"Amerika hat gewählt", titelt L'Avenir. "Ein historisches Votum", sagt La Libre Belgique auf Seite eins voraus. Het Laatste Nieuws und De Morgen fragen: "Was jetzt, Amerika?".
Da der US-Wahlkrimi sich in der Nacht und damit nach Redaktionsschluss abgespielt hat, sind viele Titelseiten heute zweigeteilt. Die Seite eins von Het Nieuwsblad etwa kann man in der Mitte umklappen. So ist entweder ein Foto von Hillary Clinton zu sehen oder das Bild von Donald Trump mit dem Zusatz: "Wenn das Unvorstellbare eintrifft. Steht die Welt vor einem schwarzen Kapitel?". De Standaard titelt: "Clinton oder Trump: Der neue US-Präsident steht vor einer schwierigen Herausforderung". Nämlich: Das zutiefst gespaltene Land wieder vereinen.
USA – ein gespaltenes Land
La Libre Belgique meint: Nach dem schmutzigsten US-Wahlkampf aller Zeiten ist die amerikanische Gesellschaft geteilter denn je. Zwar ist der Graben zwischen Republikanern und Demokraten schon seit Jahrzehnten sehr tief. Derzeit wirkt er aber unüberbrückbar. Im Mittelpunkt steht schon lange nicht mehr das Allgemeinwohl, sondern die Parteiinteressen des eigenen Lagers. Mit ihrer Mehrheit im Kongress haben die Republikaner in den vergangenen Jahren zahlreiche Vorhaben des demokratischen Präsidenten Barack Obama blockiert. Mit Donald Trump, der sich im Wahlkampf zahlreiche Feinde gemacht hat, droht die politische Debatte in den USA künftig noch rauer zu werden, warnt die Zeitung.
Het Nieuwsblad hält fest: Auf den neuen amerikanischen Präsidenten kommt eine schwierige Aufgabe zu. Er muss ein geteiltes Land vereinen, eine verarmte Mittelschicht vor dem Abgrund retten, einen gigantischen Schuldenberg bewältigen sowie das Minenfeld im Nahen Osten.
Het Belang van Limburg findet: Wie auch immer diese Wahl ausgehen mag, der Ruf der Demokratie in der Welt hat schweren Schaden angenommen. Russland und China haben in den letzten Wochen mehrmals peinliche Episoden aus dem US-Wahlkampf benutzt, um zu beweisen, dass Amerikas demokratisches System dekadent und verkommen ist. Der Imageschaden ist auch auf unserer Seite des Atlantiks zu spüren. Der Erfolg von Populisten in immer mehr europäischen Staaten sowie das Brexit-Votum passen in das Bild einer Demokratie, die nicht mehr auf der richtigen Spur ist und wo Bauchgefühle und Gebrüll ebenso entscheidend sein können, wie das rationale Abwägen von Fakten und Sachargumenten, bedauert das Blatt.
Wut vs. Argumente
Gazet van Antwerpen fragt sich, ob wir heute mit einem Kater wach werden. Sollte Donald Trump es entgegen aller Voraussagen ins Weiße Haus schaffen, dürfte kaum irgendwo auf der Welt Jubel ausbrechen. Ganz bestimmt nicht in Europa.
De Morgen fügt hinzu: Die Mauer, die Trump an der Grenze zu Mexiko errichten will, wird höchstwahrscheinlich Symbolpolitik bleiben. Einwanderer und Ausländer müssen sich aber warm anziehen und der Fremdenhass, den Trump in den vergangenen Monaten geschürt hat, erhält durch seine mögliche Wahl zum US-Präsidenten einen Schein von Legitimität. Lediglich "Typen" wie der russische Präsident Wladimir Putin und sein syrischer Kollege Baschar-al-Assad haben nichts zu befürchten. Der Rest der Welt droht dagegen instabiler zu werden.
L'Écho zeichnet ebenfalls ein düsteres Bild und spricht schon von einem amerikanischen Psycho-Thriller. Die Stammtischparolen, Beleidigungen und widerlichen Ausrutscher von Donald Trump drohen die gesellschaftliche Spaltung der USA weiter voranzutreiben und einen Teil der fanatischen Trump-Anhänger zu radikalisieren. Extremistische Handlungen leider nicht ausgeschlossen, so die Sorge der Zeitung.
Trump: Sorge und Hoffnung
Le Soir sieht das ähnlich: Der Schaden ist angerichtet, der böse Geist ist aus der Flasche. Wie ein Cowboy hat Trump in seinen verschiedenen Wahlkampfauftritten um sich geschossen, das amerikanische Wahlsystem sowie seine Gegner diskreditiert. Trump hat die Riegel der Vernunft und des Anstands platzen lassen. Und damit die Tore zum politischen "Jurassic Park" geöffnet.
L'Avenir gibt sich etwas optimistischer: 1968 standen die USA vor einem ähnlichen Abgrund. Massenaufstände, die Morde von Kennedy und Martin Luther King sowie der Vietnamkrieg haben dem Land schwer zu schaffen gemacht. Trotzdem haben die USA es geschafft, das Schwarze Kapitel zu beenden und eine neue, bessere Seite aufzuschlagen. Hoffentlich passiert das auch 2017.
AKn - Foto: Timothy A. Clary (afp)