"Die Niederlande eröffnen den Ball der super-riskanten Wahlen", titelt Le Soir. "N-Day für Europa", lautet die Schlagzeile von De Standaard. "Besorgt blicken die Europäer auf die Niederlande", bemerkt La Libre Belgique auf Seite eins.
Unsere nördlichen Nachbarn wählen heute ein neues Parlament. Die spannendste Frage: Können Premierminister Mark Rutte und Co. Geert Wilders' populistische Welle stoppen? Oder wird der niederländische Wahlausgang zum Vorboten für ein Wahljahr, das ganz Europa ins Chaos stürzen könnte?
Het Belang van Limburg formuliert es so: Greift die populistische Revolution nach dem Brexit und der Wahl von Donald Trump auf das europäische Festland über? Oder brechen die Niederlande den Trend und setzen sich die traditionellen Parteien durch? In den allerletzten Umfragen hat Amtsinhaber Rutte der Zeitung zufolge die Nase deutlich vorn. Aber wie verlässlich sind solche Umfragen heutzutage noch?, fragt sich Het Laatste Nieuws.
"Bauer sucht Frau" statt "Land sucht Premier"
Noch nie ist die Wahl der zweiten Kammer in den Niederlanden weltweit so genau verfolgt worden wie heute, hält Gazet van Antwerpen fest. Der Wahlausgang in Den Haag wird als Barometer für den Populismus in Westeuropa gesehen. Setzt sich Wilders durch dann rollt er damit den roten Teppich für Marine Le Pen in Frankreich und die Rechtspopulisten in Deutschland aus.
Für Het Laatste Nieuws werden die Folgen der Wahl aber überbewertet: Selbst wenn Wilders' PVV die stärkste Partei würde, niemand will mit ihm koalieren. Und: Während die Welt wegen des Urnengangs wach liegt, schlafen die Niederländer ruhig. Wie schlimm kann die Situation sein, wenn eine Woche vor der Wahl nicht die TV-Duelle, sondern "Bauer sucht Frau" die Zuschauer in Holland fesselt?
Le Soir ist da nicht ganz so zuversichtlich: Selbst wenn es die Rechtsextremen um Wilders nicht an die Macht schaffen, hätte ein Wahlerfolg schwere psychologische und politische Signalwirkung für den Rest Europas – ganz besonders für Frankreich und Deutschland, wo die nächsten Wahlen anstehen.
Halten die Deiche?
La Libre Belgique analysiert: Obwohl wir mehr und leichteren Zugang zu Nachrichten, Wissen und Kultur als je zuvor haben, sind Populisten und Nationalisten überall auf dem Vormarsch. Mit vermeintlich einfachen Lösungen versprechen sie uns das Blaue vom Himmel. Dabei müsste jedem klar sein: Simplistische Heilsversprechen sind nie etwas anderes als Illusionen.
L'Echo ergänzt: Es steht viel auf dem Spiel für Europa. Ohne die Union haben die Europäer auf der Weltbühne nicht viel zu melden. Und ohne ihre Werte verlieren sie auch an Einfluss. Diese zwei Deiche sollten die Wellen der rückwärtsgewandten Weltanschauung der Populisten und Europahasser zurückhalten, hofft die Zeitung.
De Standaard findet: Sollte Wilders gewinnen, würde das vor allem außerhalb der Niederlande Wellen schlagen. Das echte politische Signal dieser Wahl wird man am Ergebnis der Liberalen von Premierminister Rutte und der Christdemokraten ablesen können. Die haben im Wahlkampf einen Rechtsschwenk hingelegt. Haben sie damit ihrem rechtsextremen Konkurrenten den Wind aus den Segeln nehmen können? Oder haben sie ihm dadurch Wähler zugetrieben?
Het Laatste Nieuws fügt hinzu: Ruttes Verhalten im eskalierenden Streit mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan war vorbildlich. Er traf stets den richtigen Ton und bewies damit sein Können als Premierminister. Und verdarb dem schrillen Populisten Wilders damit eine mögliche Sternstunde.
Het Nieuwsblad hält fest: Egal, wer gewinnt, die Niederlande haben ein dickes Problem. Die politische Landschaft ist dermaßen zersplittert, dass heute knapp 30 Parteien zur Wahl antreten. Außerdem gibt es keine Sperrklausel in Form einer Fünf-Prozent-Hürde. Die Folge: nur noch kleine Parteien und eine komplizierte Regierungsbildung, da mindestens vier, möglicherweise aber noch mehr Parteien für ein neues Kabinett zusammenarbeiten müssen. Wie schwierig das sein kann, wissen wir Belgier nur allzu gut, bemerkt das Blatt.
Miteinander statt nebeneinander
Het Nieuwsblad kommt auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zurück, das es Unternehmen erlaubt, seinen Angestellten unter Umständen das Tragen von Kopftüchern zu verbieten, und meint: Wer unsere Gesellschaft schätzt und Wert auf Zusammenleben legt, wird die Entscheidung respektieren. Wer das nicht tut, der verfolgt andere Ziele.
Het Belang van Limburg findet hingegen, dass wir uns nicht zu sehr auf Symbole wie das Kopftuch fokussieren sollten, sondern nach Wegen für ein besseres Miteinander zwischen Alteingesessenen und Belgiern mit Migrationshintergrund suchen sollten. Miteinander statt nebeneinander lautet die Zauberformel. Das gilt ebenso für den Einbürgerungstest, den die N-VA fordert: Nicht das Bestehen eines Wissenstests macht einen guten belgischen Staatsbürger aus, sondern der Wille, einer zu sein.
Alain Kniebs - Bild: John Thys (belga)