"De Wever bringt Föderalregierung in Bedrängnis", titelt La Libre Belgique. "De Wever-Affäre: Opposition verlangt Erklärung von der NVA", schreibt La Dernière Heure auf Seite eins.
Am Wochenende war bekannt geworden, dass NVA-Chef Bart de Wever unmittelbar nach den Anschlägen von Brüssel am 22. März an einer Krisensitzung des Innenministeriums teilgenommen hatte. Eine rechtliche Grundlage für diese Teilnahme von De Wever gab es nicht. Der NVA-Chef ist nicht Mitglied der Regierung. Heute soll sich De Wevers Parteikollege, Innenminister Jan Jambon, dazu im Parlament äußern.
Kommentierend meint dazu La Libre Belgique: Einmal mehr hat der NVA-Chef provoziert. Einmal mehr hat er sich unglaubliche Freiheiten erlaubt bei den politischen Regeln, die in Belgien gelten. Einmal mehr sehen seine Vertrauten und Verbündeten in der Regierung darin kein Problem. Aber dass De Wever an dieser Sitzung mit den Chefs von Polizei und Sicherheitskräften teilgenommen hat, ist und bleibt ein Verstoß. Es kann allerdings sein, dass das alles im Voraus geplant war von dem Mann, der aus dem Hintergrund die Fäden bei der Föderalregierung zieht, so La Libre Belgique.
Bart De Wever – der Stratege
Ähnliche Gedanken hat auch Het Laatste Nieuws: Die ganze Affäre wirft Fragen nach den Grenzen des Aktionsradius von Politikern auf. De Wever scheint hier keine Grenzen zu kennen und scheint ebenfalls ein gefragter Mann zu sein.
Nicht so sehr, weil er immer die nötige Fachkompetenz hat, sondern vielmehr, weil er strategisch denkt. Gleichzeitig befindet sich De Wever quasi ständig im Wahlkampfmodus, und bis 2019 wird sich daran nichts ändern. Er wird weiter versuchen, die Regierung Michel wie seine Regierung aussehen zu lassen, damit er die Erfolge der Regierung als seine Erfolge verkaufen kann, glaubt Het Laatste Nieuws.
Le Soir schreibt zur De Wever-Affäre: Die Regierungsparteien spielen die Angelegenheit herunter. Die Beratung, an der De Wever teilgenommen hat, war ein normales politisches Treffen in einer Krisensituation. Neues Thema bitte. Die Opposition wird anklagen.
Der N-VA-Vorsitzende hatte bei dem Treffen nichts zu suchen. Was hat er dabei erfahren? Was hat er mit den Informationen gemacht? Warum mischt er sich da ein? Regierung und Opposition werden sich heute in der Kammer treffen und das alles ausdiskutieren. Sehr wahrscheinlich ohne Ergebnis. These trifft auf Gegenthese, stellt Le Soir fest.
Kabila hat kein Interesse an Wahlen
L'Avenir beleuchtet die Situation im Kongo. Dort war gestern das Mandat von Präsident Kabila zu Ende gegangen. Doch weil Kabila nicht zurücktreten will, werden Unruhen befürchtet. L'Avenir schreibt: Eigentlich hätte heute Kabilas Nachfolger Präsident werden sollen. Aber diesen Nachfolger gibt es nicht.
Warum? Kabila hat keine Wahlen organisiert. Deshalb kann er jetzt völlig zu Recht sagen: Solange es kein Nachfolger gibt, übt laut Verfassung der bisherige Präsident die Macht aus. Kabila kann sich also quasi legal an der Macht halten und an Wahlen hat er auch deshalb kein Interesse, weil sie wohl katastrophal für ihn ausgehen würden, glaubt L'Avenir.
Auch De Morgen meint: Kabila hat keinen Grund, die Macht aus der Hand zu geben. Er und seine Familie besitzen 70 Unternehmen, die mit Kupfer, Gold, Diamanten und Kobalt Geld verdienen. Kabila tut nichts gegen die Armut seiner Bevölkerung, sondern führt das Land nach den Prinzipien des Kasino-Kapitalismus. Und die Schlüssel des Kasinos will Kabila natürlich nicht freiwillig aus der Hand geben, stellt De Morgen fest.
De Standaard befürchtet ein Blutbad im Kongo: Das Land hat keine Tradition in Machtwechseln, die ohne Blutvergießen auskommen. Die Lage in den östlichen Landesregionen ist seit Jahrzehnten instabil. Keiner weiß, wie lange das Militär noch auf Kabila hört. Eine neue Spirale der Gewalt droht. Das ist auch ein Versagen der westlichen Diplomatie, meint De Standaard.
Gute Idee – zum Scheitern verurteilt
Gazet van Antwerpen kommt noch einmal auf die Wahl von Sophie Dutordoir als neue Chefin der SNCB zurück und kommentiert: Wieder einmal ist nicht nur eine neue Bahnchefin ernannt, sondern gleichzeitig sind auch noch eine Reihe anderer Posten im Staatswesen neu besetzt worden. Dabei hat die Parteizugehörigkeit der Neuernannten eine Rolle gespielt.
Der SP.A-Vorsitzende John Crombez will das jetzt beenden. Keine politisch motivierte Besetzung von Verwaltungsposten mehr. Die Idee ist gut und lobenswert, hat aber keine Chance. Denn das belgische System funktioniert nun einmal so.
Crombez hat jetzt gut reden, weil er in der Opposition ist. Doch sobald die SP.A wieder an der Macht sein wird, wird sich der Diskurs ändern. Zumal, wenn die SP.A noch mit der wallonischen Schwesterpartei PS regieren sollte. Die wird sich mit Sicherheit kaum von der langjährigen Tradition der politischen Ämterbesetzung verabschieden wollen, glaubt Gazet van Antwerpen.
Kay Wagner - Foto: Benoit Doppagne/BELGA