"Erster Arbeitstag: zwei Handelsabkommen in den Mülleimer geworfen", titelt Het Nieuwsblad. "Trump isoliert die USA", so die Schlagzeile von Le Soir.
Der neue US-Präsident Donald Trump hat gleich zum Auftakt seiner ersten vollen Arbeitswoche Ernst gemacht. Wie im Wahlkampf versprochen kippte er per Dekret das Transpazifische Handelsabkommen TPP. Das steht für eine Freihandelszone, die eine ganze Reihe von Pazifik-Anrainerstaaten umfassen soll, von den USA über Kanada, Australien und Neuseeland bis hin zu Chile, Vietnam und Japan. Die USA sind gestern also ausgestiegen. Auch ein zweites Freihandelsabkommen mit Kanada und Mexiko, das sogenannte NAFTA, will Trump "neu verhandeln"; damit steht auch NAFTA auf der Kippe.
Allerdings: "Der Widerstand wächst", wie Gazet van Antwerpen auf ihrer Titelseite bemerkt. Denn auch innerhalb von Trumps republikanischer Partei gibt es traditionell zahlreiche Befürworter von internationalen Freihandelsabkommen.
Einige Zeitungen sehen in der Entscheidung nur ein Symptom. Het Laatste Nieuws packt es in eine ebenso sarkastische wie düstere Schlagzeile: "Und am ersten Tag erschuf er... einen Handelskrieg", schreibt das Blatt auf Seite eins.
"Trump steuert auf einen Handelskrieg zu", warnt auch der renommierte Ökonom Paul De Grauwe auf der Titelseite von De Morgen. Im Umkehrschluss werden die Amerikaner nämlich die Einfuhrzölle für ausländische Waren anheben, um ihre eigene Wirtschaft zu schützen. Und das könne nur auf einen Handelskrieg hinauslaufen. Und es wäre nicht das erste Mal, dass ein Wirtschaftskonflikt sich am Ende zu einem echten Krieg entwickelt, meint De Grauwe.
Publifin-Panik-Fußball
Die frankophonen Zeitungen richten derweil ihr Hauptaugenmerk weiterhin auf den Publifin-Skandal. "Die PS lässt Stéphane Moreau fallen, um aus dem Publifin-Sumpf herauszukommen", titelt La Libre Belgique. Die frankophonen Sozialisten haben gestern einen Katalog von 21 Verhaltensregeln präsentiert, die allesamt zu einer "besseren Regierungsführung" beitragen sollen.
Wichtiger Punkt: Künftig soll es nicht mehr möglich sein, gleichzeitig Bürgermeister beziehungsweise Schöffe zu sein und im Vorstand eines Unternehmens zu sitzen, an dem die Öffentliche Hand direkt oder indirekt beteiligt ist. Für Stéphane Moreau bedeutet das konkret: Entweder er bleibt Bürgermeister von Ans oder er zieht weiter als Hauptgeschäftsführer der Publifin-Tochter Nethys die Strippen.
Auch andere Parteien, wie im Übrigen die Wallonische Region, arbeiten an neuen Ethik-Maßgaben. L'Echo bringt es zynisch auf den Punkt: "Plötzlich schäumt alle Welt über vor Ideen mit Blick auf eine bessere Regierungsführung". "Wir werden jetzt besser regieren, ehrlich!, versprochen!", so resümiert es L'Avenir.
Ist das nicht ein bisschen spät?, fragt sich die Zeitung in ihrem Leitartikel. Plötzlich schießen die Ideen nur so aus dem Boden. Warum musste es denn erst eine schwere demokratische Systemkrise geben, bevor die Parteien endlich die Selbstregulierung in die Hand nehmen? Was wir jetzt beobachten, das ist reiner Panik-Fußball. Statt vorzusorgen ist die Politik gerade dazu genötigt, in aller Eile notdürftige Maßnahmen zu ergreifen.
Über Zeitgeist, Scheinheiligkeit und halbherzige Maßnahmen
"Wir müssen auf den Zeitgeist reagieren", begründeten zwei illustre Vertreter der Lütticher PS die neuen Regeln. Nämlich Jean-Claude Marcourt und Willy Demeyer. "Soll das ein Witz sein?", wettert Le Soir in seinem Leitartikel. Zeitgeist? Als ob die Menschen bis vor Kurzem noch überhaupt kein Problem damit gehabt hätten, wenn sich Politiker die Taschen vollstopfen. Hier Zeichen der Zeit sehen zu wollen ist eine glatte Unverschämtheit. Scheinheiliger als die traditionellen Parteien PS, MR und CDH kann man im Übrigen nicht auftreten. Jetzt wollen sie der Ämterhäufung den Kampf ansagen, vor einigen Wochen noch wollten sie die Regeln lockern.
La Libre Belgique versucht, dem Ganzen etwas Positives abzugewinnen. Natürlich ist hier viel Scheinheiligkeit im Spiel. Aber immerhin passiert jetzt endlich etwas. Allerdings darf man sich fragen, ob das Großreinemachen entschlossen genug vorangetrieben wird. Es gibt nicht nur Profiteure bei der PS. Von MR und CDH hört man in diesem Zusammenhang aber nur sehr wenig.
Die flämischen Zeitungen tun sich derweil schwer damit, insbesondere der PS ihren Sinneswandel abzukaufen. "Halbherzige Maßnahmen sollen die Veränderung bei der PS herbeiführen", frotzelt etwa De Morgen. Het Nieuwsblad glaubt, den Grund dafür zu kennen: Machen wir uns nichts vor, meint das Blatt in seinem Leitartikel, Elio Di Rupo wagt es nicht, sich die Lütticher PS-Sektion vorzuknöpfen. Die lokalen Baronien verfügen über ein gehöriges Maß an Autonomie. Dass es Di Rupo nicht auf einen offenen Krieg anlegen will, hat wohl auch mit seinem persönlichen Überlebensinstinkt zu tun.
Für Het Laatste Nieuws steht der PS-Chef dennoch in der Unterhose da. Schon vor über zehn Jahren wollte er persönlich "Jagd auf die Parvenüs machen", die Profiteure in seiner Partei. Und was stellt man fest? Heute sind die Profiteure zahlreicher denn je.
Was heißt denn schon "normal"?
Einige flämische Zeitungen beschäftigen sich mit dem offenen Brief, den der niederländische Premier Mark Rutte in einigen Zeitungen seines Landes veröffentlicht hat. Darin wendet er sich insbesondere an Migranten und empfiehlt ihnen wärmstens, sich an die Regeln in ihrem Gastland zu halten. Sein Fazit: "Seid 'normal', oder geht." Für De Morgen legt der Wahlkämpfer Rutte hier einen "Bauchtanz vor den Rechtsextremen" hin.
Die liberale Kollegin in Belgien, OpenVLD-Chefin Gwendolyn Rutten, ist derweil mit Mark Rutte auf einer Wellenlänge. De Standaard findet das bedenklich. Was bitteschön heißt denn "normal"? Wenn das Bürgerrecht im Endeffekt nur von einer Einstellung abhängt, die zudem undefinierbar ist, dann ist das allenfalls ein Zeichen dafür, dass die Liberalen ihren Kopf verlieren.
Roger Pint Foto: Saul Loeb/AFP