"Publifin: endlich ein Untersuchungsausschuss", titelt L'Avenir. "PS-Chef Elio Di Rupo schwächt die Lütticher PS-Sektion", schreibt sinngemäß La Libre Belgique auf Seite eins.
In der Wallonie haben sich am Montag erneut die Ereignisse überschlagen. Die PS plädierte nun doch für die Schaffung eines Untersuchungsausschusses, der die Publifin-Affäre ausleuchten soll; dies auch auf Druck des Koalitionspartners CDH. Le Soir vermutet dahinter eine Strategie nach dem Motto: "Die CDH ist nicht das Schoßhündchen der PS".
Grund für die Kehrtwende ist wohl auch, dass die eigentlich eingesetzte Sonderkommission gleich bei ihrer ersten Sitzung an ihre Grenzen gestoßen war. Am Freitag war der bisherige Publifin-Verwaltungsratspräsident André Gilles angehört worden. Der PS-Politiker trat dabei außerordentlich arrogant auf und verweigerte in zentralen Punkten die Aussage.
"Di Rupo knöpft sich die Lütticher Bonzen vor"
Damit brachte er das Fass zum Überlaufen. Nicht nur, dass jetzt eben ein Untersuchungsausschuss eingesetzt wird, der über durchaus wirksamere Mittel verfügt, um Zeugen aus der Reserve zu locken. Zugleich wurden zwei zentrale Figuren von allen Parteiämtern innerhalb der PS suspendiert, nämlich eben besagter André Gilles und auch der Nethys-Geschäftsführer Stéphane Moreau.
"Die Macht des 'Fünfer-Klubs' bröckelt", analysiert La Libre Belgique. Gemeint ist damit die Gruppe von PS-Politikern, von denen man sagt, dass sie Lüttich in der Hand haben. Zu diesem "Fünfer-Klub" gehört neben Gilles und Moreau auch der wallonische Wirtschaftsminister Jean-Claude Marcourt.
"Elio Di Rupo knöpft sich die Lütticher Bonzen vor", so resümiert De Morgen. Le Soir packt das alles in eine fast schon dramatische Schlagzeile: "Ausnahmezustand bei der PS", schreibt das Blatt auf Seite eins. Fakt ist: "Bei den frankophonen Sozialisten brennt der Baum".
Elio Di Rupo hat jetzt auf den Tisch gehauen, auf die Gefahr hin, dass es zum offenen Krieg mit der Lütticher Lokalsektion kommt. In jedem Fall ist die Partei jetzt am Scheideweg.
"Politisches Waterloo für die PS"
Was wir hier beobachten können, das folgt der so genannten "Theorie der Deiche", glaubt L'Avenir. Um Hochwasser einzudämmen, baut man mehrere Schutzringe aus Sandsäcken. Man muss um jeden Preis vermeiden, dass man die Flutwelle mit ihrer ganzen, ungebremsten Wucht abbekommt.
Im vorliegenden Fall: Erst traf es die kleinen Fische; dann brach auch die Furlan-Mauer; der Deich mit Namen "Sonderausschuss" hat auch nicht gehalten. Und jetzt eben steht das Wasser vor der Untersuchungskommission. Der Preis für diese Strategie ist allerdings, dass der Eindruck entsteht, dass die PS immer einen Schritt zu spät kommt.
Für Le Soir liegt genau hier das Problem. Bislang hat sich die PS darauf beschränkt, zu reagieren: Jede neue Enthüllung sorgte dafür, dass die Partei ihren Standpunkt anpassen musste. Das Bild, das hier entstanden ist, ist desaströs. Wenn das kein politisches Waterloo ist, dann sieht es doch schon verdächtig danach aus.
Jetzt steht die PS mit dem Rücken zur Wand; jetzt muss sie beweisen, dass sie es ernst meint mit der Transparenz; denn jetzt geht es um ihre Glaubwürdigkeit und ihre Seele.
Meinen PS und CDH es jetzt wirklich ernst mit dieser Untersuchungskommission?, fragt sich auch La Libre Belgique. In jedem Fall hätte man viel früher zu diesem Instrument greifen müssen. Bleibt nur zu hoffen, dass die Parlamentarier jetzt besonnen, ernsthaft, aber vor allem mutig und ohne Angst nach der Wahrheit suchen werden.
Fillon, nur noch ein Verlegenheitskandidat?
Auch in Frankreich versucht gerade jemand, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen: "François Fillon entschuldigt sich und versucht, seiner Wahlkampagne neues Leben einzuhauchen", notiert etwa L'Écho auf Seite eins. Der Präsidentschaftskandidat der französischen Konservativen steht wegen der mutmaßlichen Scheinbeschäftigung seiner Ehefrau Penelope unter Beschuss. Fillon blieb gestern dabei, dass er nichts Illegales getan habe, bat aber die Franzosen dennoch um Verzeihung.
Nichtsdestotrotz ist der einstige Heilsbringer inzwischen zum Verlegenheitskandidaten verkommen, meint L'Écho. Sprich: Fillon ist noch da, weil gerade kein Auswechselspieler bereitstand. Wenn er sich auch entschuldigt hat; wenn er auch die Wahrheit gesagt hat, die politische Wahrheit ist die: François Fillon ist nicht mehr glaubwürdig.
De Morgen sieht das ähnlich: François Fillon war angetreten als der Mann, der die Ethik und die moralische Integrität in der französischen Politik wieder hochhalten wollte. Dieses Image liegt in Trümmern.
Damit wird der unabhängige Kandidat und Ex-Minister Emmanuel Macron nach oben gespült. Der hat zwar auch nicht das politische Rad neu erfunden, könnte aber am Ende doch zum letzten Bollwerk gegen den rechtsextremen Front National und dessen Kandidatin Marine Le Pen werden.
Böse Freunde
"Schlachthaus Saydnaya", so derweil die Schlagzeile von De Standaard. Gemeint ist das Foltergefängnis des syrischen Diktators Baschar al-Assad. Ein neuer Bericht von Amnesty International enthüllt jetzt, was für grausame Dinge sich hinter diesen Mauern abgespielt haben.
Allein dieser Bericht zeigt, dass man die Verbrechen des Assad-Regimes nicht relativieren darf, meint De Standaard in seinem Leitartikel. US-Präsident Donald Trump etwa hatte in einem TV-Interview nicht wirklich ein Problem darin gesehen, dass Russland mit Assad verbündet ist. Es gebe viele Mörder auf dieser Welt und die USA seien auch nicht ganz unschuldig, sagte Trump.
Es gibt aber böse und böse, meint De Standaard. Es muss klar sein, dass Assad so ziemlich alle rote Linien überschritten hat.
Vor diesem Hintergrund ist ein Foto umso schockierender, das Het Nieuwsblad auf seiner Titelseite abdruckt. Man sieht Baschar al-Assad zusammen mit Filip Dewinter, dem Spitzenpolitiker des rechtsextremen Vlaams Belang. Beißender Titel, frei übersetzt: "Zum Käffchen bei Assad".
rop - Bild: Sophie Kip (belga)