"Der meistgesuchte Mann Europas", titelt Le Soir. "Man kannte ihn, man beobachtete ihn, und doch konnte er zuschlagen", so die Schlagzeile bei Het Nieuwsblad. Und Het Laatste Nieuws schreibt auf Seite eins: "Deutsche schießen einen Bock".
Die Suche nach dem mutmaßlichen Attentäter des Anschlags von Berlin bestimmt die Titelseiten vieler Zeitungen. Oft ist ein Bild des 24-jährigen Tunesiers zu sehen, der von den deutschen Behörden zur öffentlichen Fahndung ausgeschrieben wurde. Die Zeitungen weisen deutlich darauf hin, dass er den Antiterror-Ermittlern seit Langem bekannt gewesen war.
Kommentierend zu dem Anschlag von Berlin schreibt De Morgen: Sprechen Sie am Frühstückstisch noch sorgenvoll über den Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin? Die Chance ist gering. Werden Sie am Freitag noch einen Glühwein trinken auf einem Weihnachtsmarkt? Die Chance ist groß. Der jüngste Anschlag in Deutschland sorgt für einen psychologischen Gewöhnungseffekt und löst eine deutlich schwächere Schockwelle bei der europäischen Öffentlichkeit aus als die bisherigen Terrorangriffe. Das ist gut so. Denn je schneller wir den Terror rationalisieren, desto weniger können Terroristen unsere Gesellschaft polarisieren und das freie Zusammenleben lähmen, glaubt De Morgen.
Wieder Ärger um Sonderbehandlung der Arco-Aktionäre
Der von der Zeitung angesprochene Gewöhnungseffekt spiegelt sich dann auch in den übrigen Blättern wieder. Sie widmen ihre Leitartikel anderen Themen. Im Zentrum steht dabei das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu den Garantien, die der belgische Staat den Anteilseignern von Arco gegeben hatte.
Der als Genossenschaft organisierte finanzielle Arm der christlichen Arbeiterbewegung in Flandern war im Zuge der Dexia-Pleite ebenfalls pleite gegangen. Die CD&V, die der christlichen Arbeiterbewegung nahe steht, hatte auf diese staatlichen Entschädigungen gepocht. Der Europäische Gerichtshof hat jetzt entschieden, dass das unerlaubte staatliche Beihilfen seien.
Dazu meint Gazet van Antwerpen: Das Urteil ist richtig. Es ist nicht die Aufgabe des Staats, mit Steuergeldern Bürger zu entschädigen, die ihr Geld an der Börse verloren haben. Der brave Hausvater, der sein Geld in Anteile von Fortis gesteckt hatte, kann ja jetzt auch nicht beim Staat anklopfen, um sich sein Geld zurück zu holen, schreibt Gazet van Antwerpen.
Ähnlich der Tenor bei Het Belang van Limburg: Die Regierung Michel will jetzt einen Plan B ausarbeiten. Darauf besteht die CD&V. Denn es war die CD&V, die den Arco-Aktionären versprochen hatte, dass sie mindestens 40 Prozent ihres verlorenen Geldes wiederbekommen. Es ist zu hoffen, dass die CD&V jetzt auch darauf besteht, dass dieses Geld nicht vom Steuerzahler kommen wird, bemerkt Het Belang van Limburg.
Schmerzhaft vielleicht, aber heilsam
Auch die Wirtschaftszeitung L'Echo spricht sich ganz klar gegen die Verwendung von Steuergeldern im Fall Arco aus und schreibt: Die Regierung Michel und allen voran die CD&V täten gut daran, den Richterspruch ernst zu nehmen. Er bietet ihnen einen idealen Vorwand, um sich aus dem Projekt zurückzuziehen und die einzig richtige Schlussfolgerung zu ziehen. Nämlich: Die Anteilseigner bekommen nicht mehr zurück, als die Konkursmasse von Arco hergibt. Das kann schmerzhaft erscheinen, ist aber heilsam. Denn das würde beweisen, dass das Gemeinwohl immer noch über den Interessen der Einzelnen steht, urteilt L'Echo.
La Libre Belgique sieht eine politische Dimension. Jetzt muss die Regierung Michel die Suppe auslöffeln, die ihr die Regierung Leterme eingebrockt hat. Das wird nicht einfach sein, denn in der aktuellen Regierung sitzen sowohl CD&V, als auch N-VA. Die CD&V fühlt sich den Arco-Anteilseignern verpflichtet, die N-VA war schon immer gegen die finanziellen Zusagen, die die Regierung gemacht hatte. Es wird spannend sein, wie hier eine Lösung gefunden werden soll, so La Libre Belgique.
Kongo und Kernkraftwerke
Zur Situation im Kongo meint L'Avenir: Präsident Kabila tut alles, um an der Macht zu bleiben. Das ist logisch, wenn man sieht, welche finanziellen Vorteile er durch die Ausübung seines Amtes hat. Er, seine Familie und sein Umfeld. Gut, dass es in Belgien ganz anders ist. Hier klammert sich keiner an die Macht, nur um die Vorteile seines Amtes so lange wie möglich zu genießen, hier besetzt niemand Posten mit politischen Freunden, hier regiert nur die politische Ethik im Sinne des Allgemeinwohls, meint ironisch L'Avenir.
Das GrenzEcho schreibt zu der Weigerung des dafür zuständigen Innenministers Jan Jambon, die umstrittenen Atomreaktoren Tihange 2 und Doel 3 abzuschalten: Eins steht fest: Man kann durchaus darüber streiten, ob die Ängste und Vorbehalte, die die Atomkraft im Allgemeinen und die beiden Kernreaktoren im Besonderen auslösen, völlig übertrieben sind. Fakt ist aber, dass viele Menschen verunsichert sind.
Ein Innenminister, der sich um die Sicherheit der Bevölkerung kümmert, muss diesem Umstand Rechnung tragen und die Sorgen ernst nehmen. Doch das tut Jan Jambon nicht, und seine Aussagen, dass unsere Atomanlagen zu hundert Prozent sicher seien, lassen Zweifel an seiner Urteilskraft zu, so das GrenzEcho.
Kay Wagner - Archivbild: Dirk Waem (belga)