"Publifin: das politische Erdbeben", titelt Le Soir. "Paul Furlan hat sich im Publifin-Skandal verheddert", so die Schlagzeile von La Libre Belgique. Im Skandal um die astronomischen Sitzungsgelder bei der öffentlichen Finanzholding Publifin und einigen ihrer Tochtergesellschaften gab es einen neuen Paukenschlag: Der stellvertretende Kabinettschef des wallonischen Ministers Paul Furlan (PS) ist zurückgetreten.
Dieser Claude Parmentier hat über Mandate bei Publifin, beziehungsweise der Publifin-Tochter Nethys, ebenfalls horrende Honorare bezogen. Man spricht von über 150.000 Euro brutto. Das Pikante: Der PS-Minister Paul Furlan ist zuständig für die Aufsicht der lokalen Behörden, also auch der Interkommunalen.
Dass einer seiner engsten Mitarbeiter in den Skandal verwickelt ist, bringt ihn also in eine sehr delikate Lage. Heute wird Furlan im wallonischen Parlament Stellung beziehen müssen. "Das wird ein schwieriger Auftritt", notiert L'Avenir sinngemäß auf Seite eins. "Die Opposition fordert jedenfalls den Rücktritt des PS-Ministers", bemerkt L'Echo auf seiner Titelseite.
Auch für die CDH wird der Publifin-Skandal offensichtlich langsam gefährlich: Le Soir hat recherchiert, dass auch der Kabinettschef des wallonischen CDH-Vize-Ministerpräsidenten Maxime Prévot Vorstandsmitglied einer Publifin-Filiale ist. Sein Honorar falle aber mit 1.000 Euro brutto pro Monat noch vergleichsweise bescheiden aus.
Publifin-Skandal versetzt politische Klasse der Wallonie in Panik
Die alten Dämonen sind zurück, meint dazu L'Echo in seinem Leitartikel. Man fühlt sich zurückversetzt in die Zeit des Skandals um die Soziale Wohnungsbaugesellschaft von Charleroi, die Carolorégienne. Schon seinerzeit, 2005, wollte der damalige und heutige PS-Chef Elio Di Rupo "Jagd auf die Parvenüs" machen, die Emporkömmlinge, die Profiteure. Etwas mehr als zehn Jahre später stehen wir wieder vor dem gleichen Scherbenhaufen.
Diese "Parvenüs", diese schmierigen Profiteure, es gibt sie immer noch, stellt auch La Libre Belgique fest. Jene allmächtigen Lokalpotentaten, die buchstäblich unzählige Ämter gleichzeitig bekleiden, die jedes Schlupfloch nutzen, um sich über geltende Regeln hinwegzusetzen. Dabei muss man betonen, dass es sich hierbei nur um eine kleine Minderheit handelt. Nichtsdestotrotz: Diese Blutsauger müssen weg!
Die gesamte politische Klasse im Süden des Landes ist in Panik, diagnostiziert L'Avenir. Man scheint zu spüren, dass die Bevölkerung jetzt eine entschlossene Reaktion erwartet. Es ist zwar nicht gesagt, dass Paul Furlan den Hut wird nehmen müssen; eben angesichts des aufgeheizten Klimas wird die Luft für ihn aber ziemlich dünn.
Sich empört zu zeigen, reicht in diesem Fall nicht, findet Le Soir. Der Publifin-Skandal bringt ein ganzes System in Misskredit. Warum gab es keine Regeln, die solchen Praktiken längst einen Riegel vorgeschoben hätten? Warum musste es erst einen Skandal geben, um auf das Problem aufmerksam zu machen? Warum hat die Wallonische Region es indirekt ermöglicht, dass solche Monster entstehen konnten? Da muss sich am Ende wirklich niemand mehr wundern, wenn Extremisten oder Demokratiefeinde an die Macht kommen.
Harter Brexit – May spricht Klartext
"Von wegen Theresa 'Maybe'", so derweil die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. Es gab kein "maybe", kein "vielleicht"; die britische Premierministerin Theresa May hat gestern einen "harten" Brexit angekündigt. Keine halben Sachen also; Großbritannien will voll und ganz aus der EU austreten. Das ist nur konsequent. Den Briten ist wohl aufgegangen, dass eine "Mitgliedschaft à la Carte" unrealistisch ist.
Wenn die Insel die Einwanderung kontrollieren will, dann muss sie sich vom gemeinsamen Binnenmarkt verabschieden. Die Folgen können für Großbritannien schwerwiegend sein. Aber auch für die EU werden die nächsten Jahre von entscheidender Bedeutung sein.
Theresa May übernimmt tapfer ihre Verantwortung, meint Gazet van Antwerpen. Jetzt muss man nur eins hoffen: Nämlich, dass die Scheidung möglichst schnell über die Bühne geht; schnell, aber auch möglichst unangenehm, um andere EU-Staaten abzuschrecken, den Briten nachzueifern. Europa hat nämlich ganz andere Sorgen.
Das gilt allerdings auch für Großbritannien, glaubt De Morgen. "Jetzt kann das Vereinigte Königreich definitiv auseinanderbrechen", meint De Standaard Blatt auf Seite eins. Die Schotten hatten sich ja massiv für einen Verbleib in der EU und gegen einen harten Brexit ausgesprochen.
Het Laatste Nieuws warnt seinerseits beide Seiten, sich von Rachegelüsten leiten zu lassen. Die Briten wären etwa schlecht beraten, die Insel wie angedroht in eine Steueroase zu verwandeln. Und auch die Europäer sollten sich hüten, im Sinne der bisherigen Handelsbeziehungen alle Brücken abzureißen. Das sollte sich auch Guy Verhofstadt hinter die Ohren schreiben.
Hat der "schlaue Fuchs" den Bogen überspannt?
Apropos Guy Verhofstadt: Dessen "Machtspiele bringen sein Brexit-Mandat in Gefahr", bemerkt De Standaard auf Seite eins. Der belgische Altpremier hat gestern Freund wie Feind überrascht, als er kurzfristig seine Kandidatur für den Vorsitz des EU-Parlaments zurückzog. Stattdessen schloss er ein Bündnis mit der EVP, der Fraktion des späteren Gewinners Antonio Tajani.
Beobachter glauben, dass die wiederholten politischen Winkelzüge dem feurigen Liberalen zum Verhängnis werden könnten. Verhofstadt soll ja bei den Brexit-Verhandlungen das EU-Parlament vertreten. Het Laatste Nieuws hingegen nennt ihn einen "schlauen Fuchs". Durch den Deal mit der EVP sichert er seiner liberalen Fraktion zusätzliche Posten. Seine Kollegen werden es ihm danken.
In vielen Zeitungen schließlich sieht man das Foto der belgischen Leichtathletin Nafissatou Thiam. Die Olympiasiegerin von Rio soll das neue Gesicht des Sportgiganten Nike werden. Und das weltweit.
rop - Bild: Bruno Fahy (belga)