Rutte schlägt Wilders", schreibt Het Belang van Limburg auf Seite eins. L'Echo ist nüchterner: "Mark Rutte landet bei den Parlamentswahlen in den Niederlanden weit vor den Rechtsextremen".
Ganz klar Thema Nummer eins ist heute der Ausgang der Wahl im nördlichen Nachbarland. Wichtigste Erkenntnis: Die befürchtete Flutwelle ist ausgeblieben, der Rechtspopulist Geert Wilders landet unerwartet weit hinter dem amtierenden Premierminister Mark Rutte.
Umfragen hatten den Islamhasser mit der Mozart-Frisur zwischenzeitlich an der Spitze gesehen. "Der Rechtsruck bleibt aus", so die Schlagzeile des Grenz-Echos. "Die Niederlande trotzen Wilders", schreiben Le Soir und La Libre Belgique.
Het Laatste Nieuws wirft schon einen Blick nach vorn: "Rutte wird zum dritten Mal Premier; vergessen Sie Wilders!", schreibt das Blatt auf Seite eins. Wilders selbst will sich derweil noch nicht abschreiben lassen: "Rutte ist mich noch lange nicht los!", droht er auf Seite eins von Het Belang van Limburg.
Vielen Dank!, jubelt La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Vielen Dank, liebe Nachbarn, für diese frühlingshafte Lektion! Nach der Brexit-Ohrfeige, nach der Wahl von Donald Trump in den USA, musste die Blutung gestoppt werden. Es ging auch darum, zu beweisen, dass der Abstieg in die Hölle nicht unaufhaltsam ist.
Die Niederländer haben jetzt "Nein" gesagt – Nein zum Hass, Nein zu simplistischen Antworten. Der heutige Donnerstag wird ein herrlicher Tag.
Der populistische Tsunami ist ausgeblieben
Mit einer Wahlbeteiligung von über 80 Prozent haben die Niederländer der Demokratie die Ehre erwiesen, meint Le Soir. Und das Ergebnis liefert den Beweis, dass populistische Illusionen aufzuhalten sind, wenn man sie denn vernünftig thematisiert und mit der Realität konfrontiert.
Das Gegenbeispiel haben wir vor rund acht Monaten gesehen, beim Brexit-Referendum in Großbritannien. Das Niveau der Argumente war bestenfalls unterirdisch, mit dem bekannten Resultat. Liebe Freunde in Frankreich, die ihr die nächste Runde im Kampf gegen den Populismus ausfechten werdet: Nehmt Euch ein Beispiel an den Holländern, mahnt Le Soir.
Auch Het Belang van Limburg sieht im Ausgang der Wahl ein Zeichen der Hoffnung. Die nüchternen Niederländer haben gezeigt, dass nicht jeder automatisch auf die Versprechen falscher Propheten mit ihren "einfachen" Lösungen hereinfallen muss. Das macht zuversichtlich.
Was wir gestern gesehen haben, das war vielleicht so etwas wie der "umgekehrte Trump-Effekt", so die These von Het Nieuwsblad. Die Parallelen, die zwischen Trump und Wilders gezogen worden sind, haben dem niederländischen Rechtspopulisten offensichtlich geschadet.
Das dürfte auch im Lager von Marine Le Pen für Unruhe sorgen: Die rechtsextreme Präsidentschaftskandidatin inspiriert sich noch stärker am US-Präsidenten. Trump und auch der Brexit haben Europa möglicherweise wachgerüttelt.
Das Schreckensszenario ist erst einmal zerplatzt, meint De Standaard. Der populistische Tsunami hat sich fürs Erste als leichtes Geschwappe erwiesen. Erst Amsterdam, dann Paris und schlussendlich Berlin, das war die Horrorvision.
Aber nach Österreich sind nun jetzt auch die Niederlande nicht gefallen. Allerdings: Das erlaubt keinerlei Rückschlüsse. Nur weil Wilders gescheitert ist, heißt das noch lange nicht, dass auch Le Pen absaufen wird, meint der Standaard.
Niederländer fürchten "belgische Verhältnisse"
Mark Rutte hat derweil im Moment schon ganz andere Sorgen: Er muss jetzt eine Koalition auf die Beine stellen. Wenn man sich die zersplitterte Politiklandschaft so anschaut, dann stellt man fest: Um eine Mehrheit zusammenzubekommen, wird Rutte vier, vielleicht sogar fünf Parteien brauchen. "Es wird eine Puzzle-Arbeit für Rutte", schreibt denn auch De Morgen auf seiner Titelseite.
In diesem Zusammenhang macht schon ein weniger schmeichelhafter Vergleich die Runde: "Angst in Holland vor belgischen Verhältnissen", fasst es etwa De Standaard zusammen. In Belgien sind ja Koalitionen von vier oder mehr Parteien durchaus die Regel; damit verbunden ist allerdings eine relative Instabilität.
Solche Konstellationen sind nicht einfacher geworden, bemerkt dazu De Morgen in seinem Leitartikel. In einer Zeit allgegenwärtiger Polarisierung sinkt die Kompromissbereitschaft, zögern die Parteien umso mehr, Wasser in ihren Wein zu gießen. Nach der Wahl wartet also gleich schon eine zweite Prüfung auf die niederländischen Parteien.
Ein hübsches Kind mit vielen Eltern erfreut Antwerpen
Apropos Kompromiss: Nach 20-jährigem Streit gab es gestern endlich eine Einigung über den Ausbau des Antwerpener Autobahnrings. Dieses sogenannte "Oosterweel-Projekt" hat die Politik in Flandern jahrelang regelrecht vergiftet. Es gab unzählige Einspruchsverfahren von Bürgerinitiativen und Umweltschützern.
Bis die Politik sich dazu entschloss, die Bürger konsequent mit ins Boot zu holen. Deswegen auch die Schlagzeile von Gazet van Antwerpen: "Politik und Bürger bilden eine Front". Resultat jedenfalls: Der gordische Knoten wurde durchgehackt, Oosterweel kann kommen.
Sieht man die Zahl der Politiker, die gestern bei der Vorstellung des Kompromisses anwesend waren, dann muss es wohl tatsächlich ein historischer Tag gewesen sein, meint Gazet van Antwerpen. Wie heißt es so schön: Ein hübsches Kind hat viele Mütter und Väter. Mögen die stolzen Eltern dieses Kindchen in den kommenden Jahren gemeinsam verhätscheln.
akn - Bild: Daniel Reinhardt (dpa)