"Wer weiß was bei Kasachgate?", schreibt De Standaard auf Seite eins. Die Entscheidung des Föderalparlaments, einen Untersuchungsausschuss zu der Affäre um den ehemaligen Senatspräsidenten Armand De Decker einzusetzen, taucht als Meldung zwar fast auf keiner Titelseite auf. Doch gleich mehrere Leitartikel beschäftigen sich mit diesem Thema.
Lob gibt es bei Le Soir: Darf sich ein Abgeordneter, der gleichzeitig Anwalt ist, mit dem Justizminister über eine Sache unterhalten, die seinen privaten Interessen dient? Darf ein Vizepräsident des Senats ein saftiges Honorar dafür erhalten, um andere Politiker zu beeinflussen? Die Antwort auf diese Fragen ist natürlich "Nein". Das sagt uns unser gesunder Menschenverstand. Aber in der Affäre De Decker scheint das seit 14 Tagen nicht zu gelten. Damit ist jetzt Schluss. Zum Glück! Die Untersuchungskommission ist dafür da, um uns etwas normalerweise Selbstverständliches wieder ins Gedächtnis zu rufen, findet Le Soir.
Ganz anders Het Laatste Nieuws: Es gibt eigentlich mehrere Gründe, keinen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Erstens: Die Angelegenheit gehört eher vor ein Gericht als vor das Parlament. Zweitens: Der juristische Dienst der Kammer ist sowieso schon überlastet mit der Aufarbeitung der Anschläge vom 22. März, der Optima-Affäre, den Panama Papers und der Terrorbekämpfung. Drittens: Wenn De Decker sich auf seine Schweigepflicht als Anwalt beruft und nichts sagt, wird auch nichts herauskommen. Das wäre eine große Gefahr. Denn wenn die Politiker in dieser Sache kein Zeichen setzen, dürfen sie nicht verächtlich auf die Bürger schauen, die in die Arme von Populisten laufen, so Het Laatste Nieuws.
Auch De Standaard mahnt zum Erfolg: Es geht um mehr als nur um Kosmetik, es geht um Grundsätzliches. Viele Abgeordnete, die vor dem Untersuchungsausschuss aussagen werden, haben bislang geschwiegen. Die Läuterung des Parlaments wird deshalb ein peinliches Bekenntnis werden, ein Eingeständnis von Fehlern und Schwächen der Politiker. Aber nur so kann der erste Schritt gemacht werden, um die Würde des Parlaments wiederherzustellen, glaubt De Standaard.
Ämterhäufung im "stillen Kämmerlein" wieder zugelassen
"Einigung 'in größter Diskretion'", schreibt das GrenzEcho zu dem Vorhaben der wallonischen Koalitionspartner PS und CDH, mit Unterstützung der MR, wieder weitgehend Ämterhäufung zuzulassen. Kommentierend meint das Blatt: Das Problem ist nicht nur, was, sondern wie entschieden wurde. PS-Chef Elio Di Rupo und MR-Präsident Olivier Chastel haben sich "in größter Diskretion" verständigt. CDH-Boss Benoît Lutgen sitzt mit im Boot. Bürgerbeteiligung? Transparenz? Fehlanzeige! Wenn es um Posten geht, entscheiden letztlich die Parteispitzen – im stillen Kämmerlein versteht sich, bemerkt das GrenzEcho.
Auch L'Avenir kritisiert: Welch trauriges und bedauernswertes Signal, welch fatales Timing! Das Vorhaben, Ämterhäufung quasi überall wieder zuzulassen, wird die öffentliche Meinung nur darin bestärken, dass wir in einer Klüngelrepublik leben, in der man sich unter Freunden arrangiert und die Demokratie so nutzt, wie es einem gerade passt. Über weitere Erfolge der Populisten wird man sich nicht wundern dürfen, so L'Avenir.
Medizin-Zulassungstests: "Das war mal wieder nichts!"
Zur neu beschlossenen Aufnahmeprüfung zum Medizinstudium in der Wallonie kommentiert La Libre Belgique: Das war mal wieder nichts! Richtig ist zwar, dass jetzt Schluss ist mit dem Concours am Ende des ersten Studienjahres, der eine unmenschliche Konkurrenz zwischen den Studenten erzeugt hatte. Aber dadurch, dass die neue Aufnahmeprüfung jetzt Anfang September stattfindet, hat Minister Marcourt das Ziel zum x-ten Mal verfehlt. Die Kandidaten, die durchfallen, haben nur wenige Tage Zeit, sich neu zu orientieren. Beispiele, wie man es besser machen könnte, gibt es genug. Zum Beispiel in Flandern für das Medizinstudium selbst, und in der Wallonie für das Ingenieurstudium, meint La Libre Belgique.
Auch L'Echo sieht die Reform als gescheitert an, findet aber: Dieser Fehlstart ist eine gute Chance. Er eröffnet die Möglichkeit, Fehler zu korrigieren. An die Arbeit also, aber schnell, fordert L'Echo.
Ehrgeizige grüne Revolution in Flandern beschlossen
Das flämische Parlament hat seine Ziele für seine Klimapolitik bis 2050 verabschiedet. Unter anderem sollen Autos mit Verbrennungsmotoren dann nicht mehr verkauft werden dürfen. "Wie realistisch ist die grüne Revolution?", fragt sich De Morgen schon auf Seite eins und fügt in seinem Kommentar hinzu: Es ist immerhin bemerkenswert, dass diese Ziele parteiübergreifend beschlossen wurden. Sie sind ehrgeizig. Auch deshalb ist Vorsicht geboten. Denn ob alles, was da jetzt formuliert wurde, auch umgesetzt wird, ist fraglich. Es wird auch auf uns Bürger ankommen, darauf zu achten. Wir müssen schon früh damit anfangen und nicht erst 2050, verlangt De Morgen.
Kay Wagner - Foto: Thierry Roge/BELGA