"America first", titeln Het Belang van Limburg und La Libre Belgique. Damit der Rest der Welt das auch versteht, liefern Le Soir, L'Avenir und das GrenzEcho die Übersetzung: "Amerika zuerst".
Das ist die Kernbotschaft des neuen US-Präsidenten Donald Trump. Trump ist am Freitag in Washington offiziell vereidigt worden. In seiner ersten Rede als US-Präsident musste man aber den Eindruck haben, dass der Mann sich immer noch im Wahlkampf wähnt. De Morgen bringt es mit einer beißenden Schlagzeile auf den Punkt: "Der Präsident, der vergessen hat, präsidentiell zu sein".
Het Nieuwsblad bringt ein Foto, auf dem man den neuen Präsidenten sieht, wie er salutiert. Neben ihm steht seine Gattin Melania, die ebenfalls ziemlich ernst dreinschaut. Die Schlagzeile: "Schön und rücksichtslos" - das ist zugleich die flämische Übersetzung der amerikanischen Seifenoper "Reich und schön"...
"America first"
Die Antrittsrede von Donald Trump hat in jedem Fall ihre Wirkung nicht verfehlt. "America first", der Slogan steht offensichtlich für lupenreinen Protektionismus. Trump machte nämlich klar: "Wir werden nur noch amerikanische Produkte kaufen und nur noch amerikanische Arbeitskräfte einstellen. "Amerika kehrt sich vom Rest der Welt ab", so bringt es Het Laatste Nieuws auf den Punkt. Das Blatt fügt auf Seite eins fast schon verbittert hinzu: "Erst Amerika, der Rest der Welt, der kann krepieren", schreibt das Blatt in Blockbuchstaben.
Donald Trump hat ja darüber hinaus bei seiner Antrittsrede gleich vollmundig eine "Zeitenwende" angekündigt. De Standaard spricht denn auch von der "Trumpischen Revolution". Trump hat ja dem versammelten Establishment gestern in Washington quasi die volle Dosis Verachtung entgegengebracht. Bislang habe in Washington eine kleine Politikerclique an den Bürgern vorbeiregiert und sich die eigenen Taschen gefüllt. "Ab jetzt übernimmt wieder das Volk die Macht in diesem Land", zitiert Gazet van Antwerpen den neuen US-Präsidenten.
Diese Attitüde könnte einem fast schon den Atem verschlagen, meint die Zeitung in ihrem Leitartikel. Vor den Augen seiner Vorgänger verspricht er den radikalen Bruch mit der Vergangenheit. Zugegeben: Die deutliche Sprache des neuen Präsidenten mag zuweilen erfrischend klingen. Unterm Strich bleibt aber ein dumpfes Gefühl, nämlich, dass uns andere Zeiten bevorstehen, bange Zeiten.
Ohne Zweifel, meint Het Nieuwsblad, die Antrittsrede war populistisch, aggressiv, ohne jede Nuance - so kennen wir Donald Trump aber schon. Der neue Präsident hat zudem allen anwesenden Vertretern des Washingtoner Establishments ihre bisherige Politik rechts und links um die Ohren gehauen. Das alles klang wie eine einzige Kriegserklärung. Frage ist jetzt, wie sich das in der Praxis äußern wird, wen er da genau im Visier hat.
"Klimatischer Schock"
Manchmal wollte man sich kneifen, um sicher zu sein, dass das kein böser Traum ist, meint verbittert Het Belang van Limburg. Die Antrittsrede klang unwirklich. Hohle Phrasen mit einfältigen Argumente; dramatische Kunstpausen, die theatralisch anmuteten, dazu eine bizarre Körpersprache. Mit jedem Satz wurde dem Zuhörer unbehaglicher. Im Stillen hofften wohl viele, dass irgendwann einer auf die Bühne springt und sagt: "Hey Leute, das ist alles nur ein schlechter Scherz". Aber nein, Donald Trump ist jetzt sogar der Mann, der der Finger auf den Atomkoffer hat. Armes Amerika!
Die Vereidigung und die Antrittsrede von Donald Trump wirken wie ein klimatischer Schock, findet De Morgen. Es ist, als komme man nach einem Urlaub im warmen Süden im winterlichen Zaventem an, mit mal eben einem Temperaturunterschied von gefühlten 30 Grad. Was für ein Kontrast mit Barack Obama! Donald Trump führte seinem Land ein ums andere Mal düstere Visionen vor Augen, unter anderem von quasi verwüsteten Landstrichen. Aus dem Mund eines Milliardärs, der über Jahre hinweg kaum beziehungsweise keine Steuern bezahlt hat, klingt das besonders zynisch. Und der Rechtsextremist in Donald Trump predigte dann Protektionismus, America first. Den Flamen sollte das bekannt vorkommen, schließlich lautet der Wahlspruch des rechtsextremen Vlaams Belang doch "eigen volk eerst".
