"Deutschland mitten ins Herz getroffen", titelt De Morgen. "Anschlag auf Weihnachtsmarkt in Berlin", schreiben Le Soir und Het Nieuwsblad. "LKW rast in Menschenmenge", so die Schlagzeilen von La Libre Belgique und L'Avenir.
Unweit der Gedächtniskirche hat sich gestern Abend ein mörderischer Anschlag ereignet. Inzwischen sind sich die Behörden sicher: Der Sattelschlepper hat vorsätzlich Kurs auf den dortigen Weihnachtsmarkt genommen. Die traurige Bilanz des Abends lautet: mindestens zwölf Tote und 48 zum Teil schwer Verletzte.
La Libre Belgique bemerkt: An der Todesfahrt auf dem Breitscheidplatz in der Berliner City West ist noch vieles rätselhaft. Die Ermittlungen der Polizei laufen auf Hochtouren. Dennoch kann man davon ausgehen, dass es sich um einen Terrorakt des Islamischen Staats handelt. Der Berliner LKW-Anschlag wurde nach dem Rezept und mit den gleichen Mitteln wie die Todesfahrt von Nizza durchgeführt. In Syrien und dem Irak erlebt die Terrororganisation seit Wochen herbe Verluste. Für Europa wird der IS dadurch immer gefährlicher, warnt die Zeitung.
Berlin: "Die Welt muss einen kühlen Kopf bewahren"
Het Laatste Nieuws meint: Der Druck und die Versuchung werden heute groß sein, um Weihnachtsmärkte, überall in Europa stärker zu sichern. Mit mehr Polizeibeamten, großen Betonblöcken und wenn es sein muss, sogar mit der Absage von Großveranstaltungen. Das ist zwar verständlich und nachvollziehbar, im Grunde genommen ist das aber großer Unsinn. Nicht Panik ist jetzt geboten, wir sollten lieber einen kühlen Kopf bewahren und uns auf die wirklich wichtigen Dinge konzentrieren, rät das Blatt.
Het Nieuwsblad ruft ebenfalls dazu auf, Ruhe zu bewahren. Zugegeben: Angesichts der gestrigen Ereignisse ist das alles andere als einfach. Neben der Todesfahrt von Berlin ist auch die türkische Hauptstadt Ankara Schauplatz eines Anschlags geworden. Beim Besuch einer Kunstaustellung ist der russische Botschafter Andrej Karlow erschossen worden.
1914 vs. 2016: Explodiert das Pulverfass?
Unmittelbar nach der Tat drängte sich, so die Zeitung, eine Frage auf: Ist das der Beginn der Dritten Weltkriegs? Ist Ankara das Sarajewo von 1914, als mit dem Mord am österreichischen Kronprinzen Franz-Ferdinand, die Welt in Brand gesetzt wurde? Het Nieuwsblad sieht keine direkte Parallele, denn kaum ein Staat hat es derzeit auf einen globalen Konflikt abgesehen. Trotzdem: In diesen Tagen scheint die Welt uns mehrmals am Tag beweisen zu wollen, dass die Menschheit verrückt geworden ist. Der Erdball scheint derzeit wieder ein Pulverfass zu sein, wohl auch deshalb tauchen das Horrorszenario mit der Lunte und die Vergleiche mit dem Ersten Weltkrieg immer wieder auf…
Kongo: Ruhe vor dem Sturm
"Die belgische Armee ist bereit, Landsleute aus dem Kongo zu evakuieren", titelt La Dernière Heure. Laut einem Sprecher halten die Streitkräfte die Lage rund um die Uhr im Auge und bereiten sich darauf vor, die 4.000 Belgier vor Ort im Ernstfall auszufliegen.
Seit Tagen ist die Situation in der Demokratischen Republik Kongo angespannt. Beobachter befürchten Ausschreitungen. Die Opposition und zahlreiche Bürgerbewegungen wollen auf die Straße gehen, um gegen den Machtanspruch des kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila zu protestieren. Dessen zweite und verfassungsmäßige letzte Amtszeit ist gestern abgelaufen; einen Termin für Neuwahlen gibt es aber nicht. Deswegen glauben immer mehr Kongolesen, dass Kabila auf seinem Posten bleiben will und dabei ist, aus dem Land eine Diktatur zu machen.
L'Écho findet: Noch hat Kabila die Wahl. Noch kann er gehen und seinen Posten in Ruhe räumen – ohne das Leben seiner Landsleute und seiner eigenen Familie in Gefahr zu bringen. Belgien sollte eine aktivere Rolle übernehmen, fordert die Zeitung. Erstens, weil wir angesichts unserer kolonialen Vergangenheit dem Land gegenüber in der Schuld stehen. Zweitens, weil die Verteidigung der Demokratie die Aufgabe einer jeden Nation sein sollte.
Und drittens, weil sich 4.000 Belgier vor Ort befinden, und auch die verdienen etwas Anderes als in Angst und Schrecken zu leben. Befürchtet werden Übergriffe der schlecht ausgebildeten und bezahlten Polizisten und Soldaten im Kongo – auch gegen belgische Auswanderer.
La Libre Belgique hält fest: Die Angst von Oppositionellen und Regimekritikern im Kongo ist nicht unbegründet. Denn Kabila hat viel mehr Mittel in den Ausbau seines Sicherheitsapparats gesteckt als in die Verbesserung der Lebensumstände seiner Bevölkerung.
Le Soir sieht nur einen Ausweg: den Vermittlungsversuch der kongolesischen Bischöfe. Sie sind die einzigen, die Kabila noch umstimmen können, damit er doch noch einen festen Wahltermin nennt. Für den Kongo wäre das wohl das schönste Weihnachtsgeschenk.
AKn - Bild: Odd Andersen (afp)