Der N-VA-Vorsitzende Bart De Wever versichert in einem Interview mit La Libre Belgique und De Standaard, dass die Schaffung eines unabhängigen Flanderns eine normale Entwicklung ist. Gewisse Bereiche, wie Asylpolitik oder Verteidigungspolitik, werden von Europa übernommen, während Flandern weitere Befugnisse erhalten wird. Die Spaltung des Landes ist nicht das Ziel, sondern nur die Konsequenz der letzten hundert Jahre. Ich werde nicht auf den Knopf drücken, um Belgien in die Luft zu jagen, versichert De Wever.
Het Nieuwsblad warnt: Die Politik der vergangenen drei Jahre darf sich nicht wiederholen. Man muss wieder zusammenarbeiten, doch die Aussichten auf eine neue Blockierung sind reell. Verhandlungen und Kompromisse sind notwendig. De Wever und Di Rupo können beweisen, dass sie Politiker eines anderen Kalibers sind.
Le Soir stellt fest: Die beiden Männer haben ein deutliches Mandat ihrer Gemeinschaft erhalten. Sie haben die Legitimität, aber auch die Verpflichtung, sich an die Arbeit zu machen. Die künftige Koalition könnte ein Spiegelbild der regionalen Mehrheiten werden. Das könnte sich im Rahmen einer gründlichen Reform des belgischen Föderalismus' als sehr nützlich erweisen.
Rendezvous mit der Geschichte
Gazet van Antwerpen fügt hinzu: Auf flämischer Seite wären N-VA, SP.A und CD&V die Koalitionspartner, eventuell noch Groen!. Auf frankophoner Seite PS, cdH und Ecolo. Diese Koalition hätte eine Zweidrittelmehrheit, die für Verfassungsänderungen erforderlich ist. Di Rupo und De Wever haben Rendezvous mit der Geschichte.
De Standaard behauptet: Die beiden Männer unterscheiden sich in allen Punkten. Dennoch steht das einem Durchbruch in der Nationalitätenfrage nicht im Wege. Sie müssen den historischen Augenblick erkennen und ausnutzen. Es ist völlig neu, dass die Verantwortung von nur zwei Personen getragen wird. Die Verhandlungen sind zur Chefsache geworden. Zwei Generäle in einem Zelt. Es ist ihnen schon gelungen, die Macht in ihrer eigenen Gemeinschaft zu ergreifen, weil die Zeit reif dafür war. Und sie waren reif für die Zeit. Jetzt liegt die Initiative bei ihnen, doch sie dürfen sie nicht aus der Hand geben.
Größter flämischer Wahlsieg bringt frankophonen Premierminister
Het Laatste Nieuws findet es befremdend, dass der größte Wahlsieg, den ein flämischer Politiker jemals errang, schließlich einen linken wallonischen Premierminister an die Macht bringt, den alles von der N-VA trennt. Man muss sich fragen, ob eine linke Regierung, in der zwei Gewerkschaften großen Einfluss haben, gut für das Land ist, das in einer Wirtschaftskrise steckt und das dringend seinen Haushalt sanieren muss.
De Morgen warnt: Wenn es zwischen De Wever und Di Rupo schiefgeht, sind die Folgen nicht abzusehen. Dann steht das Land wieder dicht vor einer Regimekrise. Einige N-VA-Mitglieder hätten das vielleicht gerne, doch De Wever unterstreicht, dass es nicht seine Absicht ist. Der Augenblick ist historisch. Die beiden Politiker befinden sich in ihrem Landesteil in einem Stand der Gnade. Die FDF ist beiseitegeschoben. Die Bürger des Landes wollen eine Lösung der Probleme. Das politische Kräfteverhältnis lässt eine Koalition zu, die die regionalen Koalitionen wiederspiegelt. Eine neue Regierung hätte vier Jahre Zeit, um ihr Abkommen umzusetzen. Eine solche historische Chance bietet sich nicht oft.
Koalitionsbildung muss schnell gehen
De Tijd schreibt: Es besteht Hoffnung. Doch es muss schnell gehen. Je frischer der Siegesrausch im Gedächtnis ist, desto einfacher ist es, einen Kompromiss zu schließen. Je schneller es geht, desto weniger Zeit bleibt den Finanzmärkten, um Belgien anzugreifen.
La Libre Belgique spürt bei De Wever und Di Rupo den Willen, belgische Geschichte zu schreiben und jene zu sein, die das Land verändert und stabilisiert haben. Dennoch wird es nicht einfach sein, denn auf institutioneller Ebene haben sie keine Gemeinsamkeiten. Auch auf sozialwirtschaftlichem Gebiet sind die Meinungsverschiedenheiten gewaltig.
Bild: belga