Fast alle Tageszeitungen berichtet heute über den Beginn der Sondierungsmission von N-VA Parteichef Bart De Wever. Vor allem in der flämischen Presse beschäftigt man sich ferner mit dem belgischen Kommunikationschaos um die Feierlichkeiten zur 50-jährigen Unabhängigkeit der Demokratischen Republik Kongo. Und schließlich berichten fast alle Blätter über einen schmerzhaften Sturz vom Pferd.
Informator De Wever nimmt Arbeit auf
"Hochriskante Mission" titelt heute La Libre Belgique. Bart De Wever, der vom König in der vergangenen Woche als Informator bezeichnet worden war, nimmt heute seine Arbeit auf. Aufgabe des N-VA-Chefs ist es also, Sondierungsgespräche im Hinblick auf die Bildung einer neuen Regierungskoalition zu führen. In der Praxis wird das bedeuten, möglichst große Schnittmengen zwischen einzelnen Parteien zu finden. Auf dieser Grundlage wird De Wever dann die Grundzüge einer neuen Koalition und auch schon des Regierungsabkommens skizzieren.
Wie unter anderem De Morgen hervorhebt, will De Wever im Rahmen seiner Mission bereits ein Grundsatzabkommen erzielen. Anders gesagt: Er will in gewisser Weise auch schon die Vorarbeit für einen Regierungsbildner liefern. Anlass zur Hoffnung. Und die Vorzeichen sind nicht schlecht, darin sind sich alle einig. La Libre Belgique etwa unterstreicht die konstruktive Atmosphäre, die am Wochenende bei den traditionellen Polit-Talkshows in den Fernsehstudios geherrscht hat. Statt der üblichen Muskelspielchen und Provokationen war diesmal Besonnenheit Trumpf. Ob im flämischen oder im frankophonen Fernsehen: Überall war eine aufgeschlossene Grundhaltung zu spüren.
Auch Gazet van Antwerpen hat einen Meinungsumschwung festgestellt: Alle frankophonen Politiker haben versprochen, dass sie das Signal des flämischen Wählers vom 13. Juni ernst nehmen wollen. Es könnte fast so aussehen, als hätte sich in den Köpfen der Frankophonen innerhalb einer Woche mehr verändert als in den letzten 15 Jahren. Plötzlich scheinen auch sie tragende Partei im Hinblick auf eine Neuverteilung der Zuständigkeiten in diesem Land zu sein. Nach dem Motto: "Wir haben keine Angst vor neuen Befugnissen." Und diesmal ist die Hoffnung erlaubt, dass sie es wirklich ernst meinen.
Staatsreform ohne MR unmöglich
Für die frankophonen Liberalen MR besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass sie an den Verhandlungen beteiligt sein müssen. Das erklärt jedenfalls der MR-Spitzenpolitiker Armand De Decker in einem Exklusivinterview mit der Brüsseler Tageszeitung Le Soir: "Eine Staatsreform ohne die MR ist unmöglich." Ein Argument: Die MR allein wiegt immer noch schwerer als cdH und Ecolo zusammen. Den Einwand, Olivier Maingain und seine FDF würden einer Einigung mit den Flamen im Wege stehen, fegt De Decker vom Tisch: Die FDF verfüge schließlich nur über drei Sitze in der Kammer, von den insgesamt 18 MR-Sitzen.
Quo vadis CD&V, quo vadis N-VA?
Die flämische Presse stellt sich die Frage, wie einige große Parteien mit dem Wahlergebnis vom 13. Juni umgehen werden. Der Jugendflügel der CD&V stellt der Mutterpartei ein katastrophales Zeugnis aus, notiert das flämische Massenblatt Het Laatste Nieuws. Für die Jung-CD&V hat die Partei in allen Belangen ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Neue Gesichter müssen her. Und für Het Laatste Nieuws kann das nur bedeuten: Leute wie Yves Leterme, Marianne Thyssen oder Pieter De Crem könnten parteiintern sehr bald unter Druck geraten. Denn wenn die Partei eine Zukunft haben will, dann muss sie mit der Vergangenheit brechen.
Die N-VA hat fast ein umgekehrtes Problem, analysiert De Standaard: Sie muss einen Wahlsieg managen. Sie wird sehr schnell einen Mittelweg finden müssen zwischen ihrer alten, nationalistischen Basis und den vielen tausend Neuwählern, die in gemeinschaftspolitischen Dingen eher gemäßigt sind.
Das schwierige Verhältnis zwischen Brüssel und Kinshasa
Das belgische Kommunikationschaos im Zusammenhang mit den Feierlichkeiten zum 50. Jubiläum der Unabhängigkeit der Demokratischen Republik Kongo sorgt in Kinshasa für Unmut. "Der Kongo ist ungehalten über den belgischen Eiertanz", titelt heute Het Nieuwsblad. Hintergrund ist die Polemik um eine mögliche Beteiligung von belgischen Soldaten an eine Truppenparade in Kinshasa zum Anlass der 50-Jahr-Feier. Nach langem Hin und Her hieß es jetzt, dass die belgische Präsenz sich auf den König und den amtierenden Premierminister beschränken wird. Das Ganze sei lächerlich, wird ein kongolesischer Minister in Het Nieuwsblad zitiert. Der Kongo habe nie offiziell belgische Soldaten eingeladen.
De Morgen jedenfalls begrüßt die Entscheidung: Eine Beteiligung von belgischen Soldaten an einem Defilee mit dem kongolesischen Militär wäre sehr unglücklich gewesen. Schließlich waren kongolesische Militärangehörige an Plünderungen, Mord und Massenvergewaltigungen beteiligt. Jetzt werden allein das Königspaar und Yves Leterme den Festlichkeiten beiwohnen. Das zeigt, dass sich Belgien seiner Vergangenheit bewusst ist. Doch zugleich ist die eingeschränkte Präsenz ein deutliches Signal an die kongolesischen Machthaber, dass sie in Belgien und Europa über wenig Kredit verfügen.
Het Nieuwsblad kritisiert dennoch den Zickzackkurs der belgischen Regierung in den Beziehungen zur Demokratischen Republik Kongo. Karel De Gucht hatte als Außenminister das Land und seine politische Klasse noch verteufelt, sein Nachfolger Steven Vanackere ließ sich demgegenüber von Präsident Kabila zu einem Erfrischungsgetränk einladen. Und jetzt noch das Gerangel um die belgischen Soldaten. Inzwischen hat Belgien wohl seine Glaubwürdigkeit vollends verloren.
Nicht fest im Sattel
Schließlich berichten viele Zeitungen noch über ein Missgeschick, das den OpenVLD-Vorsitzenden Alexander De Croo ereilt hat. De Croo ist bei einer Reiterparade im ostflämischen Michelbeke vom Pferd gefallen. Er geriet unter das Pferd und brach sich dabei einen Arm und einen Fuß. Der lapidare Kommentar von Het Laatste Nieuws: Flämische Politiker sitzen anscheinend nicht immer fest im Sattel.
Bild: belga archiv