"Merkel in Brüssel", titelt Le Soir. "Deutsche Bundeskanzlerin plädiert für ein stärkeres Europa", bemerkt Het Belang van Limburg. Und bei De Standaard heißt es auf Seite eins: "Angela Merkel geehrt".
Die Universitäten Löwen und Gent haben der deutschen Kanzlerin Merkel gestern in Brüssel die Ehrendoktorwürde verliehen – für ihre "mutige und humane Haltung in der Flüchtlingskrise". In ihrer Dankesrede erklärte Merkel, dass Europa nicht erwarten könne, dass "andere die Probleme in den Nachbarstaaten lösen".
Die EU müsse aktiver werden, schneller und bürgernäher. Dann stelle die Union auch in Zukunft einen Mehrwert dar. Besonders wichtig sei eine engere Zusammenarbeit bei der Migration, der Terrorbekämpfung sowie der Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
Würdigung einer außergewöhnlichen Politikerin
De Morgen findet, dass Merkel – trotz aller Kritik an ihrer Person – die Ehrendoktorwürde völlig zu Recht verliehen wurde. Ihre berühmten drei Worte "Wir schaffen das" hat sie auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise ausgesprochen, als Zehntausende Migranten in Osteuropa festsaßen. Die Grenzen zu öffnen, war damals die richtige Entscheidung, um ein Blutvergießen zu verhindern.
Inzwischen hat Deutschland seine Asylpolitik mehrmals verschärft und Merkel eine teilweise Kehrtwende hingelegt. Sie ist keine Heilige und die Ehrendoktorwürde auch keine Heiligsprechung, sondern eine Anerkennung für eine außergewöhnliche Politikerin, die in außergewöhnlichen Zeiten nicht die Augen verschlossen, sondern ihren Job gemacht hat.
Genauso sieht es Het Laatste Nieuws: Vieles, was die Realpolitikerin Merkel in ihrer Karriere gemacht hat, war nützlich und sinnvoll, aber nichts war herausragend. Vieles, was sie gesagt hat, war weise und richtig, aber nichts davon war mitreißend. Außer eben ihrem "Wir schaffen das". Egal, was man nun persönlich von Merkel halten mag: Unsere Politiker sollten sich eine Scheibe von der Entschlossenheit der deutschen Bundeskanzlerin abschneiden, fordert die Zeitung.
Merkel nutzte die Zeit in Brüssel übrigens auch noch für etwas, wofür sie normalerweise keine Muse hat, wie Le Soir bemerkt: Sie schaute sich die Altstadt und den Grand' Place an und ließ den Abend in einem Restaurant mit belgischen Spezialitäten in geselliger Runde mit Charles Michel ausklingen.
Rahmentarifabkommen als Chance für Charles Michel
Zur Einigung der Sozialpartner auf ein neues Rahmentarifabkommen meint Gazet van Antwerpen: Endlich ist es Arbeitgebern und Gewerkschaften noch einmal gelungen, sich zu verständigen. Neben möglichen Indexerhöhungen sieht das Mantelabkommen für die nächsten beiden Jahre für die Beschäftigten der Privatwirtschaft Gehaltserhöhungen von maximal 1,1 Prozent vor. Die Föderalregierung sollte das Abkommen jetzt würdigen und umsetzen, fordert Het Belang van Limburg.
Le Soir hält fest: Das sollte es der Regierung wert sein, damit die zuvor ins Stocken geratene Gesprächsbereitschaft zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern wieder Fahrt aufnimmt. Die Koalition weiß, was zu tun ist, damit die Lohnkosten hierzulande nicht wieder explodieren: Sie muss die Inflation unter Kontrolle bringen, das heißt: keine neuen Steuererhöhungen für Konsumgüter bei den kommenden Haushaltsrunden. Das Abkommen der Sozialpartner ist auch die Chance für Charles Michel, endlich zu beweisen, dass er es ernst meint mit dem sozialen Frieden, fügt L'Echo hinzu.
Galants "mitleiderregendes Büchlein"
"Je vous dis merde!" - "Sie können mich mal!", heißt das neue Buch der zurückgetretenen Verkehrsministerin Jacqueline Galant. Darin schießt sie gegen die politischen Eliten in Namur und Brüssel, wie Le Soir festhält. Unter anderem wirft sie einigen Ministern vor, zahlreiche Geliebte zu haben. Wenn die Bürger wüssten, was im Regierungsviertel hinter den Kulissen abgeht, wären sie noch angewiderter von der Politik, so die MR-Frau. Laut Galant tobt außerdem der Grabenkrieg zwischen den Michel- und Reynders-Klans innerhalb ihrer Partei nach wie vor.
La Libre Belgique fragt sich, was dieses sogenannte "Buch" überhaupt darstellen soll: Ist dieses derb geschriebene Werk eine Abrechnung unter der Gürtellinie? Eine billige Psychoanalyse? Oder gar der politische Selbstmord von Galant?
Die MR-Bürgermeisterin von Jurbise schiebt die Schuld für ihr Verhalten als Politikerin auf ihre schwere Kindheit und ihren Alkoholiker-Vater, ihre unvorteilhafte Figur und die Tatsache, dass sie selbst in Regierungskreisen immer als Landei verspottet wurde. Das mag zwar alles stimmen, meint die Zeitung, es rechtfertigt dennoch nicht ihre inhaltlichen Schwächen, ihre Fettnäpfchen und Wutausbrüche. Kurzum: ihre schlechte Arbeit als Ministerin.
Auch L'Avenir zeigt sich wenig begeistert von dem "mitleiderregenden Büchlein". Das Fazit der Zeitung: Man wird wenig zurückbehalten von diesem Werk, außer der Verbitterung einer Frau, die die Schuld für ihr Scheitern und ihre Enttäuschungen nur bei anderen sucht.
Alain Kniebs - Foto: David Stockman/BELGA