Donald Trump und das "Volk"
Die Frage ist, wie Trump das Wörtchen "Volk" versteht, gibt De Standaard zu bedenken. Offensichtlich glaubt er, dass er selbst das Volk ist, Donald Trump eben. Und wer gegen Donald Trump ist, der ist demzufolge gegen das Volk. In Washington stand da also am Freitag ein Politiker am Mikro, der mal eben die Politik der letzten 40 Jahre über Bord geworfen hat, auch die der eigenen Partei. Frage ist nur, was passiert, wenn die Realität den Präsidenten dann doch irgendwann mal einholt. Wem will er dann die Schuld geben?
Auch Le Soir stößt sich am Gebrauch des Volksbegriffes durch den neuen US-Präsidenten. Für das, was Trump predigt, gibt es viele Bezeichnungen: Protektionismus, Isolationismus, Patriotismus, Nationalismus, kurz und knapp, Populismus. America First: Trump will dem "Volk" die Macht zurückgeben. Eine solche Rhetorik hat schon einmal die Welt in die faschistische Apokalypse geführt.
Het Laatste Nieuws ist etwas vorsichtiger mit historischen Parallelen. Es gibt das so genannte "Godwin-Gesetz", das besagt, dass in einem Streitgespräch irgendwann einer der Kontrahenten in Ermangelung von Argumenten einen Vergleich mit dem Zweiten Weltkrieg oder den Holocaust ins Feld führt. Donald Trump vielleicht am Ende mit Adolf Hitler zu vergleichen und seine Wähler pauschal als stramme Neonazis abzutun, das geht in jedem Fall entschieden zu weit. Nicht vergessen: Auch bei uns gibt es viele Menschen, die sich abgehängt fühlen, die den Eindruck haben, seit Jahren vergessen worden zu sein. Das ist nicht die Schuld von Donald Trump, sondern vielmehr die der traditionellen Parteien, die Politikern wie Donald Trump direkt oder indirekt das Bettchen machen, meint Het Laatste Nieuws.
Trump als Chance
Einige Blätter wollen derweil dem Ganzen offensichtlich doch noch etwas Positives abgewinnen. Zugegeben, meint etwa La Libre Belgique, gerade für uns Europäer werden es wohl vier lange, lange Jahre. Vier Jahre, in denen wir einen unberechenbaren US-Präsidenten ertragen müssen, der seine Popularität einer Fernseh-Show zu verdanken hat, der Europa mit keinem Wort erwähnt und die Nato für überflüssig hält. Für die Europäer kann das aber eine Chance sein. Wir sollten die Gelegenheit beim Schopf packen, unser Schicksal selbst in die Hand nehmen, um auf der Weltbühne endlich das Gewicht zu haben, das Europa eigentlich zusteht.
"Weg mit Publifin!"
L'Echo bleibt seinerseits doch noch ein wenig in Belgien, und haut weiter auf den Nagel Publifin. Genauer gesagt geht es um die Publifin-Tochter Nethys, bei der ja Stéphane Moreau, der Bürgermeister von Ans, der Hauptgeschäftsführer ist. Und wieder eine vernichtende Schlagzeile: "Innerhalb von zwei Jahren soll Nethys 4,4 Millionen Euro an zehn treue Mitstreiter verteilt haben", schreibt L'Echo. Unter diesen zehn Leuten sind acht Politiker.
Publifin, das ist doch nur die Spitze des Eisbergs, meint das Blatt in einem bissigen Kommentar. Allen voran die Sozialisten haben über Jahrzehnte hinweg ein System aufgebaut, von dem in erster Linie Sozialisten profitieren. Und um die anderen gefügig zu machen, hat man ihnen ein paar Krümel abgegeben. Insbesondere in Lüttich hat sich Publifin-Nethys zu einem Staat im Staat entwickelt, und dabei sämtliche Kontrollmechanismen nach und nach ausgeschaltet. Vergessen Sie Montesquieu mit seinen Gegenkräften, die die Macht ausbalancieren sollen. Jetzt ist es an der Zeit, dieses System einzureißen.
Roger Pint - Bild: Robyn Beck/AFP