Publifin und kein Ende…Nach dem Rücktritt von Paul Furlan verspricht die wallonische Regionalregierung jetzt eine "ethische Revolution"; viele Zeitungen wollen jetzt aber Taten sehen. Für einige Leitartikler ist derweil jetzt auch PS-Chef Elio Di Rupo endgültig angezählt.
"Regionalminister Paul Furlan stürzt über den Lütticher Publifin-Skandal", titeln La Dernière Heure und das GrenzEcho. "Mit Paul Furlan ist die erste Sicherung durchgebrannt; vor dem Großreinemachen", so bringt es La Libre Belgique auf Seite eins auf den Punkt.
Der wallonische Regionalminister Paul Furlan ist gestern zurückgetreten. Er zog damit seine Konsequenzen aus dem Publifin-Skandal. Für De Standaard war es insbesondere die CDH, die den PS-Minister zu Fall brachte. "Als CDH-Chef Lutgen ihm das Vertrauen entzog, wusste Paul Furlan, dass sein Schicksal besiegelt war. Doch hatte der Regionalminister auch in seiner eigenen Partei, der PS, in den letzten Tagen zunehmend an Rückhalt eingebüßt. "Der Druck war zuletzt unhaltbar geworden", analysiert Le Soir.
Ethische Revolution: Blut und Tränen
Nachfolger von Paul Furlan wird der Parteikollege und bisherige Schöffe von Rochefort, Pierre-Yves Dermagne. Le Soir nennt ihn den "Minister der ethischen Revolution". Tatsächlich hat der wallonische Ministerpräsident Paul Magnette gestern eine tiefgreifende Neuordnung insbesondere der Welt der Interkommunalen angekündigt. Er verspricht absolute Transparenz; hunderte Mandate sollen ersatzlos gestrichen werden.
Für Le Soir stehen aber auch noch andere Punkte auf dem Aufgabenzettel: Neben den Interkommunalen und insbesondere Publifin muss sich die wallonische Regierung auch noch mit der Besetzung der Ministerkabinette und der Frage der Ämterhäufung beschäftigen. L'Avenir fasst auf seiner Titelseite zusammen: Die Wallonie unternimmt eine kleine Revolution.
Die Maßnahmen, die da kommen sollen, werden längst nicht jedem gefallen, glaubt La Libre Belgique. Auch deswegen muss man permanent darauf achten, dass hier am Ende nicht wieder heiße Luft oder Feigenblättchen produziert werden. Ohne Blut und Tränen wird und darf es nicht gehen.
Ein "Weiter so" darf es nicht geben, findet auch L'Écho. Das ist man allein schon den Steuerzahlern, den Verbrauchern, den Bürgern in Lüttich schuldig. Mit Paul Furlan ist da allenfalls ein kleiner Fisch über die Klinge gesprungen. Jetzt wird es Zeit, dass man sich die Lütticher Illusionisten vorknöpft, die sich beim Umschiffen der geltenden Regeln als geschickter erweisen als der große Zauberer Houdini.
Jetzt ist Paul Magnette gefragt
Besagte ethische Revolution, das ist eigentlich Chefsache, meint Le Soir in seinem Leitartikel. In Lüttich muss Tabula rasa gemacht werden. die Leute, die das Publifin-Nethys-Konstrukt aufgebaut haben, müssen weg! Allesamt! Wird das jemand wagen? Mit Verlaub, aber dem neuen Minister Pierre-Yves Dermagne fehlt für eine solche Kamikaze-Mission das politische Gewicht. Hier ist Paul Magnette gefragt. Es reicht nicht, in Sachen Ceta die halbe Welt herauszufordern, jetzt geht's um die Wallonie.
"Die Wallonische Regierung ist gerettet, die PS ist ihrerseits weit davon entfernt", notiert derweil De Standaard auf Seite eins. In der Tat: Der Imageschaden ist groß, insbesondere für die frankophonen Sozialisten. Das undurchsichtige Publifin-Geflecht ist nämlich im Wesentlichen das Werk der Lütticher PS-Sektion. "Bekommt PS-Chef Elio Di Rupo die Lütticher unter Kontrolle?", fragt sich denn auch De Standaard. "Elio Di Rupo ist angeschlagen", sagt ein nicht genannter Sozialist in Le Soir.
Wie kann man nur einen Skandal so falsch einschätzen?, fragt sich De Morgen in seinem Leitartikel. Doch hatte die PS wohl ihre Gründe für ihre Passivität. Die lokalen Strukturen und Netzwerke sind die Machtbasis der Sozialisten. Diese Welt mit dem Hammer abzubrechen, ist also höchstriskant. In der Zwischenzeit bestätigt die frankophone Politik alle Klischees und Vorurteile: Publifin und Kasachgate scheinen zu beweisen: Die Liberalen sorgen für die Reichen, die Sozialisten sorgen für sich selbst.Und das alles in einer Zeit, wo man vom Bürger erwartet, dass er den Gürtel enger schnallt, wettert La Dernière Heure. Die Signale könnten desaströser nicht sein.
"Di Rupo muss weg"
Erst recht vor diesem Hintergrund ist der Publifin-Skandal für die PS tödlich, analysiert De Standaard. Alle neuerlichen Reformversprechen klingen hohl, überzeugen nicht. Für Paul Magnette rückt die Stunde der Wahrheit näher. Schon bald wird er entscheiden müssen, ob es nicht doch besser wäre, Elio Di Rupo aus dem Amt zu putschen. Denn wenn er nicht aufpasst, dann übernimmt er 2019 eine Partei, die in Trümmern liegt.
Het Nieuwsblad sieht das ähnlich. Der Publifin-Skandal steht stellvertretend für das Scheitern des PS-Chefs. Auch zehn Jahre nach Di Rupos Kriegserklärung an die "Profiteure", leben immer noch zu viele Sozialisten in der Vergangenheit. Di Rupo kann hier nicht mehr den Neuanfang symbolisieren. Er sollte gehen, solange es noch eine Partei gibt, die man vererben kann.
Auch für Gazet van Antwerpen sollte Elio Di Rupo seine Konsequenzen ziehen. Jetzt ist die Zeit, der jungen Generation das Feld zu überlassen unter Führung von Paul Magnette.
Die Früchte des Tax-Shifts
"Der Tax-Shift schafft 41.500 neue Arbeitsplätze", titelt derweil Het Laatste Nieuws. Die Zahl kommt von dem Expertenbüro SD WORX. Das wird die Regierung gerne hören. Über diesen Tax-Shift hat die Equipe um Premier Charles Michel ja insbesondere die Steuern auf Arbeit gesenkt; für die Unternehmen wurde Personal günstiger und offensichtlich stellen die Firmen jetzt tatsächlich neue Mitarbeiter ein. Laut SD WORX sollen niedrigeren Lohnkosten außerdem dafür gesorgt haben, dass rund 35.000 Arbeitsplätze erhalten wurden. Insofern wäre also die Rechnung der Regierung damit aufgegangen.
RoP - Foto: Thierry Roge (belga)