"Bauchlandung in Brüssel", titelt De Morgen. "Absurder geht es nicht", meint Het Nieuwsblad. "Airlines hoffen auf rasche Lösung im Fluglärmstreit", berichtet Le Soir.
Die Region Brüssel verschärft den Ton und hat um Mitternacht ihr strenges Lärmschutzgesetz in Kraft treten lassen. Von nun an will sie keine Abweichungen mehr zulassen. Der flämische Ministerpräsident Geert Bourgeois spricht von einer "institutionellen Atombombe". Brüssel will seine Einwohner vor zu viel Fluglärm schützen. Wie De Standaard berichtet, sind es aber die flämischen Randgemeinden rund um Zaventem, die die schlimmste Fluglärmbelastung abbekommen: Es sind über 10.000 Menschen in Flandern, aber "nur" 3.600 Brüsseler, die dauerhaft einem Fluglärm von 55 Dezibel und mehr ausgesetzt sind - das ist der offizielle Grenzwert für "störenden Lärm".
Die Fluggesellschaften werden unterdessen ungeduldig und es droht der Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen am Brussels Airport. Nachdem Flandern deswegen am Dienstag auf die Barrikaden gegangen war, hat die Hauptstadtregion am späten Abend einen Gang zurückgeschaltet: Brüssel wird in den kommenden zwei Monaten keine Bußgelder verhängen. Föderalstaat, Flandern und Brüssel haben jetzt 60 Tage Zeit, um nach einem Ausweg aus der verfahrenen Situation zu suchen.
Absurde Regelungen und vorgeschobene Argumente
Het Nieuwsblad bedauert, dass Belgiens zweitgrößter Arbeitgeber, der Brüsseler Flughafen, zum Opfer eines politischen Kräftemessens geworden ist. Die PS-CDH-Regionalregierung in Brüssel sieht Zaventem als einen "flämischen" Flughafen, der vor allem dem Norden des Landes Vorteile bringt. Folglich müsse auch Flandern den Fluglärm tragen. Das ist aber zu kurz gedacht, denn gerade die Hauptstadtregion profitiert vom internationalen Flughafen.
Der Schutz der Brüsseler Bevölkerung ist für De Morgen nur ein vorgeschobenes Argument. Die zuständige Umweltministerin Céline Fremault gehört der CDH an - der Partei also des ehemaligen Staatssekretärs Melchior Wathelet, der sich mit seinem Flugroutenplan ja so richtig in die Nesseln gesetzt und seiner Partei damit eine empfindliche Wahlschlappe beschert hatte. Anders gesagt: Der "Nicht-über-die-Hauptstadt"-Plan Fremaults ist nicht solidarisch und wirtschaftlich riskant.
Wie absurd die aktuelle Regelung ist, macht Het Nieuwsblad deutlich: Ein Pilot muss den föderalen Flugrouten folgen, kann dafür aber ein Bußgeld von der Region aufgebrummt bekommen. Daher sieht De Morgen nur einen Ausweg: Zuständigkeiten wie Fluglärm gehören zurück auf die föderale Ebene. Das gilt übrigens auch für andere Politikbereiche in Belgien, in denen die Zersplitterung der Kompetenzen zu teils aberwitzigen Situation geführt hat. Außerdem braucht es wie in anderen Föderalstaaten eine klare Normenhierarchie: Föderales Recht muss immer Vorrang haben vor Teilstaaten-Recht.
Auch Le Soir fordert mehr Bundestreue: Flandern und Brüssel müssen mit ihrer Nabelschau aufhören und endlich an das Wohl des ganzen Landes denken. De Standaard sieht im Fluglärmstreit nicht nur eine gemeinschaftspolitische Komponente: Im Grunde geht es um die Frage, wie ein Großflughafen, der nur einen Steinwurf von der Hauptstadt entfernt ist, in Zukunft am besten funktionieren kann.
André Gilles - erst putzmunter, dann krankgeschrieben
"André Gilles sorgt für Fieberschub im Untersuchungsausschuss", titelt L'Avenir. Der Verwaltungsratsvorsitzende von Publifin ist am Dienstag trotz Vorladung nicht vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss erschienen, er reichte kurzfristig ein ärztliches Attest ein und sorgte damit für lautstarken Unmut im wallonischen Parlament. Im Tagesverlauf tauchten sogar Fotos vom PS-Politiker Gilles auf, wie er am Vorabend, anscheinend putzmunter, einer Veranstaltung der Provinz Lüttich beiwohnte.
Auch die Zeitung ist empört: Gilles' Abwesenheit zeugt nicht nur von mangelndem Kooperationswillen, sondern illustriert seine Missachtung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses und beleidigt damit auch die Bürger. Diese "politischen Profiteure" leben so sehr in ihrer eigenen Welt, dass sie den gerechtfertigten Groll der Bevölkerung gar nicht mehr wahrnehmen. L'Avenir befürchtet, dass da leider auch kein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mehr helfen wird.
Wann ist man ein guter Politiker?
La Libre Belgique hält fest: Wie nicht anders zu erwarten, weisen die vorgeladenen Politiker in der Publifin-Affäre die Schuld weit von sich. Ein Mitschuldiger in dieser Saga wird aber immer deutlicher: die wallonische Regionalregierung. Sie hat den Publifin-Skandal nicht kommen sehen oder sehen wollen und nichts dagegen unternommen, obwohl sie es hätte tun können.
Ganz allgemein zum Problem der überzogenen Sitzungsgelder für Politiker fragt Het Laatste Nieuws: Wann ist man ein guter Politiker? Wenn man den Preis von zwei Brötchen, einem Schoko-Croissant und einem Graubrot kennt? Oder wenn man seine Dossiers in- und auswendig kennt? Futterneid ist ein schlechter Ratgeber. Wir sollten uns also nicht darüber ärgern, wie viel Politiker verdienen, sondern viel mehr darüber, wie und womit.
Alain Kniebs - Bild: Eric Lalmand/BELGA