"Banken sind zu lässig bei der Vergabe von Krediten", titelt De Standaard. Das zumindest ist die Meinung der Nationalbank. Dem liegt eine Feststellung zugrunde: Zum ersten Mal haben belgische Haushalte mehr Schulden als der Durchschnitt in der Eurozone. Immer mehr Menschen sind auch schlicht und einfach überschuldet. Vor diesem Hintergrund will die Nationalbank die Vergabekriterien verschärfen.
Het Nieuwsblad bringt es auf den Punkt: "Einen Hauskredit aufzunehmen, wird schwieriger", schreibt das Blatt auf Seite eins. Die Nationalbank will jetzt jedenfalls den Kreditinstituten strenger auf die Finger schauen.
Apropos Nationalbank: Die Institution hatte in ihrem Jahresbericht 2016 auch gute Neuigkeiten zu vermelden: "Im vergangenen Jahr wurden 59.000 neue Arbeitsplätze geschaffen", hebt De Morgen auf seiner Titelseite hervor. Dies trotz der Anschläge vom 22. März und trotz einer doch eher verhaltenen Konjunktur. 2016 belief sich das Wachstum auf 1,2 Prozent. Und dieser Trend dürfte sich im laufenden Jahr fortsetzen. "Die Nationalbank sieht eine Aufklarung am Wirtschaftshimmel", so resümiert es De Morgen.
Damit das so bleibt, gibt die Institution aber eine Reihe von Empfehlungen aus, die unter anderem L'Echo auf seiner Titelseite auflistet. Wichtigste Punkte: Die Regierung muss die Lohnkosten und auch die Staatsausgaben weiter unter Kontrolle halten. Die Gewerkschaften sind mit diesen Forderungen nicht einverstanden und verweisen darauf, dass wahrscheinlich aus eben diesen Gründen das Wachstum in Belgien schwächer ausfällt als in den Nachbarländern.
Nicht auf den Lorbeeren ausruhen
Da haben sie wohl nicht ganz Unrecht, meint Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel. Trotzdem ist die Analyse der Nationalbank auch nicht falsch. Niemand kann bezweifeln, dass die Senkung der Lohnkosten über den Indexsprung und den Tax-Shift den Arbeitsmarkt zusätzlich belebt hat. Belgien holt hier im Grunde nur das nach, was Länder wie Deutschland oder die Niederlande schon vor Jahren über einschneidende Arbeitsmarktreformen vorgemacht haben. Die Regierung sollte sich durch die neuen Zahlen dazu ermuntert fühlen, genau so weiterzumachen.
Auch La Libre Belgique appelliert an die Regierung, auf Kurs zu bleiben. Bei allen positiven Entwicklungen darf man nicht vergessen: Die Staatsschuld wächst und wächst und wächst. So lange die Zinsen niedrig bleiben, ist das ein überschaubares Problem. Die Sanierung der Staatsfinanzen muss dennoch Priorität haben. Und auch in punkto Strukturreformen darf die Regierung sich sicher nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen.
"Herr Premierminister, tun Sie was!"
"Fluglärm: Die Sorgen von Brussels Airlines", so derweil die Aufmachergeschichte von Le Soir. Hintergrund ist natürlich die Entscheidung der Region Brüssel, künftig in Sachen Fluglärm eine Politik der Nulltoleranz praktizieren zu wollen. Demnach sollen Fluglinien bei Lärmbelästigung konsequent zur Kasse gebeten werden. Die Maßnahme sorgt für eine gemeinschaftspolitische Verkrampfung. Premierminister Charles Michel wurde im Parlament insbesondere vom Koalitionspartner N-VA scharf angegriffen.
"Herr Premierminister, tun Sie was!", zitiert Het Laatste Nieuws einen N-VA-Abgeordneten. Insbesondere in Flandern macht man sich nämlich Sorgen um den Standort Zaventem. Das gilt auch für die belgische Fluggesellschaft Brussels Airlines. Geschäftsführer Bernard Gustin sieht die bisherige Strategie seines Unternehmens in Gefahr. Brussels Airlines nutzt den Nationalflughafen als seinen sogenannten "Hub", also als Drehscheibe für internationale Verbindungen. Die Maßnahme der Region Brüssel würde die Umsteigemöglichkeiten für die Passagiere einschränken.
Deswegen plädiert Gustin in Le Soir für einen, so wörtlich, "Plan der Nationalen Einheit", bei dem also alle Regionen des Landes an einem Strang ziehen würden. Wie bitte?, fragt sich Le Soir. Haben Sie gerade "Nationale" Einheit gesagt? In diesem Land ist das längst nur noch ein frommer Wunsch. Die Problematik des Überflugs der Hauptstadt und des Brüsseler Rands dauert schon so lang wie die Suche nach der Quadratur des Kreises. Es hat Zeiten gegeben, da waren belgische Politiker darauf spezialisiert, selbst in solch komplexen Angelegenheiten am Ende doch Kompromisse zu finden. Die Gussform dafür ist aber offensichtlich gesprungen.
Und eine Rückübertragung der Zuständigkeit für Lärmschutz an die föderale Ebene wäre auch nicht die Lösung, warnt De Standaard. Es gibt Leute, die glauben, dass die Zerstückelung von Kompetenzen die alleinige Erklärung für die derzeitige Pattsituation ist. Das ist aber eine Illusion. Wer glaubt denn, dass sich eine Föderalregierung, die ja naturgemäß auch aus Flamen, Wallonen und Brüsselern besteht, in der Frage des Überflugs der Hauptstadt schneller einigen würde? Der Politik wird wohl nichts Anderes übrigbleiben, als den berühmtem "belgischen Kompromiss" doch neu zu erfinden.
Beim Kindergeld siegt der belgische Pragmatismus
So unterschiedlich, wie man es manchmal darstellt, sind die Politikansätze im Norden und im Süden des Landes übrigens auch nicht immer. Es ist so: Die Wallonie hat gestern ihre Regelung für das Kindergeld vorgestellt. Die Materie ist ja mit der Sechsten Staatsreform an die Teilstaaten gegangen. Die Koalition aus PS und CDH entschied sich für das Prinzip: "Ein Kind ist ein Kind". Konkret: "Es gibt einen einheitlichen Betrag von 155 Euro pro Kind", wie La Libre Belgique hervorhebt.
"Das Ganze ist allenfalls nach Alter gestaffelt", fügt Le Soir hinzu. Für sozial Schwache sind darüber hinaus Sonderzuschüsse vorgesehen, die unter anderem L'Avenir aufdröselt.
De Standaard kann allerdings nur feststellen: "Die Wallonie kopiert fast eins zu eins das flämische Kindergeld". Hier sieht man dann doch die Grenzen der Ideologie, meint die Zeitung in ihrem Leitartikel. Es hätte ja nicht verwundert, wenn die linke wallonische Regierung andere, soziale Akzente gesetzt hätte. Stattdessen macht sie das Gleiche wie die rechte flämische Regierung. Hier zeigt sich: Der belgische Pragmatismus ist offensichtlich doch stärker als eine politische Grundausrichtung.
RoP - Foto: Benoît Doppagne (belga)