"Der letzte Rad-Klassiker Het Nieuwsblad für Tom Boonen", titelt Het Nieuwsblad. "Ein letztes Mal ein neues Rad für Tom Boonen", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws.
Am Samstag beginnt offiziell die belgische Radsportsaison und das traditionell mit dem "Omloop Het Nieuwsblad", dem ersten Frühjahrsklassiker des Jahres, der ja nach der gleichnamigen Zeitung benannt ist. Vor allem im radportbegeisterten Flandern ist das ein Ereignis. Und das in diesem Jahr erst recht: Es ist die letzte Saison von Tom Boonen, der insbesondere im Norden des Landes den Status eines Superstars genießt. Tom Boonen hat den Radklassiker "Het Nieuwsblad" noch nie gewonnen. Heute heißt es also: Jetzt oder nie!
Zuhal Demir legt los
Viele Zeitungen kommen am Samstag noch einmal zurück auf die Ernennung von Zuhal Demir zur neuen Staatssekretärin für Chancengleichheit, Armutsbekämpfung und Wissenschaftspolitik. "Demir beginnt ihre Amtszeit mit einem Angriff auf Unia", konstatiert Het Nieuwsblad auf Seite eins. Unia, das ist der neue Name des Zentrums für Chancengleichheit. Die N-VA hat die Einrichtung in den letzten Tagen ins Visier genommen. Nach Ansicht der flämischen Nationalisten hat Unia in letzter Zeit immer mal wieder den Bogen überspannt, etwa in der Diskussion über den "Zwarte Piet". Für die N-VA ist Unia überpenibel, sozusagen katholischer als der Papst. Gleich am ersten Tag als Staatssekretärin für Chancengleichheit bezeichnete Zuhal Demir Unia als "lächerlich".
Ist das wirklich ihr Ernst?, fragt sich giftig Het Nieuwsblad. Will die neue Staatssekretärin tatsächlich zuallererst gegen das frühere Zentrum für Chancengleichheit zu Felde ziehen? In ihre neuen Zuständigkeiten fällt unter anderem die Armutsbekämpfung. In diesem Bereich ist in den letzten zweieinhalb Jahren unter ihrer Vorgängerin Elke Sleurs nicht wirklich viel passiert. Von einer frischen und zudem talentierten Politikerin darf man eigentlich erwarten, dass sie sich jetzt voller Elan auf diese Aufgabe stürzt.
Da ist sie also, die "Eiserne Lady" der N-VA, stichelt Het Belang van Limburg. Zuhal Demir sieht sich gerne selbst in einer Vorbildfunktion. Auch ihr Parteichef Bart De Wever sieht in der kurdischstämmigen Kollegin das Symbol dafür, dass Integration funktioniert, wenn man nur hart genug dafür arbeitet. Die 36-Jährige vergisst dabei häufiger, dass sie dafür auch die nötige Intelligenz und zudem ein ansprechendes Aussehen mitbringt, was aber nicht jedem gegeben ist. Als neue Staatssekretärin für Armutsbekämpfung sollte sie ab jetzt ein bisschen mehr Verständnis für die Allerschwächsten in dieser Gesellschaft aufbringen.
Für ihre Partei, die N-VA, ist Zuhal Demir in jedem Fall ein Glücksgriff, meint L'Avenir. Sie symbolisiert in Perfektion den Integrationsparcours, der den flämischen Nationalisten vorschwebt.
Für La Dernière Heure ist die neue Staatssekretärin schlicht und einfach eine "schöne belgische Geschichte". Gleich zum Auftakt zitierte sie ihren Vater, einen kurdischstämmigen Minenarbeiter, mit den Worten: "In diesem Land bekommst du Chancen geboten und ich will, dass du sie auch nutzt". Was für ein erfrischender Kontrast zu all dem Hass und der verbalen Gewalt, die man alltäglich im Internet ertragen muss. Zuhal Demir kann zu einer Art Rollenmodell werden für all diejenigen, die einen vergleichbaren familiären Hintergrund haben. Nach dem Motto: Warum soll ich das nicht auch schaffen?
Cornus Abschiedsbotschaft und der neue Nationalbankchef
"Die Bahn ist hierzulande viel zu billig!" Das sagt kein Geringerer als der Noch-Geschäftsführer der SNCB, Jo Cornu, auf Seite eins von De Morgen. Cornu nimmt jetzt definitiv den Hut; ersetzt wird er ja durch Sophie Dutordoir, die früher Chefin des Stromherstellers Electrabel war. Jo Cornu gibt also am Samstag in verschiedenen Blättern Abschiedsinterviews. Und er hat überall dieselbe Kernbotschaft, denn auch in der Wirtschaftszeitung L'Echo sagt Cornu: "Die Tarife bei der SNCB müssen unbedingt angeglichen werden".
L'Echo hat übrigens auch noch eine andere Personalie zu vermelden: Wie die Zeitung berichtet, hat sich die Regierung auf einen Nachfolger des derzeitigen Gouverneurs der Nationalbank, Jan Smets, verständigt. Demnach soll der aktuelle Vize-Gouverneur Pierre Wunsch im Januar 2019 das Ruder übernehmen. Pierre Wunsch trägt den Stempel der liberalen MR.
Das Pendel muss zurückschwingen
Viele Zeitungen ziehen am Samstag in ihren Leitartikeln noch einmal eine Bilanz der jüngsten Politaffären um überzogene Sitzungsgelder insbesondere bei Interkommunalen. "Spüren Sie schon die Systemkrise?", fragt etwa De Morgen in einem düsteren Kommentar. Die Ereignisse der letzten Tage haben die demokratischen Institutionen in diesem Land in ihren Grundfesten erschüttert. Quasi parallel dazu leistet man sich eine neue gemeinschaftspolitische Verkrampfung um den Brüsseler Fluglärm. Was lernen wir aus all dem? Die Zuständigkeiten müssen da angesiedelt werden, wo sie qua Effizienz hingehören. Und das gilt für alle Ebenen, von den Gemeinden bis zum Föderalstaat.
Auch L'Echo sieht das Fundament unseres Systems gefährdet, mit Namen den Gesellschaftsvertrag, der eigentlich dem Zusammenleben zugrunde liegt. Im Kern geht es um die Frage, was mit den Steuergeldern genau geschieht. Das unterliegt eigentlich der Kontrolle der Gesellschaft. Und um das gewährleisten zu können, gibt es nur eins: Transparenz.
Das setzt aber auch den entsprechenden Willen voraus, glaubt De Standaard. Um das verlorene Vertrauen wiederherzustellen, muss die Politik bereit sein, zumindest einen Teil des von ihr beanspruchten Primats aufzugeben. Konkret: Alle Macht geht von der Nation aus; und Macht übernimmt man immer nur zeitweilig, im Auftrag der Bürger, und in Abstimmung mit den verschiedenen Interessenverbänden. Was wir heute beobachten können, das ist demgegenüber aber eine arrogante Regenten-Mentalität. Das Pendel muss zurückschwingen.
In all dem hat aber auch der Bürger seine Rolle zu spielen, mahnt La Libre Belgique. Viel zu oft verhält der sich nämlich wie ein reiner, unbeteiligter Zuschauer, der sich darauf beschränkt, von der Seitenlinie alles und jeden zu kritisieren. Wenn wir ein gesünderes politisches Leben wollen, dann müssen sich auch die Bürger mehr engagieren. Dies allerdings unter der Voraussetzung, dass die Parteien sie auch machen lassen.
Roger Pint - Foto: Nicolas Maeterlinck/BELGA