„Schlossmord scheint nach neuer Aussage gelöst“, schreibt Het Laatste Nieuws auf Seite eins. "Serry verrät nach fünf Jahren den Doktor: Gyselbrecht bestellte Mord an seinem Schwiegersohn“, titelt Het Nieuwsblad.
Die Zeitungen berichten über neue Erkenntnisse im so genannten "Schlossmord von Wingene". Nachdem Freitag bereits Medien über die mögliche Einflussnahme der Familie des Ermordeten Stijn Saelens auf die Ermittlungen spekuliert hatten, sorgt heute eine belastende Aussage für Furore. Den Auftrag zum Mord soll der Schwiegervater Doktor André Gyselbrecht, gegeben haben. Das sagt ein ehemaliger Busenfreund des Doktors, Pierre Serry.
Kommentierend meint Het Laatste Nieuws: Der Fall muss jetzt vor ein Geschworenengericht. Denn die vergangenen Tage haben wieder einmal gezeigt, dass reiche Menschen einen direkten Draht zu den Richtern und Staatsanwälten haben. In Brügge sind es Schlossbewohner, in Antwerpen Diamantenhändler, in Lüttich Mafiosi mit PS-Connection. Um diese Seilschaften und Verflechtungen aufzubrechen, bedarf es der Geschworene.
Was sie im Stande sind zu leisten, hat jüngst der Fall Wesphael gezeigt: Die Geschworenen sprachen den wallonischen Politiker frei, weil die Staatsanwaltschaft aus Brügge keine stichhaltigen Beweise vorlegen konnte. Nur wenn wir den Schlossmord einem Geschworenengericht überlassen, werden wir eines Tages wissen, was wirklich Sache war, glaubt Het Laatste Nieuws.
Tschernobyl anscheinend auch in Belgien möglich
La Libre Belgique berichtet über zwei kritische Briefe, die die Atomaufsichtsbehörde an den AKW-Betreiber Electrabel geschrieben hat. Darin klagt die Atomaufsichtsbehörde über erhebliche Sicherheitsmängel in den Anlagen. Kommentierend meint das Blatt: Da läuft es einem kalt den Rücken runter. Die Briefe legen nahe, dass Katastrophen wie die in Tschernobyl oder Fukushima durchaus auch bei uns möglich wären. Anscheinend ist man es überhaupt nicht gewohnt, sich um die Sicherheit in den Atomkraftwerken zu kümmern.
Das ist höchst beunruhigend und nicht hinnehmbar. Denn die Atomindustrie ist keine Industrie wie jede andere. Hier darf nicht der kleinste Fehler passieren. Die Sicherheit der Bevölkerung steht auf dem Spiel. Wenn Electrabel jetzt weiter so tut, als ob gar nichts sei, muss die Politik eingreifen. Mit aller Konsequenz, fordert La Libre Belgique.
Frankreich: neuer Schwung für Demokratie
Le Soir beschäftigt sich mit der Kandidatensuche bei den französischen Republikanern für die Präsidentschaftswahl. Sonntag können die Franzosen unter mehreren Kandidaten eine Vorauswahl fällen. Das ist ein gutes Verfahren, lobt Le Soir. Es trägt dazu bei, die Demokratie wieder zu beleben.
Es sind nicht mehr allein die Parteien, die ihren Kandidaten küren, sondern die Bürger dürfen mitsprechen. Das eröffnen auch den Kandidaten eine Möglichkeit, die parteiintern oder bei den Medien und Umfragen nicht unbedingt eine Chance gehabt hätten. Die Chance mitbestimmen zu können, sollten sich die Franzosen nicht entgehen lassen, findet Le Soir.
Zum gleichen Thema bemerkt L'Avenir: Egal welcher Kandidat sich letztlich durchsetzen wird, seine Aufgabe wird es sein, die Hand zur Versöhnung auszustrecken. Er muss vereinigen, denn nur in der Einheit der demokratischen Kräfte liegt ihre Stärke. Spaltung schürt Angst.
Und Angst ist ein schlechter Berater. Er führt in die Hände von Demagogen. Die Devise unseres Landes lautet "Einigkeit macht stark". Wir wollen hoffen, dass Frankreich sich von dieser Devise inspirieren lässt am Sonntagabend und in den darauffolgenden Wochen. Im rechten wie im linken demokratischen Lager, so L'Avenir.
USA als Warnung
"Rechts, rechter, Donald Trump: gewählter Präsident ernennt drei Hardliner", titelt De Morgen. Zu den ersten Entscheidungen bei der Wahl seiner engsten Mitarbeiter kommentiert die Zeitung: Ein Justizminister, der den Ku-Klux-Klan als netten Club bezeichnet, ein Verteidigungsminister, der sein Weltbild mit dem von Wladimir Putin abstimmt, ein strategischer Berater, der Feminismus als Krankheit bezeichnet: Solche Leute werden bald in Washington Politik machen.
Für Europa ist das eine Warnung. Dafür darf es nicht dazu kommen, dass die Bürger aus Überdruss und wegen der Arroganz der Politiker Extreme wählen. Hier ist auch die EU gefragt. Die jüngsten Skandale um den ehemaligen Kommissionspräsidenten Manuel Barroso, der jetzt für Goldman Sachs Millionen verdient, und den deutschen EU-Kommissar Günther Oettinger müssen verhindert werden. Eine klare Kante gegen Arroganz der Mächtigen ist gefragt, findet De Morgen.
Neue Rolle für Angela Merkel
L'Écho sieht durch Trump die Welt vor einer Neuordnung. Präsident Barack Obama hat bei seiner Abschiedstour durch Europa Angela Merkel gleichsam als neue Chefin einer freien Welt ernannt. Das konnte er deshalb machen, weil die USA mit Trump diese Fähigkeit verlieren werden. Zwischen Washington, Berlin und Moskau werden die Karten bald neu gemischt werden, glaubt L'Écho.
Auch De Standaard macht sich Gedanken zu Angela Merkel: Am Sonntagabend wird sie ihre erneute Kandidatur für das Kanzleramt bekannt geben und sehr wahrscheinlich wird sie auch wiedergewählt. Dann wird es interessant sein zu sehen, wie sie mit ihrer Art Politik zu führen zurechtkommen wird.
Sie wird es in den letzten Jahren ihrer Kanzlerschaft mit einer Welt zu tun haben, die radikaler ist als die, die sie kennt. Sie selbst wird sich darin wie eine Überlebende aus eine vergangenen Epoche bewegen, meint De Standaard.
Kay Wagner - Foto: David Stockman (Belga)